Biden oder Trump – Ein integraler Chancenvergleich (IV)

In diesem Beitrag liefere ich die Vorbemerkungen zu den Wurzelsünden „Schamlosigkeit“ und „Stolz“ und beende damit die Vorbemerkungen zum Hauptbeitrag, der in Kürze folgen wird.

Wie eingangs erläutert, spielen die mit diesem Beitrag auf vier angewachsenen Vorbemerkungen bei den Wurzelsünden des Enneagramms im Bezug auf die USA eine spezielle Rolle, wobei die im Beitrag (III) dargestellte Lüge (Betrug) nochmals besonderes Gewicht erhält, da der Enneagramm-Typ Drei zusätzlich durch die USA und ihr Wappentier – den Adler – symbolisiert wird.

Schamlosigkeit

Diese Wurzelsünde (christl. Todsünde) kennzeichnet den Charakter des EnneagrammTyps Acht. Menschen dieses Typs finden sich vor allem in Spanien und spanisch geprägten Ländern. Sie wirken stark und mächtig und sind fähig anderen ein Gefühl von Stärke zu vermitteln. Sie haben ein Gespür für Gerechtigkeit und Wahrheit, das sie alarmiert, wenn hiergegen verstoßen wird. In diesem Fall halten sie nicht mit ihrer Kritik und Engagement hinter dem Berg. Das befähigt sie dazu, Verantwortung zu übernehmen und sich für andere einzusetzen und starke Energien hierfür frei zu setzen, die sie zu verlässlichen Partnern machen.

Aus dieser allgemeinen Beschreibung ergeben sich symbolhafte Qualitäten, die sich bei Stier, Nashorn, Tiger und Klapperschlange in Angriffslust, Kraft sexueller Energie und Lebenskraft zeigen. Im Stier tritt den Achtern das komplette Abbild ihres Charakters gegenüber, dass sie zum Rivalen stilisieren können und im Kampf auf Leben und Tod – im Stierkampf – besiegen können. Diese Eigenschaften und die darin liegenden Versuchungen haben das Bild des spanischen Machismo geprägt. Im religiösen und politischen Bereich macht sich das durch eine auffallende Blutrünstigkeit und Revolutionen bemerkbar.

Aus den vitalen Anlagen ergibt sich die Sündhaftigkeit, die mit Unkeuschheit und Schamlosigkeit beschrieben wird. Damit ist die Vergewaltigung eines anderen Menschen aus Lust oder Leidenschaft gemeint. Der andere wird schamlos benutzt, in Besitz genommen oder unterdrückt. Unkeuschheit bedeutet, daß ich einen anderen Menschen ausnutze und seine Würde nicht respektiere. Diese Sünde kann sich bei der Acht in allen Lebensbereichen manifestieren: Eine unerlöste Acht hat keinen Respekt für die Verwundbarkeit oder Würde eines anderen.

Die eigenen hohen moralischen Ansprüche an andere helfen der Acht dabei, in ihrem Treiben lange Zeit unentdeckt zu bleiben. Allerdings können sie ihre exzessiven Triebbefriedigungen nicht durch besonders kultivierte Formen verdecken und können sich daher nur in entsprechenden Milieus ausleben. Deshalb sind sie bei Partys bei denen, die „durchmachen“ und als letzte ins Bett kommen.

Die Entwicklung des Typs Acht hat seit 2015 eine exponentielle Zunahme erfahren. Es ist zu vermuten, dass diese Entwicklung auf die Kämpfe im Nahen Osten und die daraus entstandenen Flüchtlingsströme zurückzuführen ist. Speziell die Kämpfer des Islamischen Staats und die Schlepperbanden der Flüchtlingsströme lassen einen großen Anteil von Achtern vermuten, denn Achter brauchen die Kontrolle über ihren Besitz und über andere Menschen. Sie wollen bestimmen, wo es lang geht, ohne selbst abhängig zu sein. Ihr totalitäres Verhalten ist am besten durch den lateinischen Begriff  „Passion“ oder „Enthusiasmus“ zu kennzeichnen. In ihm schwingt beides mit: Lebenskraft und Leidensbereitschaft.

