Wahlen werden tendentiell immer bedeutungsloser, seit das Gedränge in der politischen Mitte immer größer wurde und zudem die Mitte immer „mittiger“ wurde. Als Folge entstanden zwar neue Parteien im linken (Piraten) und rechten (AfD) Spektrum, die sich populistisch geben und eine Art Antipolitik vertreten. Diese Parteien sind ebenso politische „Wundertüten“ wie die Parteien der Mitte, denen der Wähler am Wahltag einen Blankoscheck für die Führung der Staatsgeschäfte in den kommenden fünf bzw. vier Jahren ausstellt. Die spannendste Frage dabei ist lediglich noch, wer mit wem koalieren kann und will. Eine Alternative zu diesem Wahlroulett ist z. Zt. nicht in Sicht und scheint in diesen unruhigen Zeiten auch kaum sinnvoll. Es erscheint mir deshalb hilfreich zu sein, das politische Feld auf informeller Ebene so gut es geht zu beackern und neue Aspekte in das vorhandene Spektrum einzubringen. So können neue Fragestellungen, die aus dem wissenschaftlich-technischen Fortschritt entstehen und von weitreichender gesellschaftlicher Bedeutung sind von der politischen Basis her an Entscheidungsträger herangebracht werden, die sich bisher oft für unfähig erklärt haben, entsprechende Gesetzesvorhaben in die Wege zu leiten und oft den Gerichten das Feld überlassen. Darüber hinaus bieten sich neue Ansatzpunkte für außerparlamentarische Aktionen, die an Erfahrungen aus der Friedensbewegung, der Anti-AKW-Bewegung sowie vielen anderen Bewegungen mit alternativen und ökologischen Zielsetzungen sowie direkt-demokratischen Möglichkeiten im politischen System anknüpfen können.
In diesem Beitrag werde ich einige Informationen aufbereiten, die den Wertehintergrund und die Problemaffinitäten der Spitzenkandidat(inn)en zur Landtagswahl in Schleswig-Holstein am 07. Mai 2017 näher beleuchten und deren Bild in der Öffentlichkeit vertiefen. Die Ergebnisse werden so dargestellt, dass ein direkter Vergleich der Kandidaten möglich ist.
Der erste Eindruck von dem Wertespektrum, das hier zur Wahl steht, ist das einer echten Vielfalt. Sehr überraschend ist der große Unterschied zwischen dem Kandidaten der CDU und dem amtierenden Ministerpräsidenten der SPD, der sich zur Wiederwahl stellt. Insgesamt ist festzustellen, dass in allen WMem-Bildern Orange dominiert, undzwar bei der Mehrzahl der Kandidaten sehr stark, angeführt vom SPD-Kandidaten, der sich als erfolgreicher Ministerpräsident präsentiert und offensichtlich auch versteht, diesen Erfolg widergespiegelt zu bekommen. Bei diesem Ausmaß von Orange bleibt allerdings nicht mehr viel Spielraum für Entwicklungen in anderen Werteordnungen, insbesondere Grün. Das für inneren Frieden, Harmonie in der Gruppe, Gleichheit und die Relativierung von Wahrheiten stehende Grün ist für den Fortschritt in der Entwicklung hin zu einem auch geistig und seelisch erfüllten Leben erforderlich. Das auf seinem Höhepunkt stehende Orange ist die Heimat des Raubtier-Kapitalismus und erkennt individuelle Leistung durch materielle Zuwendungen an. Es wendet die wissenschaftlich-technischen Möglichkeiten konsequent an und holt entsprechenden Rat von Experten ein. Wer es in Orange geschafft hat, an die Spitze zu gelangen, wird alles daran setzen, seine Position zu halten. Beispiele der jüngeren Vergangenheit sind Manager der Deutschen Bank, das frühere Management der HSH-Nordbank und des VW-Konzerns. Das schwache Grün kann immerhin ohne die hemmenden Einflüsse von Blau agieren. Letzteres stellt die für den Bestand des Gesamtsystems erforderlichen Ordnungsstrukturen bereit, die eine Entartung in Orange oder ein Überborden von Grün verhindern. Beides scheint in Schleswig-Holstein auf den schwachen Koalitionspartner GRÜNE übertragen zu sein, der selbst auch ein starkes Orange repräsentiert, daneben jedoch ein zu Grün relativ starkes Blau aufweist.
