Ein Jahr russischer Krieg gegen die Ukraine

Dieser Beitrag entsteht am 24. Februar 2023 und kann sich der medialen Dominanz des Jahrestages in dem anhaltenden Trauma der Ukraine nicht entziehen. Im öffentlich rechtlichen Fernsehen wird eine Gedenkfeier aus dem Schloss Bellevue in Berlin übertragen, bereits seit einigen Tagen sind Zeitungen, TV und Rundfunk mit der Dokumentation des vergangenen Kriegsjahrs sowie mit geschichtlicher Bewältigung der Ereignisse und möglichen Entwicklungen des Kriegsgeschehens und der politischen Folgen befasst. Der Fokus verschiebt sich dabei von einem anfangs regional begrenzten Konflikt zwischen zwei ehemaligen Ostblockstaaten und der Rolle Deutschlands in seinen energiewirtschaftlichen Ambitionen, insbesondere bezüglich der Versorgung mit russischem Gas, hin zu globalen Machtkonstellationen, in denen Russland, China und die USA die Hauptrollen spielen. Europa und die Ukraine werden so weitgehend ausgeblendet bzw. auf die Rolle von Assistenten der westlichen Führungsmacht reduziert. Das wurde der Welt durch den Blitzbesuch des amerikanischen Präsidenten in Kiew und bei den osteuropäischn NATO-Staaten vor Augen geführt. Der deutschen Außenministerin Baerbock kam in dieser geschichtsträchtigen Woche die Rolle zu, eine zum Jahrestag mit der Ukraine abgestimmte UN-Resolution mit dem Ziel der Beendigung des Krieges seitens des Aggressors Russland vor der UN-Vollversammlung einzubringen und zu begründen. Mit 141 Stimmen – nur 2 Stimmen weniger als vor einem Jahr – fand diese Resolution eine überwältigende Zustimmung der Staatengemeinschaft und wurde als Bekräftigung des friedenstiftenden Auftrags der UN gewertet. Dabei wurde die von der neuen Supermacht China praktizierte erneute Stimmenthaltung in den Medien sehr unterschiedlich gewertet – von einer heimlichen „Kumpanei“ mit Russland bis hin zur Behauptung einer eigenen Position in der Konstellation der drei Mächte USA, Russland und China, wobei diese Enthaltung als Bekräftigung des Anspruchs auf Weltgeltung in Opposition zu den USA erscheint. Zusätzliche Nahrung erhält diese Diskussion um die Rolle Chinas durch die Ankündigung des chinesischen Chefdiplomaten, China werde einen Vermittlungsvorschlag im Ukraine-Krieg vorlegen.

Zeit-Online veröffentlichte heute (24.02.2023) die deutsche Übersetzung eines vom Außenministerium in Peking auf dessen Website in Englisch verfassten Zwölfpunkteplans zur politischen Beilegung der Krise. Darin wird besonders herausgestellt, dass es keinen Einsatz von Atomwaffen und auch keine Drohungen damit geben dürfe.

Russland und die Ukraine sollten „so schnell wie möglich den direkten Dialog wieder aufnehmen“, heißt es in dem Papier. Dieses hat den Titel „Die Position Chinas zur politischen Beilegung der ukrainischen Krise“ (hier ein Link zur englischen Version). In ihm heißt es weiter: „Die Konfliktparteien müssen sich strikt an die internationalen Menschenrechte halten und Angriffe auf Zivilisten oder zivile Gebäude vermeiden. (Kursiv: Zitat aus Zeit-online)

Chinas Positionen im Überblick:

  • Respekt für die Souveränität aller Staaten: Das allgemein anerkannte internationale Recht sowie die Charta der Vereinten Nationen gelte es „strikt“ einzuhalten.
  • Kalte-Krieg-Mentalität aufgeben: Sicherheit eines Landes solle nicht angestrebt werden auf Kosten anderer.
  • Feindseligkeiten einstellen: Alle Parteien sollen „rational bleiben und Zurückhaltung üben“ und nicht den Konflikt befeuern.
  • Wiederaufnahme von Friedensgesprächen: Dialog und Verhandlungen seien die einzige gangbare Lösung für die Ukraine-Krise.
  • Zivilisten und Kriegsgefangene schützen: Alle Parteien im Konflikt sollten sich an das internationale Recht halten und Angriffe auf Zivilisten vermeiden, ebenso wie auf zivile Infrastruktur.
  • Atomkraftwerke sichern: China lehne bewaffnete Angriffe gegen AKW ab.
  • Strategische Risiken reduzieren: Nuklearwaffen dürften nicht eingesetzt werden und Atomkriege dürften nicht gekämpft werden.
  • Getreideexporte erleichtern: Alle Parteien sollten das Schwarzmeer-Abkommen umsetzen.
  • Stopp der einseitigen Sanktionen: Einseitige Sanktionen und maximaler Druck könnten das Problem nicht lösen, diese erzeugten nur neue Probleme.
  • Lieferketten stabilisieren: Alle Parteien sollten das existierende Welthandelssystem bewahren und die Weltwirtschaft nicht als Waffe für politische Zwecke einsetzen.
  • Wiederaufbaupläne: Die internationale Gemeinschaft solle Maßnahmen ergreifen, um nach dem Konflikt in den betroffenen Zonen Wiederaufbau zu leisten.
  • Die humanitäre Krise lösen: Alle Maßnahmen, die zur Linderung der humanitären Krise beitrügen, „müssen ermutigt und unterstützt werden“.u leisten.

Von NATO, EU und deutscher Bundesregierung wurde das Positionspapier mit Zurückhaltung bis Ablehnung aufgenommen. Jedoch wurde laut Zeit-online der chinesische Plan grundsätzlich begrüßt, es fehlten jedoch wichtige Elemente wie etwa der Rückzug russischer Truppen. Es sei wichtig, dass China seine Ideen nun auch direkt mit der Ukraine bespricht. Nur so könne eine ausgewogene Lösung gefunden werden.

In diesem Zusammenhang ist es interessant zu wissen, dass China selbst Weizenfelder in der Ukraine besitzt und der Handel zwischen der Ukraine und China mit Weizen für China von einiger Wichtigkeit ist. Der Grund hierfür liegt in der größten Hungerkatastrophe des 20. Jh., die als Folge der Zwangskollektivierung der Landwirtschaft unter Mao Zedong China traf und nach Schätzungen etwa 50 Mio. Tote forderte. Dieses Ereignis hat sich tief in das kollektive Gedächtnis eingeschrieben und ist zu einem Leitmotiv chinesischer Politik geworden. Allerdings werden die wahren Ursachen dieser Katastrophe bis heute verschleiert.

Der Vorstoss Chinas in Verbindung mit dem Jahrestag des Krieges hat in jedem Fall die in Militärberichterstattung und Aufrüstungsdebatte eingefrorene Sicht auf die Ereignisse in der Ukraine ein Stück weit belebt. Angetrieben durch wirtschaftliche Notwendigkeiten in der Ukraine-Krise und neue Ansätze der Sicherheitspolitik ist im zurückliegenden Jahr eine intensive Reisediplomatie entstanden, die neben wirtschaftlichen Fragen auch machtpolitische Interessen zum Inhalt haben. Hierbei sind insbesondere jene Länder von Interesse, die sich innerhalb des Kräftedreiecks USA-Russland-China nicht eindeutig positioniert haben, wie beispielsweise das z. Zt. vom Bundeskanzler besuchte Indien. Daraus ergeben sich unausweichlich bündnispolitische und wirtschaftliche Kollisionen, die insbesondere das Verhältnis der USA zu Deutschland und Europa betreffen. Dabei spielt die spezielle Auffassung der USA von internationalen Beziehungen – für die sich seit den 1960er Jahren der Begriff Public Diplomacy eingebürgert hat – eine entscheidende Rolle. Begonnen hatte es mit der Einführung von Cola-Getränken in China, die zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit China führten und in der Folge auch deutsche Wirtschaftsaktivitäten (Röhrenembargo, Nordstream-Pipline) behinderten. Aktuell ist es der Inflation Reduction Act, der für Verstimmungen zwischen den USA und der EU sorgt und zur Antwort im Rahmen eines Green Deal  führt. Vor diesem Hintergrund muss auch die Reaktion der USA auf das chinesische Positionspapier zum Ukraine-Krieg gesehen werden. Nach Zeit-online bewertet der amerikanische Präsident die Aussagen aus Peking, wonach sich nun China in mögliche Verhandlungen über ein Ende des Ukraine-Krieges einschalten will, als „nicht rational„. In einem Interview mit dem Sender ABC News habe dieser bemängelt, von diesem Plan profitiere ausschließlich Russland und er sah den von Russland zu diesem Plan gespendeten Applaus als Beleg für diese Einschätzung. Der amerikanische Außenminister warnte nach einer Meldung des Bayrischen Rundfunks vor der Uno „einem vorübergehenden oder bedingungslosen Waffenstillstand im Krieg gegen die Ukraine“ zuzustimmen, da Russland jede Kampfpause dazu nutzen werde, um die Kontrolle über das illegal eroberte Gebiet zu festigen und seine Streitkräfte für weitere Angriffe aufzustocken. Mit solchen Äußerungen stehen die USA im Gegensatz zur Haltung der deutschen Regierung, die immer vermieden hat, der Ukraine Empfehlungen zu ihrem Verhalten im Krieg zu geben und sich darauf beschränkt, militärisches und ziviles Material zur Selbsterhaltung zu liefern und dabei die territoriale Unverletzlichkeit von Grenzen zu respektieren. Dagegen sind die Äußerungen aus den USA offensichtlich mehr aus der Rivalität zu Russland geleitet, als das sie die militärische Seite – und damit in höchstem Maße rationale Seite – der Situation in der Ukraine berücksichtigt. Diese ist nach aktuellen Meldungen von der Front aus ukrainischer Sicht durch Munitionsmangel, Nachschubmängel und strategische Gewinne der russischen Truppen (Wagner-Söldner) gekennzeichnet und es droht der baldige Verlust der strategisch wichtigen Stadt Bachmut. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage einer Kampfpause nicht und erscheint eher als Synonym für eine Zwangspause durch Geländeverlust. Um das Argument des amerikanischen Außenministers zu beantworten: Es Bedarf einer Kampfpause nach Lage der Dinge eher für die ukrainischen Kämpfer, um sich mit frischem Material zu versorgen, als umgekehrt.

