Biden oder Trump – Ein integraler Chancenvergleich (V)

Wertewelten und Enneagramm-Typen in Beziehung zu Biden und Trump

In diesem Beitrag beginne ich mit der Veröffentlichung der im ersten Beitrag dieser Serie angekündigten Daten der 12 untersuchten Swing States der USA. Auf der Grundlage der Wurzelsünden des Enneagramms in diesen Staaten bezogen auf die Typen in den 8 Wertememen der Spiral Dynamics kann ein Vergleich der beiden Präsidentschafts-kandidaten Biden und Trump erfolgen. Die Fülle der Daten wird durch Grafiken besser lesbar gemacht.

Grundsätzlich ist die Interpretation der Daten an dieser Stelle wegen fehlender Zusatzinformationen zu den politischen Verhältnissen vor Ort auf eine grobe Auflösung der Situation in den Staaten beschränkt. Insbesondere besteht das Problem der Konnotation, d. h. es steht in Frage, mit welcher Intention der Sprecher das sinngebende Wort ausgesprochen bzw. geschrieben hat. Hierfür gibt es drei Möglichkeiten: Es kann sich um eine Behauptung der gegnerischen Seite über den Konkurrenten handeln, es kann um die Herausstellung vermeintlich positiver Eigenschaften des unterstützten Kandidaten handeln  und es kann informell durch die Medien  verbreitet worden sein. Eine Entscheidung, in welchem Sinn das Ergebnis zu interpretieren ist, kann nur von Fall zu Fall erfolgen. Zur Klärung kann eine Betrachtung der direkten Konnotation der Abfragebegriffe beitragen. Dabei ist die obligatorische Vermutung maßgeblich, dass es sich um religiös geprägte Begriffe mit negativer Konnotation (Sünden!) handelt.  Nachfolgend werden die verwendeten Begriffe in diesem Sinne kurz auf der Basis von Sprachbeispielen aus dem Merriam-Webster Dictionary besprochen:

Wrath (Zorn)

„an intense emotional state of displeasure with someone or something waited until my initial wrath had eased before voicing my complaint“ (ein intensiver emotionaler Zustand des Missfallens gegenüber jemandem oder etwas. Ich wartete, bis mein anfänglicher Zorn nachgelassen hatte, bevor ich meine Beschwerde äußerte.)

Die Bedeutung drückt die temporäre Einschränkung der eigenen Handlungsfähigkeit aufgrund überschießender Emotionen aus und ist zweifelsfrei negativ zu werten. An dem Zustandekommen dieses Zustands sind beide Seiten beteiligt. Die gesellschaftliche Norm ist coolness!

Pride (Stolz)

„a reasonable or justifiable sense of one’s worth or importance finishing that survival course gave me a real sense of pride and confidence in my abilities“ (ein vernünftiges oder gerechtfertigtes Gefühl des eigenen Wertes oder der eigenen Wichtigkeit. Der Abschluss dieses Überlebenskurses gab mir ein echtes Gefühl von Stolz und Vertrauen in meine Fähigkeiten.)

Dieser Begriff ist trotz seiner relgiösen Ursprungsbedeutung heute eher positiv konnotiert. Erst die Rechtfertigung – der Gegenstand – des Stolzes und der Grad des Stolzes können ihn zur Sünde werden lassen.

Deceit (Betrug)

„the inclination or practice of misleading others through lies or trickery a rise to power that was marked by treachery and deceit“ (die Neigung oder Praxis, andere durch Lügen oder Tricks zu täuschen; ein Aufstieg zur Macht, der von Verrat und Betrug geprägt war)

Der Konnotation ist eindeutig negativ. In der Regel wird es um die Bezichtigung eines anderen gehen.

Envy (Neid)

„a painful awareness of another’s possessions or advantages and a desire to have them too their envy of their neighbor’s fancy home threatened to wreck their friendship“ (ein schmerzhaftes Bewusstsein für den Besitz oder die Vorteile eines anderen und der Wunsch, sie auch zu haben; ihr Neid auf das schicke Haus ihres Nachbarn drohte, ihre Freundschaft zu zerstören;)

Das Gefühl entsteht in der Regel ohne das Zutun eines anderen Menschen und hat seine Ursache in der psychischen Konstitution des Ich-Sprechers und ist wegen der Beeinträchtigung der eigenen Handlungsfreiheit eindeutig negativ konnotiert.