In der Bildfolge sind verschiedene Situationen angesprochen, in denen Schamlosigkeit zutage tritt.

In Bild 17 ist eine Situation aus dem frühen China zu sehen, auf die Neil McGregor in seiner episodenhaften Weltgeschichte hinweist. Die abgebildeten Figuren aus Porzellan stammen aus dem Grab einer sehr bedeutenden Persönlichkeit der Tang-Dynastie. Sie sind lediglich ein kleiner Teil des gesamten Schatzes, der in seinem Grab gefunden wurde. Darunter befand sich auch ein schriftlich verfasster Nachruf, den der Verstorbene selbst in Auftrag gegeben hatte. Damit wollte er seine besondere Stellung in den glühendsten Worten ausdrücken und er stellt nach McGregors Formulierung „eine schamlos unverhüllte Aufforderung zu ewiger Bewunderung und Beifallsbekundung“ dar. Solche Einflussnahmen kommen auch laut einem Zeitungsexperten für Nachrufe der englischen Times in der Gegenwart vor. Er wird von McGregor zitiert: «Ich bekam viele Briefe, die lauteten: ‹Ich scheine nicht jünger zu werden, und ich dachte, es könnte hilfreich sein, Ihnen ein paar Angaben über mein Leben zukommen zu lassen›. Es war unglaublich, wie eingebildet die Leute waren, wenn sie etwa Dinge formulierten wie ‹und doch ein Mann von ungewöhnlichem Charme› oder Ähnliches. Ich konnte nicht glauben, dass die Menschen das über sich selbst schrieben».

Solche Selbstdarstellungen noch im Tod sind Ausdruck des starken Wunsches nach einem ewigen Leben und verfolgen den Zweck, auch über die nächsten Angehörigen hinaus die Welt nach ihren Maßstäben zu prägen. In neuerer Zeit hat dieses Verlangen zu wesentlich wirkungsvolleren Darstellungen des vergangenen Lebens geführt, wie die Fülle von Autobiografien berühmter – auch weniger berühmter – Politiker, Künstler, Unternehmer oder Krimineller belegen. In solchen Texten über das eigene Leben wird versucht, ihm einen nachträglichen Sinn und Rechtfertigung für das Handeln zu geben. Oft ist es eine „Protopolitik der Erfahrung“ wie es vom Hanser Verlag zu Peter Sloterdijks Buch „Literatur und Lebenserfahrung“ heißt. Eine weitere Möglichkeit sind Redaktionsstatute, wie sie in den 1960er Jahren aufkamen, um Presseerzeugnissen wie „Stern“ und „Bild“ eine politische Richtung durch die Verleger und Chefredakteure zu geben. Sie waren entsprechend hart umkämpft und konnten die Welt ihrer Initiatoren nicht konservieren.

Es folgen die Bilder 18 und 19 mit zwei Werken von Edouard Manet, die beide eine nackte Frau zeigen, erst in Gesellschaft von zwei jungen Männern und dann ausgestreckt auf ihrem Bett in Erwartung eines Freiers. Kaiser Napoleon III. war empört, als er 1863 Manets erstes Gemälde zu Gesicht bekam, und wie er dachten viele Franzosen. „Dies Bild verletzt das öffentliche Schamgefühl„, soll der Kaiser gesagt haben. Die szenische Komposition und die grellen Farben stießen auch sonst nicht prüde Kunstkenner ab.

Doch der eigentliche Skandal, den der wohlerzogene und zuvorkommende junge Mann aus guter Familie – der Maler Manet – mit seinen nackten Frauen erregte,  war seine Olympia. In ihr wurde nicht eine üppige Göttin, wie bis dahin üblich gesehen, sondern eine anrüchige Kurtisane oder gar ein „weiblicher Gorilla„. Damit hatte Manet gegen die Regeln des „Pariser Salon“ verstoßen. „Der Schock bestand einfach darin, dass man zum ersten Mal auf einer Leinwand eine vollkommen nackte Frau in einer offenkundig schamlos ihre sexuelle Bereitschaft offerierenden Pose sehen konnte, als habe sie soeben erst ihre Kleider abgelegt. Durch dieses Schauspiel brachte Manet die Bigotterie der Zeitgenossen ans Tageslicht, die im Verborgenen zu halten zum guten Ton gehörte – ein unverzeihliches Verbrechen,“ so urteilen Rose-Marie und Rainer Hagen in ihrer Bildbetrachtung aus dem Verlag Taschen.

