Die Wertewelten der Superreichen in Frankreich

In diesem Beitrag werde ich die Wertememe im System der Spiral Dynamics in den Einflußfeldern der französischen Superreichen beschreiben, soweit sie ihren Niederschlag im Internet finden.

Internetpräsenz Französische MilliardäreIn  der links stehenden Grafik sind die Summen der Suchergebnisse zu den verwendeten wertrelevanten Schlüsselbegriffen in Relation zur Internetnutzung in Frankreich  abzulesen. Die Ergebnisse für die fünf Spitzenmilliardäre sind sehr unterschiedlich. Den geringsten Niederschlag im Bezug auf die hier verwendeten Wertebegriffe haben Internetinhalte, die den Luxusproduzenten Bernard Arnault betreffen (blaue Säule). Den höchsten Wert erreichen Abfragen zu der alten Dame des Kosmetikkonzerns L’Oreal, Liliane Bettencourt (rote Säule), gefolgt von Serge Dassault, dem politisch aktiven Konzernchef des gleichnamigen Luftfahrt- und Rüstungsunternehmens sowie der Konzernholding Groupe Dassault  (grüne Säule), Patrick Drahi (gelbe Säule), einem Senkrechtstarter mit marokkanisch-jüdischen Wurzeln und international tätigem Telekommunikations- und Kabelunternehmer sowie dem Kunstmäzen und Luxusgüterproduzenten Francois Pinault (auberginefarbene Säule).  Auffällig ist, dass drei der fünf Superreichen ihr Geld mit Produkten des persönlichen Stils und der Selbstdarstellung im weitesten Sinne verdienen. Es handelt sich um Dinge , die dem „guten Leben“ dienen, wie es der französischen Lebensart zugeschrieben wird.


Franzoesische Milliardaere - Uebersicht 02-2016Der Vergleich der fünf Wertewelten in der nächsten Grafik zeigt für das Wertemem Orange eine absteigende Folge, die der nachfolgenden Reihenfolge der Einzeldarstellungen entspricht: Bernard Arnault (1), Liliane Bettencourt (2), Patrick Drahi (3), Serge Dassault (4) und Francois Pinault (5). Neben Orange, als für das westliche Wirtschafts- und Politiksystem maßgebendem Wertesystem, spielt Grün eine wichtige Rolle im Bezug auf Serge Dassault und Rot im Bezug auf Patrick Drahi und Francois Pinault. Das Ergebnis für den Letztgenannten ist darüber hinaus so komplex, dass es aus der hier gebildeten Vergleichsreihe herausfällt.

Französische Milliardäre 02-2016Als letzte Vorbemerkung ist auf das virtuelle Gesamtprofil der Wertewelten für die fünf dargestellten Superreichen hinzuweisen. Dieses Profil bildet den Maßstab für die in den Einzeldarstellungen enthaltenen relativen Ausprägungen der Wertememe. Für alle Grafiken und Kommentare gilt, dass die Wertememe Gelb und Türkis in zu geringer Ausprägung vorkommen und deshalb nur in der relativen Abweichung vom Mittelwert zu sehen sind. Die Ursachen für den Ausfall dieser beiden Wertesysteme sind einerseits in Schwierigkeiten der Begriffsbildung für passende Schlüsselbegriffe zu suchen, andererseits aber auch an der vorwiegend materialistischen Ausrichtung der „aufgeklärten“ westlichen Wissenschaft und Technik, die in alle Bereiche Einzug gehalten hat und daher im Verhältnis zu dem gesamten Datenaufkommen zu den Personen nur sehr geringe Abfrageergezahlen ergeben kann.

Bernard Arnault gilt als einer der Entscheidungsträger weltweit, wenn es um Fragen des guten Geschmacks bei Feinkost und Luxusgütern geht. Er herrscht über ein Imperium von ca. 70 Warenmarken, darunter Dom Perignon, Bulgari, Louis Vuitton, Sephora und Tag Heuer, sowie 3.700 Einzelhandelsgeschäfte, die in dem Konzern LVMH Moët Hennessy – Louis Vuitton zusammengefasst sind und wo er seit 1989 CEO ist. Den größten Anteil an seinem Vermögen macht die Mehrheitsbeteiligung an dem Luxusgüter Unternehmen Christian Dior aus. Weitere Beteiligungen bestehen bei der Supermarktkette Carrefour und dem Modeunternehmen Hermès. Bernard Arnault ist ein bedeutender Kunstmäzen und -sammler.