Greed (Gier)

„an intense selfish desire for wealth or possessions; don’t let greed for riches control you“ (ein intensives egoistisches Verlangen nach Reichtum oder Besitztümern. Lassen Sie sich nicht von der Gier nach Reichtum kontrollieren!)

Auch hier entsteht das Gefühl ohne das gezielte Zutun eines anderen und stellt eine konstitutionelle Beeinträchtigung des Ich-Sprechers dar. Damit ist es eindeutig negativ konnotiert.

Fear (Furcht/Angst)

the emotion experienced in the presence or threat of danger; the sight of the headless horseman filled the schoolmaster with fear (die Emotion, die angesichts einer Bedrohung oder Gefahr empfunden wird. Der Anblick des kopflosen Reiters erfüllte den Schulmeister mit Angst.

Angst stellt eine grundlegende Beschränkung der Handlungsfreiheit dar und ist negativ konnotiert. Sie ist nach dem Grad der Ausprägung und der Möglichkeit der Abgrenzung zur konkret benennbaren Ursache (Furcht) unterschiedlich zu beurteilen. Diese Abgrenzung ist im allgemeinen Sprachgebrauch nur selten möglich, so dass von der Angst im ursprünglichen Sinn auszugehen ist.

Gluttony (Völlerei)

„the excessive consumption of food; the view that gluttony is a serious failure in self-discipline“ (der übermäßige Verzehr von Nahrungsmitteln; die Ansicht, Genießen, dass Völlerei ein schwerwiegender Mangel an Selbstdisziplin sei)

Es geht bei dem Begriff um suchtähnliches Verhalten in den Ernährungsgewohnheiten und somit um ein zwanghaftes Konsumverhalten, das sich hieraus entwickelt. Dabei ist nicht immer eine negative Konnotation vorhanden, da das Wort – zumindest im Deutschen – auch für ein luxuriöses Essen zu feierlichen Anlässen benutzt wird. Es sollte in dem hier interessierenden Zusammenhang als negativ bewertet werden.

Lust (Schamlosigkeit)

Das englische Verb wird im ursprünglichen Sinn des Enneagramms speziell auf die religiös gemeinte Schamlosigkeit in der Sexualität bezogen. In diesem Sinn ist es eindeutig negativ zu sehen. Es können hierdurch jedoch Verzerrungen im Ergebnis entstehen.

Sloth (Faulheit)

„disinclination to action or labor; spiritual apathy and inactivity; the deadly sin of sloth“ (Abneigung gegenüber Handlungen oder Arbeit; geistige Apathie und Inaktivität; die Todsünde der Trägheit)

Die Verweigerung jeglicher Aktivität zur Selbsterhaltung über die Forderungen des Körpers hinaus  bedeutet auch Verweigerung des sozialen Lebens und ist in diesem Sinn eindeutig negativ konnotiert. Dem steht – jedoch nur scheinbar – ein Recht auf Faulheit gegenüber.

Die überschlägliche Prüfung der verwendeten Bezeichnungen für die Wurzelsünden des Enneagramms hat ergeben, dass der gegenwärtige Gebrauch dieser Wörter in einem hinreichenden Masse die ursprünglich religiös geprägten Begriffe wiedergibt. Abweichungen und/oder Erweiterungen der Bedeutungsgehalte kommen vor, sie sind jedoch beherrschbar, wenn die Plausibilität im jeweiligen Zusammenhang beachtet wird.

Im ersten Schritt werde ich für die bisher skizzierten Wurzelsünden die Ergebnisse in den Swing States grafisch darstellen. Das vollständige Typenspektrum ist hier als pdf-Datei WMem Alle Swing States Biden WMem Alle Swing States Trump verfügbar.

Biden

Nachfolgend gehe ich auf das Bild der Typen unter dem Einfluss der jeweiligen Wertesysteme ein. Dabei werde ich mich auf die wesentlichen Auffälligkeiten beschränken müssen.