In der beschriebenen Situation ist es nicht mehr so überraschend, dass der Kandidat der CDU eine echte Wertealternative repräsentiert, die eine Umkehrung der Wertegewichte seines SPD-Gegenübers darstellt. Sein akademischer Werdegang und sein Engagement in verschiedenen parlamentarischen und katholischen Funktionen machen es verständlich, dass seine Wertewelt nur schwach auf Orange gestützt ist. Bei ihm und in seinem Umfeld dominieren soziale Werte und das Streben nach Harmonie, er will möglichst alle auf seinem politischen Weg mitnehmen und ist zur Relativierung von Standpunkten bereit. Das ebenfalls gut ausgebildete Blau stellt die erforderliche Wertestruktur für die Handhabung traditioneller administrativer Organisationsstrukturen bereit. Darüber hinaus sind in seiner Wertewelt auch stärkere Anteile von Rot zu sehen, die auf extrovertierte Persönlichkeiten hinweisen, die ihre Absichten mit Nachdruck zu verwirklichen verstehen. Hieraus können unkonventionelle Problemlösungen resultieren, ebenso aber auch ausbeuterische Übergriffe auf Abhängige.
Die Kandidatin der Grünen und der Kandidat der FDP stehen für Wertewelten, in denen Blau gegenüber Grün dominiert. Für die mitregierenden Grünen kommt hierin ein Gegengewicht zu dem in Orange und Grün agierenden Ministerpräsidenten zum Ausdruck, das jedoch so wenig im interesse der Grünen sein kann, wie es auch nicht im Interesse der Gesamtbevölkerung des Landes sein kann.
Der Kandidat der FDP ist praktizierender Rechtsanwalt und in dieser Rolle stark in die Rechtsordnung eingebunden, was sich in dem starken Anteil von Blau zeigt. Eine Differenzierung in den FDP-Politiker Kubicki und den Rechtsanwalt ist in diesem Rahmen nicht möglich. Schaut man sich seine politische Laufbahn an, so gewinnt man den Eindruck, dass der Rechtsanwalt den größeren Anteil am Persönlichkeitsbild hat.
Bei allen weiteren Kandidaten der kleinen Parteien ist die Wertewelt von einem relativ starken Grün gegenüber Blau geprägt, wobei das Niveau insgesamt und in der Relation zueinander unterschiedlich ist. Die beiden Kandidaten der Linken und der Kandidat der AfD heben sich von ihren Konkurrenten durch starke Anteile von Gelb (Schippers und Nobis) bzw. von Türkis (Kolter) ab. Sie haben demnach Zugang zu spirituellen Ressourcen, die eine flexible Handhabung der Wertesysteme der ersten Ordnung ermöglichen. Besonders auffällig ist die große Übereinstimmung der Wertewelten des CDU-Kandidaten Günther mit dem AfD-Kandidaten Nobis. Damit bestätigt sich der in der Medienöffentlichkeit erzeugte Eindruck bezüglich der AfD als einer Abspaltung von der CDU / CSU vom rechten Rand dieser Parteien in der Person dieses Kandidaten.
Bemerkenswert ist auch das starke Orange in der Wertewelt des Kandidaten der Piratenpartei bei geringen Anteilen von Grün und Blau, womit eine große Ähnlichkeit zur Wertewelt des SPD-Kandidaten entsteht. Der Kandidat Patrick Breyer ist promovierter Jurist und Fraktionsvorsitzender der Piraten im derzeitigen Landtag Schleswig-Holsteins und erfüllt alle Voraussetzungen für eine politische Karriere, die ihre Erfüllung letztlich nur in der Regierungsverantwortung finden kann.