Bernard Arnauld Bernard Arnault (relativ)

Bernard Arnault bewegt sich im Glanz des Erfolgs, den ihm die Schönen und Reichen dieser Welt bescheren. So eindeutig diese Prägung auch ist, so beschränkt ist das Wertespektrum, auf das sich das Imperium Arnault stützt. Seine Wertewelt ist die Quintessenz seiner Kundschaft, wie sich aus der Relation der Wertememe zum Mittelwert der untersuchten Milliardäre in Frankreich ablesen läßt. Die in der relativen Gewichtung herausstechenden Wertememe Gelb und Türkis haben statistisch keine Aussagekraft, da sie in der links stehenden Grafik keinerlei Gewicht haben. Sie lassen jedoch im Vergleich zu den anderen Milliardären erahnen, dass es hier um Produkte geht, die einen höheren Anspruch erfüllen sollen, als normale Gebrauchsgegenstände: Sie sollen den Menschen mit einem Esprit erfüllen, der mehr aus ihm macht, als er ohne diese Produkte wäre. Unverhohlen kommt das in dem Markennamen des Konkurrenzunternehmens ESPRIT zum Ausdruck, der sich des französischen Begriffs für „Geist“ bedient.

Liliane Bettencourt geb. Schueller und ihre Kinder besitzen 33% des 1907 von ihrem Vater Eugene Schueller gegründeten Kosmetikunternehmens L’Oréal . Die 93-jährige Tochter des Firmengründers wurde im Jahr 2011 von einem Gericht wegen Demenz unter die Vormundschaft ihres ältesten Enkels Jean-Victor Meyers gestellt. In der Folge kam es durch Vertraute zu dubiosen Übergriffen auf das Vermögen der alten Dame, für die 9 Personen – darunter ein ehemaliger Minister der Regierung Sarkozi – vor Gericht standen.

Liliane Bettencourt Liliane Bettencourt (relativ)

Die Wertewelt der Liliane Bettencourt unterscheidet sich nur unwesentlich von der des Bernard Arnauld und es gilt mit Einschränkungen auch hier, dass sich die Wertewelt des durchschnittlichen französischen Milliardärs – vielleicht auch des Schönen und Reichen generell – in diesem Spektrum spiegelt. Im Unterschied zum Imperium des Bernard Arnault ist die Orientierung des Konzerns im  nicht ausschließlich auf gehobene Käuferschichten ausgerichtet, so dass eine etwas andere Verteilung der Gewichte zu erwarten ist. Vor allem Rot und Grün sind stärker ausgeprägt – letzteres hebt sich auch im Verhältnis zum Durchschnitt aller dargestellten Milliardäre ab. Das auch im Verhältnis zu Purpur und Blau stark ausgeprägte Rot deutet auf zwei Ursachen hin, die einerseits in der rechtsextremen Haltung des Firmengründers und noch bis in die jüngere Vergangenheit bestehenden Vorwürfe rassistischen Verhaltens und andererseits  auf die strafrechtlich relevante Ausbeutung des Vermögens der Erbin hin. Eine eindeutige Beurteilung ist jedoch nur nach detaillierterer Kenntnis der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse möglich. Das relativ stark ausgeprägte Grün kann als Hinweis auf Bemühungen des Unternehmens gelesen werden, auf den Einsatz von Tierversuchen zu verzichten. Hiermit im Zusammenhang kann ein positives „grünes“ Image der Marke angenommen werden.

Patrick Drahi ist CEO der luxemburgischen Altice Group, einem multinationalen Kabel- und Telekommunikationsunternehmen, das zu 60% in seinem Besitz ist. Drahi wurde in Marokko geboren und emigrierte als Teenager nach Frankreich, wo er ein Studium an der renommierten Pariser Universität École Polytechnique absolvierte.

Patrick Drahi Patrick Drahi (relativ)

Im Werteprofil sticht ein hoher Anteil des roten Wertemems hervor, der darauf hindeutet, dass seine agressiven Geschäftspraktiken ihn innerhalb weniger Jahre in die Spitze der französischen Wirtschaftselite katapultiert haben. Zu vermuten ist, dass mit gleicher Härte im eigenen Haus regiert wird. Dafür spricht ein starker blauer Werteanteil bei gleichzeitig schwachem Grün. Die Orientierung an gültigen Wahrheiten der Religion – hier des Judentums –  läßt wenig Platz für die Entwicklung eines Wir-Gefühls. Gerade das ist jedoch bei einem so rasch wachsenden Unternehmen wie dem Drahi’schen Imperium notwendig.

Serge Dassault ist Mitglied des französischen Senats und Generaldirektor von Dassault Industries, einem Konzern, dem Luft- und Raumfahrtunternehmen sowie Software- und Medienunternehmen angehören. Er erbte das Unternehmen 1987 von seinem Vater Marcel Dassault. Von 1995 bis 2009 war Dassault Bürgermeister von Corbeil-Essonnes, einer Stadt im Süden von Paris. Er wurde auf Gerichtsbeschluss aus dem Amt entfernt, weil er Geldgeschenke an die Wähler gemacht hatte, die das Wahlergebnis beeinflusst haben könnten.

