Klimapolitik im Januar 2020

Joe Kaeser und die Siemens AG

Joe Kaeser ist seit etwa 15 Jahren in der Firmenleitung des weltweit agierenden Technologiekonzerns Siemens tätig und ist seit dem 01.August dessen Vorstandsvorsitzender. Kaeser und Siemens waren in die Schlagzeilen geraten, weil Kaeser der deutschen Klimaaktivistin Luisa Neubauer von Fridays for Future einen Aufsichtsratsposten im künftigen Unternehmen Siemens Energy angeboten hatte und von dieser eine Abfuhr erhalten hatte – verbunden mit dem Rat, Kaeser solle nicht „die gesamte Reputation von Siemens aufs Spiel setzen„, indem er den Bau eines Kraftwerks zustimme, das es „nicht geben dürfte„. Kaeser hatte ihr den Posten bei einem Gespräch über den Bau eines umstrittenen Kohlebergwerks angeboten, an dem Siemens beteiligt ist. Die Anlage soll nach den Plänen des indischen Konzerns Adani Group eines der weltweit größten Bergwerke seiner Art werden. Umweltschützer bekämpfen das Bauprojekt seit Jahren. Neben den zu erwartenden CO2-Emissionen protestieren sie auch gegen den benötigten Wasserverbrauch, die Zerstörung von Lebensraum vor Ort sowie den Transport der Kohle über das Great Barrier Reef, das größte Korallenriff der Welt. Aufgrund der seit Monaten anhaltenden Buschfeuer in Australien, die bisher mehr als zehn Millionen Hektar Land vernichtet haben, ist der Bau besonders problematisch: In Australien steht Premierminister Scott Morrison zunehmend in der Kritik, da seine industriefreundliche Position zur Kohleförderung in Verbindung zu den Bränden gebracht wird.

Bei dem Projekt kommt Siemens eine Schlüsselstellung zu, da die Firma eine Zugsignalanlage liefern soll, für deren Lieferung weltweit außer Siemens nur die französische Firma Alstom und die japanische Firma Hitachi in Betracht kommen. Nach Angaben von Neubauer verweigern beide Firmen die Zusammenarbeit mit dem indischen Rohstoffunternehmen.

Wie steht es aber wirklich um die Reputation von Siemens? Wenn diese Frage auf der Grundlage der nebenstehenden Grafik – die aus weltweiten Abfrageergebnissen in Englisch entstanden ist – beantwortet wird, ist es mit der ökologischen Reputation nicht weit her. Einem gewaltigen Orange stehen gleich starkes Blau und Grün auf niedrigem Niveau zur Seite. Dagegen sticht ein agressives Rot hervor, das Erinnerungen an zahlreiche Rechtsverstöße der Firma wachruft, die hier aufzuzählen das Thema verfehlen würde und zum Nachlesen in der Wikipedia empfohlen wird.

Dagegen steht es um die Integrität von Joe Kaeser schon um einiges besser. Er kann auf Unterstützung aus höheren geistigen Ebenen zurückgreifen (Gelb und besonders Türkis), ein starkes Blau ist Zeichen einer starken Einbindung in Traditionen und der Anwendung von bewährten Methoden, die sicher beherrscht werden. Der Erfolg wird – entsprechend der Firmentradition – dem Unternehmen als Ganzem zugeschrieben. Das auch hier deutlich zu sehende Rot kann auf Grund der langen Verantwortung Kaesers nicht hinreichend genau gedeutet werden, sowohl Verantwortung für Rechtsbrüche in der Vergangenheit wie auch entschiedenes Eintreten für eine neue Firmenkultur können hierfür Ursache sein.

Kohlekraftwerk Datteln 4

Die Uniper Kraftwerke GmbH (vormals E.on Kraftwerke GmbH) errichtet am Standort Datteln auf der gegenüberliegenden Seite des Dortmund-Ems-Kanals seit 2007 ein komplett neues Kraftwerk. Die Inbetriebnahme war ursprünglich für 2011 geplant. Da der Bebauungsplan zwischenzeitlich für unwirksam erklärt wurde und nach Wiederaufnahme der Bauarbeiten schwere technische Probleme am Kessel auftraten, verzögerte sich die Fertigstellung und Inbetriebnahme des Kraftwerkes. Datteln 4 ist mit Stand Oktober 2017 das einzige in Bau befindliche Kohlekraftwerk in ganz Westeuropa. Am 16. Januar 2020 wurde durch Beschlüsse der Bundesregierung zum Kohleausstieg die Inbetriebnahme von Datteln 4 bewilligt. Die Inbetriebnahme ist inzwischen erfolgt.

Die Kritik der Umweltverbände an dem Neubau des Kohlekraftwerks richtet sich aus einer grundsätzlichen Ablehnung der Kohleverstromung gegen dieses Projekt, darüber hinaus aber auch aus verfahrensrechtlichen Gründen und aus Gründen des Naturschutzes. Die Rentabilität werde nur dadurch erreicht, dass Kohle aus Abbaugebieten wie Russland verfeuert werde, wo Umweltstandards nicht eingehalten werden.

