Was ist Kriminalität?
Der hier verwendete Begriff der Kriminalität stimmt mit keiner der gebräuchlichen Definitionen aus den Rechts- und Kriminalwissenschaften überein. Er könnte am ehesten als „populäre Auffassung“, als Volkes Meinung über Kriminalität aufgefaßt werden. Damit kommt er jedoch seinem politischen Gehalt näher als wissenschaftliche Definitionen, die zwangsläufig von einem bestimmten Konstrukt ausgehen.
Es ist auf Grund der nicht zu umgehenden subjektiven Wahrnehmungen von Kriminalität und der gegenüberstehenden statistischen Definition des Staates nicht verwunderlich, dass die „gefühlte“ Kriminalität erheblich von der Kriminalitätsstatistik abweicht. In einer Repräsentativbefragung des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN) im Jahr 2004 wurden 2000 Menschen nach ihrer Einschätzung der Kriminalitätsentwicklung gefragt: Die Befragten waren der Meinung, die Kriminalität in Deutschland habe in den vergangenen zehn Jahren erheblich zugenommen. So schätzten Sie, die Zahl der Wohnungseinbrüche sei um etwa 40% und die der Sexualmorde gar um 260% gestiegen. Die statistische Wirklichkeit zeigte jedoch, dass die Zahl der Wohnungseinbrüche um 45% und die der Sexualmorde um etwa 40% zurückgegangen war.
Dieser Widerspruch wird von Kriminologen damit erklärt, dass die Öffentlichkeit eine Überstimulation durch die Medien erfährt, die zu einem kollektiven Klima der Angst führt. Diese Situation werde mit einer Politik des starken Staates beantwortet, die sich z. B. darin ausdrückt, dass immer rigoroser gegen Straftäter vorgegangen werde. So hätten im Jahr 2002 in den alten Bundesländern noch 38.000 Menschen in Haft gesessen während es im Jahr 2004 bereits schon 53.000 waren – obwohl immer weniger Straftaten begangen wurden.
Unter dem Begriff Kriminalität sind eine Vielzahl verschiedener strafbarer Handlungen zusammengefaßt, die hinsichtlich ihrer sozialen und politischen Bedeutung eine differenzierte Betrachtung erfordern. So kommt es, dass auf Grund der Zunahme spezieller Delikte wie z. B. Sexualdelikte von Migranten öffentlich über diese Probleme diskutiert wird und politische Konsequenzen gefordert werden. Hierbei werden die Ursachen oft einseitig dargestellt und die – oft lautstark geforderten – Lösungen auf Handlungsoptionen des Staates ausgerichtet, die objektiv wegen entgegenstehendem internationalen Recht nicht möglich sind und sich aus verfassungsrechtlichen Gründen verbieten. Die populistisch angeheizten öffentlichen Reaktionen werden darüber hinaus der notwendigen differenzierten Betrachtung und Ahndung der Delikte nicht gerecht und nehmen in einigen Orten Deutschlands bereits pogromartigen Charakter an.