In den WMemen spielen die Typen 2 und 6 eine hervorgehobene Rolle. Wie in den Beiträgen (II) und (IV) erläutert hat der Typ 6 mit der Wurzelsünde Angst eine grundlegende Bedeutung in der abendländischen Kultur. Der Typ 2 (Stolz) hat in diesen Kulturen durch den Nationalismus ein starkes Gewicht erhalten. Die Ausprägung dieser Typen ermöglicht deshalb erste Aussagen zu der Rolle der Kandidaten in den Staaten.

Beige

Die stärksten Anteile von Typ 2 (Stolz) sind für Wisconsin, Ohio, Florida, North Carolina, Pennsylvania und Maine zu sehen. In 10 der Zwölf Staaten ist ein dominanter Einfluss der beiden Typen 2 und 6 (Angst) zu erkennen, der für beide Typen bis zur Marke von 12% nahezu in allen Staaten reicht und lediglich Texas, Florida und Colorado als Ausnahmen erscheinen lässt.  In Texas bleibt der Typ 2, in Florida und Colorado der Typ 6 jeweils hinter dem anderen der beiden Typen zurück. Die schwächsten Anteile des Typs 6 sind in Colorado und Florida zu sehen.

Die vorherrschende Kombination aus Angst und Stolz lässt an Zukunftsängste denken, die auf den Verlust des Erreichten gerichtet sind. Das gilt jedoch nicht dort, wo einer der beiden Typen – insbesondere der Typ 6 stark hinter Typ 2 zurückbleibt. Das ist in Colorado und Florida der Fall. Hier ist der relativ starke Einfluss des Typs 3 (Betrug) zu sehen. Von allen Staaten ist der Anteil von Betrug im Profil von Florida am höchsten. Damit im Zusammenhang stehen die immer wieder vom ehemaligen Präsidenten Trump gegen Präsident Biden öffentlich erhobenen Vorwürfe, er habe ihn um den Wahlsieg betrogen. In Florida wird diese Erzählung durch den dort regierenden Gouverneur DeSantis – innerparteilich ein Rivale Trumps – stark unterstützt. Der große Anteil von Stolz ist vermutlich Ausdruck der boomenden Wirtschaft in Florida, die diesen Staat aus dem allgemeinen Zustand der amerikanischen Wirtschaft hervorhebt.

Weitere Hervorhebungen sind in Colorado und Michigan bezüglich Typ 8 (Schamlosigkeit) zu sehen. In Colorado befindet sich Typ 8 mit Typ 2 (Stolz) auf gleichem Niveau neben einem starken Anteil von Typ 3 (Betrug).

In Arizona und Pennsylvania spielt Typ 7 (Völlerei) eine relativ starke Rolle. Hier ist zu vermuten, dass sich der übergeordnete Einfluss des WMems Beige als unabdingbare Grundbedingung der Menschenwürde besonders stark zur Geltung bringt und die „Völlerei“ von Teilen der Gesellschaft zum Wahlkampfthema macht.

Purpur

In noch breiterer Geschlossenheit bringen sich in Beige die Typen 2 und 6 zur Geltung. Daneben tritt jedoch auch Typ 8 (Schamlosigkeit) in stärkeren Anteilen hervor. Auch hier ist das von der Werteordnung bestimmte Klima als fördernde Kraft anzunehmen, die hier offene Möglichkeiten suggeriert und die Scham zurücktreten läßt. Auffallend ist hier das geringe Gewicht der Typen 7 (Völlerei) und 3 (Betrug).

Rot

In Rot ist wird die Sphäre mächtiger Einflüsse auf das reale Geschehen sichtbar. Hier zeichnen sich unter den Staaten zwei Gruppen ab. Einerseits die aus 8 Staaten bestehende Gruppe die von den Typen 2, 6 und 8 bestimmt werden und die aus den vier restlichen Staaten Wisconsin, Texas, Pennsylvania und Ohio bestehende Gruppe. Letztere zeigt starke Annäherung der Typen an einen Mittelwert, eine Ausnahme bilden lediglich Ohio und Wisconsin mit jeweils schwächeren Anteilen des Typs 8 (Schamlosigkeit und Pennsylvania mit einem sehr kleinen Anteil des Typs 7 (Völlerei).