Dem hält der Bauherr E.ON entgegen, im Vergleich zum bisherigen Kraftwerk handele es sich hinsichtlich Wirkungsgrad und Umweltbilanz um eine wesentliche Verbesserung.

An der vorstehenden Grafik ist die Konfliktstruktur zwischen Befürwortern und Gegnern gut abzulesen. Das dominierende Blau zeigt an, dass die Argumentation fast ausschließlich auf Rechtsvorschriften und politischen Vorgaben basiert. Die Unterstützung durch Aktionen direkter Demonstration in Rot spielt demgegenüber eine untergeordnete Rolle. Auch die ökologische (Grün) und wirtschaftliche (Orange) Seite des Projekts haben wenig Resonanz gefunden.

Schlußbemerkungen

Am Beispiel BlackRock wird deutlich, dass nach den von den Staaten vorgenommenen Regulierungen des Finanzsektors eine Verlagerung der Risiken in den Bereich der Fonds-Anbieter erfolgt ist, die bisher nicht im Fokus der Politik standen und keinen direkten Einfluss auf die Realwirtschaft zu haben schienen. Die globale Ansammlung von Anlagekapital ermöglicht jedoch über die Stimmrechte der Anleger indirekte Einflüsse auf die Personalentscheidungen und strategischen Ausrichtungen der Unternehmen. Hierdurch entsteht ein besonderes Problem, dass unter dem Begriff „Common Ownership“ (Darstellung im Interesse von BlackRock u.a.) diskutiert wird und Marktmacht meint, die bisher nicht durch das Kartellrecht erfasst ist. Im Vorfeld dieser Einflussnahmemöglichkeiten entsteht auch durch die Sammlung aller möglichen Daten die Möglichkeit reale Investitionen hinsichtlich der Bonität der Investoren zu beurteilen. Diese Möglichkeit setzt sich bis auf die Ebene der Konsumenten fort und führt zu Aufschlägen oder Boni, je nach Risikolage.

Die Grundlage für Finanzanlagen bilden Realvermögen wie Grundstücke, Immobilien und Rohstoffe – 1. Wirtschaftssektor und Urproduktion. So hat Donald Trump seinen Weg in die Wirtschaft gefunden und so hat auch Larry Fink seine Karriere begonnen. In der Weltfinanzkrise 2008 haben die Immobilien eine entscheidende Rolle gespielt. Auf dem Immobiliensektor treffen sich zwangsläufig Politik und Finanzwelt und beeinflussen sich gegenseitig. Für den Beleg der Verflechtung von Politik und Finanzwelt bedarf es daher gar nicht erst spekulativer Unterstellungen über „Hinterzimmergespräche“ im Élysée-Palast oder anderswo, sie sind Systembestandteil des Kapitalismus in der Demokratie.

Ein weiterer Systemaspekt ist der in der Wirtschaftstheorie so bezeichnete abnehmende Grenznutzen, welcher tendentiell die abnehmende Attraktivität von Konsumgütern bezeichnet, weshalb die kapitalistische Wirtschaft gezwungen ist, die Wertaufbewahrungsfunktion des Geldes für Privathaushalte immer wieder durch „neue“ Produkte aufrecht zu erhalten. Da der Wert des Geldes und der Gegenwert der Sachgüter für Verbraucher – vor allem bei niedrigen Zinsen – immer niedriger wird, kommt es zur Zunahme der Attraktivität der immer knapper werdender Immobilien, des Goldes, der Kunstgegenstände und einigem anderen. Da die kreditäre Geldschöpfung von diesen für Verbraucher geltenden Zusammenhängen unabhängig ist, kommt es zu einer politischen Vernachlässigung von Verbraucherinteressen.

Diese Hinweise sollen genügen, um einerseits etwas mehr Licht in die globalen Entwicklungen zu bringen und zu erweitertem Denken anzuregen, d. h. auch, die Klimadiskussion nicht disziplinär einzuengen, wie es einige Verlautbarungen von Klimaaktivisten vermuten lassen. Argumentativ führt eine solche Beschränkung in eine Enge, die das Eingeständnis der eigenen Machtlosigkeit bedeutet. Die Belege hierfür sind fast täglich den Medien zu entnehmen und erzeugen bei den Aktivisten – vielleicht auch von den Ignoranten gewollte – Frustrationen.

Über Fidelio

Ich bin 1949 geboren und war in meiner berufstätigen Zeit als Stadtplaner in einer mittelgroßen kommune tätig. Seit meiner Studienzeit habe ich mich für die Entwicklung eines erweiterten geistigen Horizonts interessiert und einige Anstrengungen unternommen, mich persönlich in diesem Sinne zu entwickeln. Aufgrund meiner katholischen Erziehung habe ich in den 1960-er Jahren begonnen, mich intensiver mit dem modernen Mystiker Teilhard de Chardin zu befassen und bin so zur Gedankenwelt von Ken Wilber gekommen, die ich in diesem Projekt nutzbar zu machen versuche.
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