Serge Dassault Serge Dassault (relativ)

Für die Wertewelt des Serge Dassault ist die feste Anbindung an Traditionen und Ordnungen bestimmend. Das ist für einen Konzern, der seinen Schwerpunkt in der Rüstungsproduktion hat und dessen Verhandlungspartner Militärs und Politiker sind nicht anders zu erwarten. Das Militär ist neben der Religion die Heimat von Blau. Sie streben die Macht an, zu bestimmen was wahr ist und diese Wahrheit auch durchzusetzen. Aus dieser Perspektive ist es nicht verwunderlich, dass auch Mittel eingesetzt werden, die demokratischen Gepflogenheiten widersprechen. Dennoch hat sich auch ein Rüstungskonzern mit dem sozialen Anspruch des politischen Systems, mit dem er Geschäfte macht, zu arrangieren und Rüstungsunternehmen unterliegen aus moralischen Gründen einer besonders kritischen Kontrolle durch die Öffentlichkeit. Da ist es ratsam, ein gutes Einvernehmen mit der Belegschaft zu haben um eine Spaltung zwischen Konzernführung und Mitarbeiterschaft zu verhindern. Die Situation bei Dassault ist daher von einem Spannungsverhältnis zwischen autoritativem Blau und kommunitärem Grün – als Konzession an den Multikulturalismus – gekennzeichnet, wobei Blau im Vergleich zum Durchschnitt der französischen Konzernwirtschaft überwiegt.

Francois Pinault und seine Familie besitzen Kunstsammlungen bedeutender Künstler sowie Unternehmen der Luxusgüterherstellung zu denen Marken wie Gucci, Stella McCartney, Alexander McQueen und Yves Saint Laurent gehören. Zum Besitz der Familie gehört auch das Auktionshaus Christie’s und das Chateau Latour, eines der vier Weingüter, die den Ruf des Bordeaux-Weins begründendeten. Das Imperium Pinault steht damit in direkter Konkurrenz zur Sphäre des Bernard Arnault.

 Francois Pinault_neu Francois Pinault (relativ)

Die Wertewelt des Francois Pinault hebt sich deutlich von der vergleichbarer Milliardäre ab. Das für die Gegenwart bestimmende Orange ist zwar noch am stärksten ausgeprägt, jedoch ist es neben Blau deutlich unter dem Durchschnitt der Superreichen in Frankreich angesiedelt. Das starke Beige ist nur in Zuständen existentieller Bedrohungen zu sehen und kann sowohl aus persönlichen Beeinträchtigungen z. B. durch Krankheit oder Behinderung wie auch aus antizipierten Bedrohungen oder Drohungen resultieren. Damit kann die zurückgezogene Lebensweise Pinaults erklärbar sein. Eine weitere Besonderheit ist in dem ebenfalls überdurchschnittlich stark ausgeprägten Purpur zu sehen, in dem die Einbindung in die Ahnenreihe und magisch-mystische Beziehungen zum Ausdruck kommen. Sowohl die Übernahme umfangreicher Kunstsammlungen vom Vater, wie auch die inhaltliche Auseinandersetzung mit den darin enthaltenen Werken, werden die in nahezu jedem Menschen rudimentär vorhandenen Relikte früher Geistes- und Geisterwelten, aus denen auch die moderne Kunst schöpft, gestärkt haben. Gleichzeitig deuten sich hier sehr komplexe Zusammenhänge an, über die hier nur spekuliert werden könnte. Anders als in der Wertewelt seines Konkurrenten Arnault gibt es in der Welt des Francois Pinault mit starken Antrieben aus dem roten Wertebereich die Chance, auf schwierige Situationen mit unkonventionellen Mitteln zu reagieren. Dabei wird vor allem Blau mit seiner straffen Tradition nicht im Wege stehen.

Über Fidelio

Ich bin 1949 geboren und war in meiner berufstätigen Zeit als Stadtplaner in einer mittelgroßen kommune tätig. Seit meiner Studienzeit habe ich mich für die Entwicklung eines erweiterten geistigen Horizonts interessiert und einige Anstrengungen unternommen, mich persönlich in diesem Sinne zu entwickeln. Aufgrund meiner katholischen Erziehung habe ich in den 1960-er Jahren begonnen, mich intensiver mit dem modernen Mystiker Teilhard de Chardin zu befassen und bin so zur Gedankenwelt von Ken Wilber gekommen, die ich in diesem Projekt nutzbar zu machen versuche.
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