Die Wertewelten des Martin Schulz (SPD)

Er war nur kurz ins Private eingetaucht, nun ist er mit einem Tusch wieder auf der politischen Bühne aufgetaucht. Sehr zeitgerecht hat die SPD den Wechsel an ihrer Spitze inszeniert. In Zeiten von politischen Überraschungen wie Brexit, Flüchtlingsdebatte, Trumpwahl und raketenhaften Parteienstarts hat es eine im politischen Schatten dahindümpelnde Traditionspartei wie die SPD ja auch nicht leicht im Wettstreit um die öffentliche Aufmerksamkeit einen guten Platz zu bekommen. Mitlerweile wissen wir aber, dass politische Überraschungen mehr Fragen aufwerfen, als sie Lösungen erwarten lassen.

Wer also ist Martin Schulz? Einen guten Einblick in sein Potential als Politiker liefern die Spuren, die er in seiner bisherigen Karriere im Internet erzeugt hat. Diese werde ich auf der Grundlage des Wertespektrums der Spiral Dynamics auslesen und mit den Mustern für Deutschland und Sigmar Gabriel als seinem Vorgänger im Parteivorsitz der SPD vergleichen.

Das Wertespektrum in Deutschland. Schlüsselbegriffe: Überlebenswille (Beige), blutsverwandt (Purpur), Ausbeutung (Rot), Wahrheit (Blau), Erfolg (Orange), Gemeinschaft (Grün), aktivistisch (Gelb), Gaia (Türkis)

Für jeden Politiker ist die Ausgangslage so gültig, wie für jeden Menschen, der sich innerhalb des übergeordneten Wertesystems bewegt. Diese Heimat der Werte ist neben dem Raum, in dem sich alle bewegen die gemeinsame Sprache. Mit Hilfe des Internets ist nur die letztere geeignet, Feststellungen über Wertorientierungen zu treffen. Im System der hier zu Grunde gelegten Spiral Dynamics sind es Schlüsselbegriffe, die jeweils ein Wertemem kennzeichnen. Für Deutschland ist festzustellen, dass Orange in der Summe aller sprachlichen Wesensmerkmale das weitaus dominierende Wertesystem ist. Es steht für Demokratie und Pluralismus, Rationalität, Erfolgsstreben, aber auch für Prestigedenken, hohe Erwartungen und die Macht des Geldes. Die Zukunft gehört dem Erfolgreichen, der sich zur Einforderung von Privilegien berechtigt hält. Dieses Kennzeichen ist Ausdruck einer kapitalistischen Marktwirtschaft, die den Gestaltungsraum für Politik stark einengt. Als Regulativ steht ein relativ schwaches Blau zur Verfügung, das Ordnungsprinzipien und ethische Normen beinhaltet. Es stellt jedoch gleichzeitig einen hemmenden Faktor für das „unproduktive“ Grün dar, in dem soziale Werte dominieren und Freiräume für spirituelle Entwicklungen entstehen. Dennoch hat sich ein deutlich wahrnehmbares Türkis entwickelt, von dem spirituell gelenkte Impulse in den materiellen Teil der Entwicklungsspirale einfließen können.

Wertememe des kommenden SPD-Vorsitzenden Schulz. Schlüsselbegriffe siehe oben!

Wertememe des bisherigen SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel. Schlüsselbegriffe siehe oben!

Martin Schulz ist wie auch Sigmar Gabriel Teil des übergeordneten Systems Deutschland. Allerdings ist hierzu die Feststellung notwendig, dass Martin Schulz in seiner politischen Entwicklung stark von Europa mitgeprägt ist. Daraus ergeben sich hinsichtlich Orange keine Unterschiede der beiden Politiker. Sie sind nicht nur an das orange geprägte System angepasst, sondern sie können als treibende Kräfte des Systems angesehen werden, da Orange bei ihnen deutlich stärker ausgeprägt ist, als es für Deutschland zu sehen ist. Sie unterscheiden sich nur geringfügig im Verhältnis von Blau zu Grün. Hierin kommt vermutlich die in der Politik der EU gegenüber den Mitgliedsländern geübte Ordnungspolitik zum Ausdruck, wogegen bei Sigmar Gabriel in einem stärkeren Grün die Offenheit gegenüber verschiedenen Meinungen eine Rolle spielt, die für Parteivorsitzende notwendig ist. Martin Schulz hat also gezeigt, dass er mit Autorität umgehen kann, einen Blick für das Notwendige hat und der Tradition verpflichtet ist. Ob er aber auch eine SPD, die zum Erfüllungsgehilfen des Neoliberalismus geworden ist an soziale Notwendigkeiten heranführen kann, wird er beweisen müssen.