Die Frage nach den Bedingungen einer Beendigung der militärischen Konfrontation ist seit dem Beginn des Krieges der zentrale Punkt in der politischen Auseinandersetzung, da hiermit Art und Umfang militärischer Ausrüstung durch Nato-Staaten – und in erster Linie Deutschland – zusammen hängen. Die entscheidende Frage lautet: Kann die Ukraine den Krieg gewinnen oder muss Russland den Krieg verlieren, und was bedeutet das jeweils? Diese in vielen Diskussionen immer wieder gestellte Frage hat in allen Fällen am Ende – besser gesagt: nach Abbruch der Diskussion – ratlose Teilnehmer zurückgelassen und nun zu einer neuen Friedensbewegung geführt, die am Jahrestag des Krieges zu einer eindrucksvollen Demonstration in Form einer Menschenkette zwischen den Städten des Westfälischen Friedens (Münster und Osnabrück) geführt hat und heute, am Tag nach dem Jahrestag, viele Tausend Menschen in Berlin aus einem breiten politischen Spektrum zusammengeführt hat.

Eine Antwort auf die oben genannte Kernfrage kann nicht über die Köpfe der ukrainischen Bevölkerung hinweg getroffen werden. Soweit ist die Position der deutschen Regierung eindeutig und nachvollziehbar. Alle Versuche, in Diskussionen eine Antwort zu provozieren müssen als unzulässige Versuche gesehen werden, eine Parteinahme in dem Kräftespiel USA – Russland – China herbeizuführen und die Diskussion auf eine andere Ebene zu bringen, auf der die Ukraine allenfalls noch eine marginale Rolle spielt – allerdings die Diskussionsteilnehmer auch! Dennoch ist es aus integraler Sicht richtig, die Lösung auf einer höheren räumlichen und holonischen Ebene zu suchen, die allerdings von jenen betrieben werden muss, die dazu die ausreichende persönliche Integrität besitzen.

Die Dauer des Krieges hat auch in der Ukraine zu unterschiedlichen Positionen geführt, die einerseits die demokratische Legitimation der ukrainischen Regierung in Frage stellen und andererseits die elektronische Vernetzung der gewählten Abgeordneten und der Regierung für ausreichend halten. Dieser Dissens und die Diskussionen der Parlamentarier werden jedoch aus Solidarität mit den leidenden Soldaten und der Bevölkerung nicht nach außen getragen und sollen an dieser Stelle nicht weiter behandelt werden.

