Trumps „Revolution“ verstehen und Handeln – Ein Dialog mit Nietzsches Philosophie

Die unausweichliche Auseinandersetzung mit den Veränderungsprozessen, die gegenwärtig die Welt beunruhigen hat mich zunächst ratlos gemacht – so wie es vielen Menschen gehen wird, die sich in ihrer Existenz durch Zölle, direkte staatliche Verfolgung als Angehöriger einer verfehmten Minderheit oder durch Verweigerung der Mindeststandards humanitärer Hilfe gefährdet sehen. In diesem Sinne fühle ich mich nicht unmittelbar bedroht, jedoch als Teil der in besonderem Maße für totalitäre Tendenzen sensibilisierten deutschen Gesellschaft habe ich darüber nachgedacht – nicht zuletzt auch, um in dem, was in den USA passiert, einen positiven Sinn zu finden – was hinter dem allem stecken könnte. Wie fast allen Menschen, mit denen ich darüber sprach, viel keinem eine vernünftige Rechtfertigung für Trump und seine Leute ein. Der Umfang und die Wucht der innerhalb von etwas mehr als zwei Monaten mit Musks Hilfe durchgeführten Zerstörungen am System USA haben eine Art Schockstarre des „anderen“ Amerika verursacht, die sich langsam zu lösen beginnt. Der ehemalige deutsche Finanzminister Peer Steinbrück nannte es eine „Revolution“, was Donald Trump in seiner zweiten Amtszeit inzeniert hat.

So kam ich schließlich auf das Fragment eines Zitats, das mir im Gedächtnis haftete. Es lautet: „Schau nicht hinter die Phänomene, sie selbst sind die Wirklichkeit.“ Vor wenigen Tagen wurde in den Nachrichtensendungen von einer neuen KI gesprochen und so war es naheliegend, diese neue Möglichkeit für die Überprüfung der Zitatquelle zu nutzen und das neue Instrument des Internets auszuprobieren. Den Dialog, der sich daraufhin mit der KI DeepSeek entspann werde ich nachfolgend dokumentieren. Dabei kennzeichnen die blau hinterlegten Zellen jeweils meine Fragestellung.

Von wem stammt der Ausspruch „schaut nicht hinter die Dinge, denn sie selbst sind die Wirklichkeit“. Wie heißt dieses Zitat genau und was bedeutet es?
Der Ausspruch „Schaut nicht hinter die Dinge, denn sie selbst sind die Wirklichkeit“ stammt von Friedrich Nietzsche.
Genauer Wortlaut und Quelle

Das Zitat findet sich in Nietzsches Werk „Nachgelassene Fragmente“ (aus dem Zeitraum Herbst 1885 – Herbst 1886), notiert in seinem privaten Notizbuch. Die genaue Stelle lautet: „Schaut nicht hinter die Dinge! Sie selbst sind die Wirklichkeit: sucht nicht ‚Hinterwelten‘!“

Bedeutung des Zitats

Nietzsche kritisiert damit die metaphysische Tradition der Philosophie (z. B. Platon, Christentum), die nach einer „wahren Welt“ hinter der sichtbaren Wirklichkeit sucht – sei es Gott, ewige Ideen oder moralische Absoluta.

„Schaut nicht hinter die Dinge“: Verweist auf die Ablehnung von Jenseitsglauben und transzendenten Wahrheiten.

„Sie selbst sind die Wirklichkeit“: Betont den Diesseitscharakter der Welt – die Phänomene, wie wir sie erleben, sind bereits die Realität, keine bloße „Scheinwelt“.

„Hinterwelten“: Ein von Nietzsche geprägter Spottbegriff für religiöse oder philosophische Konstrukte, die das Leben im Hier und Jetzt abwerten.

Dieses Denken gehört zu Nietzsches Anti-Idealismus und seiner Forderung, die Welt ohne metaphysische Tröstungen zu bejahen (vgl. auch „Amor fati“ und „Wille zur Macht“).
Weiterer Kontext

Ähnliche Gedanken finden sich in:

  • „Götzen-Dämmerung“ (1889): „Die ‚wahre Welt‘ haben wir abgeschafft: welche Welt blieb übrig? Die scheinbare vielleicht? … Mitnichten! Mit der wahren Welt haben wir auch die scheinbare abgeschafft!“
  • „Also sprach Zarathustra“: Kritik an „Hinterweltlern“, die das Leben verneinen.
Kurz: Nietzsche fordert eine radikale Diesseitigkeit – die Welt, wie sie ist, ohne metaphysische Fluchtwege zu akzeptieren.
Wie verhält sich diese Sichtweise zur modernen Physik und zum Individualismus in dekonstruierten Welten?
Nietzsches Aussage, dass die Dinge selbst die Wirklichkeit sind und keine metaphysischen „Hinterwelten“ existieren, steht in einem interessanten Spannungsverhältnis zur modernen Physik und zum radikalen Individualismus in postmodernen Gesellschaften.
1. Nietzsche und die moderne Physik

Nietzsches Ablehnung einer „wahren Welt“ hinter den Phänomenen scheint zunächst mit der quantenmechanischen oder relativistischen Physik zu kollidieren, die oft eine „tiefere“ Realität jenseits der Alltagserfahrung postuliert (z. B. Wellenfunktionen, Raumzeit-Krümmung, Multiversen).

Doch sein Ansatz lässt sich auch anders deuten:

  • Anti-Reduktionismus: Nietzsche würde wohl kritisieren, dass die Physik oft eine abstrakte „Hinterwelt“ der Gleichungen über die sinnliche Erfahrung stellt. Für ihn ist die Welt der Perspektiven („Willen zur Macht“) bereits die volle Realität – nicht ein bloßes Abbild mathematischer Strukturen.
  • Phänomenologische Nähe: Ähnlich wie später Husserl oder Heidegger betont er, dass die unmittelbare Erfahrung nicht durch Theorien ersetzt werden darf. Die Quantenparadoxe wären für ihn vielleicht Symptome eines falschen Objektivitätsstrebens.
  • Kritik an der „Wahrheit“ der Wissenschaft: In „Jenseits von Gut und Böse“ (Aph. 22) warnt Nietzsche davor, dass selbst die Wissenschaft eine interpretierte Welt schafft – keine absolute Wahrheit.
Fazit: Nietzsche würde die moderne Physik als nützliche Fiktion akzeptieren, aber ihre Anmaßung kritisieren, die „eigentliche“ Realität zu beschreiben.

2. Nietzsche und der moderne Individualismus

Seine Betonung der immanenten Wirklichkeit (keine transzendenten Werte) hat starke Auswirkungen auf den heutigen Individualismus und Relativismus:

  • Perspektivismus: Wenn es keine metaphysische Wahrheit gibt, bleibt nur die individuelle Deutung der Welt. Dies passt zur postmodernen Idee, dass Wirklichkeit „konstruiert“ ist (vgl. Baudrillard, Derrida).
  • Ästhetisierung des Lebens: Ohne objektive Moral oder Sinn muss der Einzelne sein Leben selbst gestalten – ein Grundmotiv des existenzialistischen Individualismus (Sartre, Camus).
  • Gefahr des Nihilismus: Wenn alle Welten gleich gültig sind, droht Beliebigkeit. Nietzsche würde aber starke, schaffende Individuen fordern, die ihre Werte aktiv setzen („Übermensch“).

 

Problem heute: Der moderne Individualismus führt oft zu fragmentierten Welten („demonstrierte Wirklichkeiten“ in Filterblasen), während Nietzsche eine kulturelle Elite im Auge hatte, die bewusst neue Werte schafft – nicht bloß konsumiert.

Zusammenfassung

Zur Physik: Nietzsche würde ihre Modelle als Interpretationen akzeptieren, aber ihren Absolutheitsanspruch ablehnen.

Zum Individualismus: Seine Philosophie erklärt dessen Freiheit, warnt aber vor passivem Relativismus und fordert aktive Wertschöpfung.

Sein Satz bleibt aktuell: Die Welt, wie wir sie erleben, ist die einzige – aber sie ist immer perspektivisch und muss gestaltet werden.

 

Wie können in einer Welt aus lauter individuellen Perspektiven neue stabile Systeme entstehen?

Über Fidelio

Ich bin 1949 geboren und war in meiner berufstätigen Zeit als Stadtplaner in einer mittelgroßen kommune tätig. Seit meiner Studienzeit habe ich mich für die Entwicklung eines erweiterten geistigen Horizonts interessiert und einige Anstrengungen unternommen, mich persönlich in diesem Sinne zu entwickeln. Aufgrund meiner katholischen Erziehung habe ich in den 1960-er Jahren begonnen, mich intensiver mit dem modernen Mystiker Teilhard de Chardin zu befassen und bin so zur Gedankenwelt von Ken Wilber gekommen, die ich in diesem Projekt nutzbar zu machen versuche.
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