Am 26. März 2017 wird im Saarland ein neuer Landtag gewählt. Zur Wahl treten 16 Parteien an, davon 14 in allen Wahlkreisen. Im bisherigen Landtag sind fünf Parteien vertreten. Neben CDU, SPD und Linke sind mit deutlichem Abstand zu diesen Parteien auch Piraten und Grüne im saarländischen Landtag vertreten. Die derzeitige Regierung wird von einer großen Koalition aus CDU und SPD gebildet. Die amtierende Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer gehört der CDU an und tritt als Spitzenkandidatin erneut an. Die in der bisherigen Regierung von der SPD gestellte Ministerin für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr und Spitzenkandidatin der SPD ist Anke Rehlinger.
Den beiden weiblichen Kandidatinnen steht der landes- und bundespolitisch profilierte ehemalige Ministerpräsident des Saarlands Oskar Lafontaine gegenüber. In der Zeit von 1995 bis 1999 war Lafontaine auch SPD-Vorsitzender und hatte in dieser Zeit erheblichen Einfluss auf die Politik der Bundesrepublik. Mit dem Politikwechsel der Agenda 2010 wandte er sich vom Kurs seiner Partei ab und wurde zum Mitgründer einer linken Alternative, die schließlich als neue Partei Die Linke ein fest umrissenes Profil erhielt und auf Grund der Popularität Lafontaines im Saarland 2012 16% der Wählerstimmen erhielt.
Die beiden Kandidatinnen haben eine juristische Ausbildung und haben sich schon früh für eine politische Laufbahn entschieden. Oskar Lafontaine ist diplomierter Physiker und trat noch während des Studiums 1966 in die SPD ein. Seine Motivation für diesen Schritt war durch seine katholische Erziehung in einem Internat mitbestimmt.
Nach den vorliegenden Prognosen zur anstehenden Landtagswahl werden sich die Ergebnisse von 2012 für die drei stärksten Parteien nur unerheblich verändern. Hierbei ist jedoch der in jüngster Zeit feststellbare Wachstumstrend für die SPD durch die Nominierung ihres Kandidaten für das Amt des Bundeskanzlers und die Wahl Frank Walter Steinmeiers zum Bundespräsidenten die große Unbekannte in allen Prognosen. Dieser Schulz-Effekt wird von Wahlforschern mit etwa 10% beziffert. Von nicht geringerem Einfluss wird aber auch das Abschneiden der AfD sein, die in den Prognosen bei 10% Wähleranteil liegt.
Insgesamt ist die politische Landschaft in Deutschland unübersichtlicher geworden. Mit dem abnehmenden Trend der dem linken Parteienspektrum zugeordneten Piratenpartei und dem Auftauchen einer neuen Bewegung am rechten Rand des bürgerlichen Wählerlagers, die in die Gründung der AfD mündete, sind größere Wählerpotentiale in Bewegung geraten, die sich teilweise aus dem Wählerpotential der Nichtwähler speisen, jedoch auch für erhebliche Wählerwanderungen zwischen den Parteien sorgen. In dieser Situation ist es hilfreich, über Wahlversprechen und Wahlprogramme hinausgehende Grundhaltungen und weltanschauliche Bindungen der politischen Akteure, auf die es an den Schalthebeln der Macht ankommt, kennenzulernen. Hierzu möchte ich nachfolgend einen Beitrag leisten, in dem ich für die oben genannten Spitzenkandidatinnen und den Kandidaten der Linken die Wertewelten skizziere, in die sie eingebunden sind. Zu Einzelheiten der hierzu angewandten Methode weise ich auf einen früheren Artikel hin.
In der nebenstehenden Grafik sind die Wertewelten nach dem System der Spiral Dynamics für die drei Kandidat(inn)en dargestellt und können direkt miteinander verglichen werden. Die Grafik offenbart hinsichtlich des politischen Spitzenpersonals echte Wahlmöglichkeiten, wie sie unter den etablierten Parteien in der Regel nicht zu finden sind. Das dominierende Wertesystem ist bezüglich allen Kandidat(inn)en Orange, mit etwas stärkerer Ausprägung bei der amtierenden Ministerpräsidentin. Von besonderem Interesse sind die daneben bestehenden Anteile von Blau und Grün und deren Verhältnis zueinander. Diesbezüglich ist zunächst ein grundlegender Unterschied zwischen den beiden weiblichen Kandidaten und Oskar Lafontaine festzustellen. Während bei ersteren Grün gegenüber Blau dominiert ist das Verhältnis im Bezug auf Lafontaine umgekehrt, d. h. die Bindung an ein festgefügtes und auf Tradition gegründetes Weltbild ist bei Lafontaine stärker ausgebildet. Der einzuschlagende Weg ist von Gesetzen vorgezeichnet und beinhaltet nur wenige Optionen. Der persönliche Hintergrund gibt eine mögliche Erklärung hierfür ab und erklärt vermutlich auch Lafontaines politischen Werdegang. Im krassen Gegensatz dazu steht in der Wertewelt der SPD-Kandidatin eine relativistische Grundhaltung und die Herstellung von Harmonie. In der Auseinandersetzung mit Andersdenkenden steht das Konsensprinzip im Mittelpunkt. Blau und Grün sind antagonistische Systeme, die sich gegenseitig kontrollieren. Blau verleiht dem Handeln einen bewährten und soliden Rahmen, der von Grün durch die Begründung von Gruppeninteressen gesprengt wird. Beide sind jedoch für den Bestand der Entwicklungsspirale erforderlich, da Grün erst die Freiräume schafft, die zum Übergang in eine höhere Ordnung auf spirituellem Niveau erforderlich ist. Diese Entwicklung ist in sehr geringem Maß im Unterschied zur SPD-Kandidatin bei den beiden anderen Kandidaten in Gelb zu sehen.