Selbst die deprimierenden Bilder des Krieges haben jedoch über das Jahr gesehen Facetten des Krieges geliefert, die das Verständnis vom Krieg an sich korrigierten. Die unbelegte Annahme, das Ende des kalten Kriegs und der Zerfall der Sowjetunion seien ein solides Fundament für einen dauerhaften Frieden in Europa und Wandel durch Handel sei nun das Verbindende zwischen den Staaten haben sich über ideologische Grenzen hinweg bis etwa 1990 gehalten. Seit dieser Zeit, und intensiviert seit den Terroranschlägen am 11. September 2001 haben sich kriegerische Katastrophen ereignet, die scheinbar nichts mit der im Handel vernetzten Welt zu tun hatten, sondern einen Reflex auf den Fortschritt der vernetzten Welt bedeuteten. Erst mit den Ereignissen des „Arabischen Frühlings“ zeigten sich Zusammenhänge mit sozialen und ökologischen Krisen, die mit der Urbanisierung der Erde, dem Hunger der rasch wachsenden Städte nach Energie, Lebensmitteln und Wohnraum zusammen hängen. Die Dramatik dieser Entwicklung soll an folgenden Zahlen verdeutlicht werden:

Brasilien 1,9 China 3,6
Oman 5,2 Ghana 56,1
Saudi Arabien 2,7 Indonesien 3,8
Südkorea 2,9 Nigeria 3,3
Kolumbien 1,8 Türkei 2,4
Malaysia 2,9 Botswana 22,4
Iran 2,2 Marokko 2,1
Algerien 2,4 Welt 1,6

Die Steigerungsraten beziehen sich auf die Urbanisierungsraten von 1960 bis 2018. Die Auswahl führt die höchsten Steigerungsraten als Vielfache zum Basisjahr 1960 auf. Veränderungen der Einwohnerzahlen der Länder bleiben unberücksichtigt. Tendenziell würde bei ihrer Berücksichtigung eine Erhöhung der Wachstumsraten die Folge sein.

Die hier zu sehende Entwicklung hat zu veränderten Militärstrategien der Kriegführung beigetragen, die – ausgelöst durch die Terroranschläge in Oklahoma City (1995) und New York (2001) – eine erhöhte Sensibilität für Kämpfe innerhalb von Städten erzeugt haben. Die konkreten Fragestellungen leiten sich für amerikanische und englische Militärplaner aus der Vorbereitung der als Vergeltung für die Terroranschläge vom 11. September geplante Invasion in den Irak ab. Der Architekt und Direktor des Center for Research Architecture am Goldsmiths College der Universität London, Eyal Weizman, schrieb im Jahr 2006 in einem Artikel der Fachzeitschrift Stadtbauwelt über seine Studien zur „Operation Defensive Shield“, die im Zusammenhang mit der zweiten Intifada in den Palästinenserlagern. Er stellte fest, dass unabhängig von den unterschiedlichen Strukturen der städtischen Siedlungen die gleiche Charakterisierung galt: böse, fremd und gefährlich. Daraus folgte eine militärische Vorgehensweise, die sich von den baulichen und funktionalen Gegebenheiten der Städte löste und eigene Breschen in die baulichen Strukturen brach, da der Gegner an die traditionellen und gewohnten Strukturen gebunden war und diese zu gefährlichen Orten machte. Praktisch sah das so aus, dass z. B. Straßen nicht benutzt wurden, sondern Durchbrüche quer durch Häuser geschaffen wurden oder Zugänge zu Häusern nicht über Türen und Fenster genutzt wurden sondern durch die Dächer erfolgten. Auch wurden spezielle Geräte entwickelt, mit denen sich Menschen hinter Wänden darstellen ließen und als Gefahrenquellen bekämpft oder umgangen wurden.