Es scheint so, als sei in der kleineren Gruppe unter dem unerschrockenen Einfluss starker Persönlichkeiten die Kraft der Betrugserzählung gebändigt und ihre Schamlosigkeit erkannt.

Blau

Unter Blau kehrt das alte Muster aus den Typen 6 und 2 zurück. Allerdings tritt hier der Typ 2 (Stolz) in einigen Staaten etwas zurück. Zu diesen Staaten gehören die Staaten der in Rot identifizierten kleineren Gruppe und zusätzlich Michigan, Colorado und Arizona. Allerdings wird hierdurch der in Blau bestehende Einfluss ordnender Kräfte gegenüber der Betrugserzählung geschwächt. Auch in anderen Staaten gewinnt die Schamlosigkeit an Einfluss gegenüber dem Stolz, der hier für ein nationales Bewusstsein stehen kann und unter Blau ein besonderes Gewicht haben sollte. Zu diesen Staaten gehören Arizona, Colorado, Michigan und Wisconsin.

Orange

In Orange entfaltet sich das für die USA typische Wertesystem, das auf Erfolgsstreben ausgerichtet ist. Im Vergleich zu den meisten der vorangegangenen Typenprofile ist hier nichts grundsätzlich neues zu sehen. Wichtigste Erkenntnis scheint mir darin zu liegen, Faktoren zu identifizieren, die im Stande sind, die Betrugslüge einzufangen.

Grün

Hier zeige sich wieder zwei Gruppen, ähnlich denen unter dem WMem Rot. Die größere Gruppe wird von Georgia, Colorado, Florida, Iowa, Maine, Michigan und North Carolina gebildet und hat als Identifikationsmerkmal starke Beteiligungen der Typen 2 und 6. Ohio steht mit einer Kombination aus Typ 8 und 2, etwas schwächerem Typ 2 und noch schwächerem Typ 3 als Solitär außerhalb der Gruppenbildung. Das gilt auch für Pennsylvania mit vier etwa gleich starken Typen und einem deutlich schwächeren Typ 2. Die Staaten Texas und Wisconsin sind ähnlich strukturiert. Sie haben etwa gleich starke Typen 3, 6, 8 und 7 bei deutlich schwächerem Typ 2 in Texas und deutlich stärkerem Typ 2 in Wisconsin. Diese Beschreibung trifft auch mit geringen Abweichungen auf Arizona zu.

Die Besonderheit unter Einfluss des WMems Grün besteht darin, dass in diesem gemeinschaftsstiftenden Wertesystem die Betrugslüge besonders stark ausgeprägt zu sein scheint. In den Staaten Texas, Wisconsin, Pennsylvania und Arizona zeigt sich eine enge Beziehung zwischen der Angst und Betrug. Dabei bilden diese Paarungen jeweils die stärksten Typen in den genannten Staaten. Es hat so den Anschein, als bildete sich um die gemeinsam geglaubte Lüge des Wahlbetrugs eine Art Glaubengemeinschaft, die nur durch ihre „Entzauberung“ zu zerstören wäre. Im Umkehrschluss bedeutet dieses für die übrigen Staaten, dass diese keine so starken Bindungskräfte besitzen und Argumenten leichter zugänglich sind.

Gelb

Unter dem Einfluss des individuell orientierten Wertesystems des erweiterten Einblicks in systemische Zusammenhänge gibt es in Wisconsin und Pennsylvania stärkere Anteile des Typs 7, die bei letzterem als stärkster Typ zeigen. Im übrigen ist auch hier die für das Gesamtbild bestimmende Kombination der Typen 2 und 6 zu sehen.

Türkis

Unter diesem WMem kommt es ebenfalls zu einigen Änderungen im Typenspektrum, die den Staat Texas betreffen. Hier gibt es einen dominanten Typ 7 (Völlerei), der auf ein ökologisches Gewissen hindeuten kann und drei gleichstarke Typen mit einem führenden Typ 6 in Pennsylvania bei schwachem Typ 8.