Hier wird deutlich, dass es für das Schamgefühl nicht auf die dargestellten oder gesehenen Details ankommt, sondern auf den Kontext in das es sich einfügt oder eben nicht einfügt. Erst wenn dieser Kontext ignoriert wird und eine Sinnverschiebung gegenüber dem üblichen erkennbar wird kann offensichtlich von einer Schamlosigkeit gesprochen werden. Allerdings setzt sie zwingend eine dunkle Existenz voraus, auf die kein Licht fallen darf. Dieses Licht in die Dunkelheit zu bringen ist aber der Sinn von Aufklärung.

Der spanische Hofmaler Francisco Goya hat in Bild 20 die spanische Königsfamilie porträtiert. Das Bild wurde nach vielen Sitzungen der Familie bei dem Maler fertiggestellt und hatte für den Maler selbst eine besondere Bedeutung, die er dadurch zum Ausdruck brachte, das er sich am linken Rand des Bildes in der Mitte hinter der Staffelei sitzend selbst als unabhängigen Beobachter darstellte. Dieser besondere Blick des Malers hat sich in der ungeschönten Wiedergabe der Physiognomien der Personen niedergeschlagen und ein gegenseitiges Verständnis geschaffen, das zur Akzeptanz des Bildes durch die Königsfamilie geführt hat. Die Kulturhistorikerin Eva Gesine Baur erwähnt hier eine „historisch verbürgte Häßlichkeit der alten Infantin Maria Josefa und der Königin Maria Luisa oder die dumpfe Physiognomie des Königs„, die einen deutlichen Kontrast zu den hübschen Kindern bilden. Hierin habe der Maler eine neue Würdeform geschaffen und die alten Mittel der Idealisierung seien dadurch unglaubwürdig geworden.

Der Verzicht auf Spiegelbilder, Bild im Bild, Raumtiefe, ikonographische Rätsel und labyrinthische Bezüge lassen die Gegensätze in den dargestellten Personen bewusst hervortreten . „Eitel und schamlos drängen alle in die vorderste Reihe, ohne Interesse für den anderen. Ein Denkmal königlichen Selbstbewußtseins, für das moralische und ästhetische Werte keine Bedeutung haben.

Das Foto – Bild 21 – zeigt einen in der Stierkampfarena getöteten Stier. Er stellt ein besonders krasses Beispiel für den schamlosen Umgang wohlhabender Menschen (Verbraucher und Erzeuger) mit domestizierten Tieren dar. In spanisch beeinflussten Ländern werden die allein zum Zweck des Stierkampfes als Touristen-Attraktion gezüchteten Stiere zu Tode gequält und setzen damit die barbarischen Traditionen des antiken Rom nach dem Motto Brot und Spiele zur Massenunterhaltung fort. Dieser Vorwurf trifft im ethischen Sinn auch auf die Staaten zu, die durch Subventionen und niedrige Standards die Getreide- und Fleischpreise niedrig halten und den Fleischverzehr damit fördern. Einige Industrieländer erzeugen sogar Überschüsse, die in andere Länder exportiert werden und die dortige Selbstversorgung blockieren.