Im Unterschied zu ihrer Gegenkandidatin bzw. dem Kandidaten der Linken ist im Bezug auf Frau Kramp–Karrenbauer auch eine Spur von Purpur zu sehen, das auf vorhandene Bindungen an Familie und Rituale hinweist. Dagegen sind im Bezug auf den Kandidaten der Linken deutliche Anteile von Rot vorhanden. Es darf deshalb damit gerechnet werden, dass in der Wertewelt von Oskar Lafontaine Macht als notwendiges und offen zu handhabendes Mittel der Politik ausgeübt wird. Auch so wird Politik letztlich transparent. Darüber hinaus eröffnen sich Möglichkeiten kreativer Gestaltung, die gerade in Krisensituationen notwendig sind.
Auch hinsichtlich der Problemfelder sind bei den drei Spitzen-kandidat(inn)en deutliche Unterschiede zu sehen, die bei den beiden Frauen in Regierungs-verantwortung teilweise mit ihren Verantwortungsbereichen zu tun haben, andererseits aber auch in diesen speziellen Problemfeldern etwas darüber aussagen können, welchen Stellenwert diese für die Amtsinhaberin in ihrem Aufgabenbereich haben.
Hervorstechend sind die Problembereiche Anerkennung bezüglich der Ministerpräsidentin , Gewalt ebenfalls in ihrem Bild und dem des Kandidaten der Linken, Angst und Armut ebenfalls bezüglich des Letztgenannten. Die starke Bedeutung von Gewalt (Macht) deckt sich bezüglich Oskar Lafontaine mit dem starken Anteil des roten WMems. Bezüglich der Ministerpräsidentin ist die Synchronität nicht in gleicher Weise gegeben, was darauf zurückzuführen ist, dass hier direkt nach dem Begriff „Gewalt“ gesucht wurde, im Zusammenhang mit dem WMem Rot jedoch Gewalt aus dem komplexen Bedeutungsgehalt des Wertesystems abgeleitet wurde. Die Begriffe sind insoweit nicht identisch. Im Bezug auf Frau Kramp-Karrenbauer kann davon ausgegangen werden, dass das Problemfeld Gewalt den hohen Stellenwert durch die von ihr repräsentierte Staatsgewalt, zu der vor allem die Polizeigewalt gehört, erhalten hat. Sinnfällig schließt sich daran das hohe Maß von Anerkennung an, das von ihr als Dienstherrin zu verteilen ist. Originäre Themen der Linken scheinen Angst und Armut zu sein, die bei den zwei Kandidatinnen nur mittlere Bedeutung erreichen. An dieser Stelle ist die Bemerkung angebracht, dass im Bild der SPD-Kandidatin insgesamt lediglich mittlere Grade erreicht werden. Das ist für Anerkennung, Angst, Gewalt und Mobilität und in etwas geringerem Maß für Arbeitslosigkeit, Armut und Verteuerung der Fall. Als Ministerin für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr ist sie in ihrer dienstlichen Tätigkeit in fünf der sieben Problemfelder involviert.
Besonders zu erwähnen ist die gegenüber den Kandidatinnen erhöhte Bedeutung des Problemfeldes Rassismus im Bild von Oskar Lafontaine.
In der nebenstehenden Übersicht sind die Quadranten nach dem AQAL-Ansatz der Integralen Theorie nach dem amerikanischen Philosophen Ken Wilber nebeneinander gestellt. Hier sind keine gravierenden Unterschiede der Kandidat(inn)en abzulesen. Die geringen Abweichungen vom ausgeglichenen 0-Zustand sind auf Unschärfen der Methode und Auf-, bzw. Abrundungen zurückzuführen.