Weizman zieht aus diesen Erkenntnissen folgendes Fazit: „Je häufiger wir beobachten, dass militärische Operationen sich fast ausschließlich gegen Städte richten, desto mehr drängt sich die Frage auf, ob daraus ein bestimmtes Verhältnis zwischen bewaffneten Konflikten und städtischer Struktur abgeleitet werden kann. Die zeitgenössische Kriegsführung spielt sich innerhalb einer konstruierten oder realen oder imaginären Architektur ab, wobei sie städtischen Raum zerstört, verfremdet, untergräbt oder reorganisiert. Von den militärischen Strategen wird die Stadt nicht mehr länger als ein Ort gesehen, in dem sich Konflikte abspielen, auch nicht als ein Ort, der davon betroffen ist, sondern als ein Schauplatz mit Akteuren, die sich wechselseitig Auftritte liefern. Zu den Akteuren gehören: Einwohner, Soldaten, Guerillakämpfer, Journalisten und humanitäre Hilfsorganisationen.“ Diese Aufzählung ließe sich im Bezug auf die Ukraine noch um Politiker erweitern, die sich zahlreich – teilweise in Busladungsstärke – ein Stelldichein in Kiew geben.

Dem von Weizman beschriebenen neuen Bild der Stadt, die in ihrer historisch gewachsenen Gestalt aus militärischer Sicht nicht mehr akzeptiert wird und als böse und gefährlich gilt – Zuschreibungen , die ihre eigene Geschichte haben – steht ein Bild des Krieges zur Seite, wie es bei den ukrainischen Künstlern der in Wien ausstellenden Gruppe Contrapunct durchscheint und an die euphorisierende Programmatik des Futurismus anzuknüpfen scheint:

Wir alle sind Zeug*innen großer historischer Ereignisse, die sowohl tragisch als auch erhaben sind. Der russisch-ukrainische Krieg, eine an Grausamkeit und Absurdität nicht zu überbietende „militärische Spezialoperation“, wird vor unseren Augen zu einem globalen Kampf zwischen Gut und Böse, Licht und Dunkel, Gott und Teufel. Jeden Tag und jede Minute wird in einem Strudel von Ereignissen, im Beobachten von Nachrichtensendungen, in Traurigkeit und Verzweiflung, einem Aufflackern von Freude und Hoffnung eine neue Ära geboren. Es ist die Ära einer aufkeimenden freien Ukraine, die durch Blut und Tod, durch den heroischen Kampf ihrer Söhne und Töchter dabei ist, zu einem starken europäischen Staat zu werden. Eine Nation, die in der ganzen Welt bekannt ist, ein Land, dem die Welt mit Stolz zum Sieg verhilft.

Es ist die gleiche apodiktische Haltung, die sich in Diskussionsbeiträgen und Äußerungen ukrainischer Politiker zeigt, die mit dem Völkerrecht argumentieren und in letzter Konsequenz den Anspruch an die Welt stellen, ihr Land vom russischen Aggressor zu befreien. Zur Durchsetzung dieses Anspruchs fehlt allerdings die reale Macht einer legitimierten Vertretungskörperschaft der Menschheit, wie sie die UNO sein könnte. Solange jedoch das Veto-Prinzip des Sicherheitsrates besteht, ist dieses nur in Ausnahmefällen möglich, undzwar dann, wenn die Supermächte in ihren Interessen nicht gestört werden. Es bleibt deshalb eher bei moralischen Appellen, die zu Boykotten auf vielen Gebieten auffordern, wie im Falle des Ukrainekriegs geschehen. Bis solche Maßnahmen greifen, vergeht jedoch viel Zeit, die dem angegriffenen Land nur indirekten Schutz bietet.

Eine weitere Möglichkeit ist die Befähigung zur Selbstverteidigung, die, wie es in der Ukraine geschieht, nur in begrenztem Maße geschieht. Hier stellt sich jedoch die Frage, wie lange eine solche Unterstützung moralisch vertretbar ist. Im Extremfall kann sie bedeuten, einem Verlangen der unterstützten Regierung zum verordneten Untergang der Bevölkerung die Hand zu reichen. Aus diesem Grund sind Unterstützerstaaten auch an der Kriegführung der unterstützten Regierungen beteiligt und mitverantwortlich.

 

Über Fidelio

Ich bin 1949 geboren und war in meiner berufstätigen Zeit als Stadtplaner in einer mittelgroßen kommune tätig. Seit meiner Studienzeit habe ich mich für die Entwicklung eines erweiterten geistigen Horizonts interessiert und einige Anstrengungen unternommen, mich persönlich in diesem Sinne zu entwickeln. Aufgrund meiner katholischen Erziehung habe ich in den 1960-er Jahren begonnen, mich intensiver mit dem modernen Mystiker Teilhard de Chardin zu befassen und bin so zur Gedankenwelt von Ken Wilber gekommen, die ich in diesem Projekt nutzbar zu machen versuche.
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