Bild 22 zeigt die Rassenforscherin Eva Hedwig Justin, die in der Zeit des Nationalsozialismus Untersuchungen an Häftlingen in Jugendkonzentrationslagern durchführte. Sie arbeitete nach dem Krieg – wie auch der Rassenforscher Robert Ritter – im Gesundheitsamt der Stadt Frankfurt. Schon die hier zu sehende Vermessung der verfolgten Personengruppen – hier der Sinti und Roma – stellte eine Missachtung der Menschenwürde dar und ist dem Gesamtkomplex der nationalsozialistischen Rassenideologie zuzurechnen. Der trotz Hindernissen vielfach ohne große Schwierigkeiten vollzogene Übergang der genannten Rassenforscher  in die wissenschaftlich-administrativen Organe des Staates legt Zeugnis von der Schamlosigkeit ab, mit der die Neukonstituierung des westdeutschen Staatsapparats durchgeführt wurde.

Die Bilder 23 und 24 zeigen die beiden Beteiligten einer Affäre, in deren Mittelpunkt der frühere US-Präsident und jetzige Kandidat auf dieses Amt, Donald Trump, steht. Bei der abgebildeten Frau handelt es sich um die Pornodarstellerin und –regisseurin Stormy Daniels, die von Trump eine Schweigegeldzahlung erhalten hat, um die intimen Beziehungen zu Trump möglichst vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Gegenstand der z. Zt. laufenden Gerichtverhandlung gegen Trump ist jedoch nicht die Schweigegeldzahlung, sondern der Vorwurf, Trump habe mit dieser Zahlung einen Wahlkampfspenden gleichzusetzenden und strafbaren Vorteil erhalten, da er diese nicht entsprechend deklariert habe.

Diese Affäre ist in zweifacher Weise Beispiel für die Schamlosigkeit, die sich vor allem durch die elektronischen Medien ausgebreitet hat. Einerseits ist es die von Stormy Daniels repräsentierte Macht der Pornografie, die aus den Schmuddelecken unter den Ladentischen und der Videotheken nun mit dem Fernseher oder Laptop frei Haus geliefert wird und auf den Schulhöfen diskutiert wird. Im Verbund mit der Prostitution bildet sie nun ein Schattenreich der Sexualität, die nicht unterdrückt wird, aber auch nicht ohne gesellschaftliche Konsequenzen genutzt werden kann. Nur unter diesen Bedingungen ist der Druck auf Personen der Öffentlichkeit oder auch imageabhängige Menschen generell möglich.

Die Schamlosigkeit von Donald Trump geht nicht direkt aus dem Bild hervor, sondern aus seiner Bereitschaft zur Zahlung des Schweigegelds. dabei ist nicht erkennbar, gegenüber welchen Personen dieses Schweigen hilfreich sein soll – seine Frau oder die Steuerbehörde?  Im Zweifelsfall nach allen Seiten hin, und damit kommt die Scham in vollem Umfang zur Geltung. Denn mit Schweigegeld kann sich der Mensch nicht von der Scham frei kaufen, denn sie beruht auf einer moralischen Verurteilung und irgendwann wird das Geheimnis öffentlich und die Scham wird doppelt so groß sein. In der Zahlung von Schweigegeld ist deshalb eine besondere Form der Schamlosigkeit die in Deutschland den Straftatbestand der Bestechung darstellt.

Dass Donald Trump auch in seinem sonstigen Verhalten ein schamloser Mensch ist, wird in einem YouTubeVideo deutlich, das anläßlich eines NATO-Gipfels in Brüssel im Mai 2017 aufgenommen wurde. Beschreibungstext: America First„:Donald J. Trump drängelt sich beim Nato-Gipfel am Premierminister Montenegros, Dusko Markovic, vorbei. Die Sprache der Bilder wird auch heute noch verstanden – hoffentlich!

Über Fidelio

Ich bin 1949 geboren und war in meiner berufstätigen Zeit als Stadtplaner in einer mittelgroßen kommune tätig. Seit meiner Studienzeit habe ich mich für die Entwicklung eines erweiterten geistigen Horizonts interessiert und einige Anstrengungen unternommen, mich persönlich in diesem Sinne zu entwickeln. Aufgrund meiner katholischen Erziehung habe ich in den 1960-er Jahren begonnen, mich intensiver mit dem modernen Mystiker Teilhard de Chardin zu befassen und bin so zur Gedankenwelt von Ken Wilber gekommen, die ich in diesem Projekt nutzbar zu machen versuche.
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