Die Wertewelt von Martin Schulz im Verhältnis zum System Deutschland.

In der obigen Gegenüberstellung zeigt sich ein weiterer Unterschied zwischen Schulz und Gabriel, der in ihrem Verhältnis zum System Deutschland zu Tage tritt. Es handelt sich dabei um Nuancen, die erst in der rechnerischen Herausbildung der Abweichungen sichtbar werden und die Vielfachen der Abweichung zu den Werten von Deutschland darstellen. Hier ist zu sehen, dass die Beziehungen zu den von Beige repräsentierten Menschen in existentiellen Notlagen, die sich meistens am Rand der Gesellschaft befinden, wesentlich  stärker sind, als es im Vergleich zu Deutschland der Fall ist. Hierin unterscheidet sich Schulz auch insofern von Gabriel, als letzterer noch unterhalb des Wertes für Deutschland angesiedelt ist. Ein weiterer Unterschied ist im Verhältnis der WMeme Purpur und Rot zu sehen. Während Purpur als Repräsentation der Altvorderen gelten kann und bei Gabriel relativ stark ausgeprägt ist, stellt es sich bei Schulz weniger deutlich dar. Stattdessen ist bei ihm das Wertesystem Rot relativ stark ausgeprägt, womit ein Hinweis auf die Durchsetzungsstärke von Schulz gegeben ist. Beiden ist gemein, dass sie Persönlichkeiten sind, die vollen Einsatz zu geben bereit sind, einen umfassenden Blick für Zusammenhänge haben  und vor Herausforderungen nicht zurück schrecken, wie es durch Gelb signalisiert wird.
Ein direkter Vergleich der Wertememe von Martin Schulz und Sigmar Gabriel zeigt die bereits erwähnten Stärken von Schulz im blauen Wertesystem, daneben aber auch in Rot und Orange. Wie ebenfalls erwähnt besteht gegenüber Gabriel Nachholbedarf bei Grün. Gerade hierauf kommt es aber an, wenn es darum geht, die SPD als sozial gestaltende Kraft neu zu etablieren. Diese Einschätzung wird auch durch Hinweise aus der Integralen Theorie unterstützt, indem die Quadranten des AQAL-Ansatzes betrachtet werden. Hier sind Defizite vor allem im unteren rechten Quadranten zu sehen, die auf schwache soziale Kompetenzen bei beiden Politikern hindeuten.

 

Die Quadranten im drei- und vier-Quadrantenmodell (links) der Integralen Theorie zeigen keine gravierenden Unterschiede zwischen Schulz und Gabriel, wohl aber ein Überwiegen der linken Seite gegenüber der rechten Seite, d. h. psychische Stabilität und gute Einbindung in das kulturelle Umfeld. Das Übergewicht besteht allerdings im oberen rechten Quadranten, der auf die individuelle Ausstattung mit materiellen und biologischen Fähigkeiten hindeutet.

Über Fidelio

Ich bin 1949 geboren und war in meiner berufstätigen Zeit als Stadtplaner in einer mittelgroßen kommune tätig. Seit meiner Studienzeit habe ich mich für die Entwicklung eines erweiterten geistigen Horizonts interessiert und einige Anstrengungen unternommen, mich persönlich in diesem Sinne zu entwickeln. Aufgrund meiner katholischen Erziehung habe ich in den 1960-er Jahren begonnen, mich intensiver mit dem modernen Mystiker Teilhard de Chardin zu befassen und bin so zur Gedankenwelt von Ken Wilber gekommen, die ich in diesem Projekt nutzbar zu machen versuche.
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2 Antworten zu Die Wertewelten des Martin Schulz (SPD)

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