Wieder einmal verlief der Jahreswechsel auf Deutschlands Straßen mit vielen Gewalt-Exzessen. Berlin bildet dabei den Hotspot, der offensichtlich für die politische Auseinandersetzung über das – seit den Ereignissen an Silvester 2015 in Köln – schwelende Thema „Gewalt durch Ausländer“ am besten geeignet ist. An der Auswahl aus der Vielzahl von Ereignissen an vielen Orten in Deutschland wird bereits sichtbar, dass es hier nicht in erster Linie um die Gewährleistung öffentlicher Sicherheit geht, sondern eher um die Identifizierung von gewaltbereiten Gruppen, die der Härte des Staates zugeführt werden sollen. Berlin als Bundeshauptstadt und Stadt mit hohen Konzentrationen von Regenbogen-Gruppen und Migranten Dabei gerät die Bedeutung des Kulturen übergreifenden Brauchtums aus dem Blick.
Eine wesentliche Bedeutung von lautstarken und phantastischen Illuminationen zum Jahreswechsel liegt in der Vertreibung dämonischer Kräfte, zu deren Abwehr keine üblichen Methoden der Politik ausreichen, sondern eine Art Kreuzzug unter Aufbietung aller Mittel erfordern. Schon im Mittelalter lärmten die Menschen mit allem, was laute Geräusche erzeugt: Töpfe, Rasseln, Trommeln und Trompeten und übernahmen damit einen Brauch, der bereits lange vorher in China gepflegt wurde und bis heute zum wichtigsten Fest der Chinesen – dem Jahreswechsel – gehört. In der Kombination aus chinesischer Kultur und heidnischen Bestrebungen, böse Geister zu bannen, entstand ein christlicher Brauch, zu dem auch das Läuten von Kirchenglocken gehörte.
Diesen Brauch gerade am Ende des katastrophalen Jahres 2022 aus altbekannten und dramaturgisch aufgewerteten Gründen eindämmen zu wollen muss von jenen missverstanden werden, die dem deutschen Staat und seiner demokratischen Legitimation aus verschiedenen Gründen kritisch bis ablehnend gegenüberstehen. Die nun entbrannte neuerliche Diskussion um staatliche Maßnahmen zur Beseitigung dieses Ventils für sozialen Stress kann als neuerlicher Beweis für die feindliche Haltung des Staates gegenüber unliebsamen Milieus dienen. So gesehen handelt es sich vermutlich für einige der Angreifer auf Symbole des Staates auch um die konsequente Fortführung ihres Widerstands gegen die teilweise zynischen Reaktionen des Staates (Präventivhaft) auf die halbherzige Abwehr der immer drastischer werdenden Klimakatastrophen. Die Silvester-Randale bildet so in unreflektierter Perspektive einen wachsenden Komplex von handgreiflichen Auseinandersetzungen mit den Staatsorganen, der sich von den Straßenblockaden der Klimaaktivisten, über die in diesen Tagen kulminierenden Aktionen der Lützerat–Aktivisten bis hin zum Widerstand gegen politische Repressionen – die als Reaktionen auf diese Aktionen erfolgen bzw. geplant sind – bildet. Eine Ausweitung des bereits in Ansätzen vorhandenen Komplexes einer gewaltbereiten bürgerlichen Szene erscheint vielen nicht sehr fern.
Nachfolgend möchte ich den Versuch unternehmen, ein Gesamtszenario aus Fakten zu entwickeln. Hierzu werde ich einige Daten aus Internetquellen generieren, die für die Beschreibung der politischen Situation in Deutschland von grundlegender Bedeutung sein können. Dabei gehe ich von der Überlegung aus, dass für den demokratischen Staat der Mensch als Holon (Ganzheit) im Sinne der Integralen Theorie von maßgeblicher Bedeutung ist. Es sind Menschen, die seit einigen Jahrzehnten in zunehmendem Maße ihren Protest gegen verschiedenste Missstände im Land auf die Straßen und Plätze tragen – weit überwiegend friedlich, aber im Verhältnis zu gewalttätigen Randerscheinungen unverhältnismäßig wahrgenommen. Und genau hier setzt die folgende Betrachtung an.
Ken Wilber zitiert den Physiker und Philosphen Fridjof Capra, der die Auffassung vertritt, dass die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Krisen der Welt sämtlich einem zersplitterten Weltbild entspringen :
„Unsere Gesellschaft insgesamt befindet sich in einer [noch nie dagewesenen] Krise. Wir können uns über ihre zahllosen Gesichter Tag für Tag in der Zeitung informieren. Wir haben die Krise des Arbeitsmarkts, die Energiekrise, die Krise der medizinischen Versorgung, Umweltverschmutzung und ihre Folgeprobleme, rapide Zunahme von Gewalttätigkeit und Kriminalität und so weiter. Meine Grundthese in diesem Buch lautet, dass dies alles nur Facetten ein und desselben Problems sind und die Krise im Grunde eine Krise der Wahrnehmung ist. Sie entspringt dem Umstand, daß wir die Vorstellungen und Begriffe eines überholten Weltbilds – des mechanistischen Weltbilds – auf eine Wirklichkeit anzuwenden versuchen, die nicht mehr anhand solcher Vorstellungen und Begriffe zu deuten ist. Wir leben heute in einer global vernetzten Welt, in der die Interdependenz aller biologischen, psychologischen, soziologischen und ökologischen Phänomene nicht mehr zu übersehen ist. Um diese Welt angemessen beschreiben zu können, brauchen wir eine ökologische Perspektive …“ (aus: Fridjof Capra: The Turning Point; Simon & Schuster, New York 1982; deutsch: Wendezeit, dtv, München 1991) Weiterlesen →