Die Situation in den USA
Innerhalb des nachfolgend vorgestellten Datenprofils hat das Bewusstseinsfeld Anerkennung sowohl auf sozio-kulturelle wie auf individuell-psychische Prozesse Einfluss. Innerhalb des Vier-Quadrantenmodells der Integralen Theorie nach Ken Wilber sind die Wirkungen der Anerkennung in allen vier Quadranten zu verorten. Lediglich im oberen rechten Quadranten, wo die biologischen Strukturen des Bewusstseins lokalisiert sind, können ihre Wirkungen eher in pathologischen Folgewirkungen nachgewiesen werden, z. B. dann, wenn sich eine Depression einstellt.
Eine Gesamtübersicht über die gesellschaftliche Bewusstseinslage im Verhältnis zu anderen Problemfeldern gibt das nebenstehende Säulen-Diagramm. Anerkennung wird demnach nicht als herausragendes gesellschaftliches Problem enmpfunden. Gegenüber der Mehrzahl anderer Problemfelder nimmt es jedoch eine herausgehobene Position ein. Deutlicher wird dies im Vergleich zu dem Wert für Deutschland, der um ein Vielfaches niedriger ist. Da mangelnde Anerkennung am Anfang einer Wirkungskette liegt und im alltäglichen Erleben gegenüber formalisierten und institutionalisierten Lebensbereichen wie Familie, Gesundheit und Schule – die herausragend in der Grafik in Erscheinung treten – eher in den Hintergrund treten, kann im Bezug auf Anerkennung durchaus von einem gravierenden gesellschaftlichen Problem in den USA gesprochen werden.
Die räumliche Verteilung zeigt in den Metropolregionen der USA keine extremen Unterschiede. Hierin kommt die grundlegende Bedeutung des Problemfeldes ebenfalls zum Ausdruck. Lediglich in Chicago und Los Angeles werden überdurchschnittliche Defizite in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Aufgrund der positiven Tendenz in den Metropolregionen ist anzunehmen, dass die Probleme im Feld der Anerkennung mit abnehmender Verstädterung zunehmend sichtbar werden.
In den analysierten Problemfeldern sind starke Korrelationen mit Angst, Arbeitslosigkeit, Armut, Gewalt und Drogen festzustellen. Auf den Zusammenhang mit Arbeit wurde bereits oben hingewiesen. Bei genauerer Betrachtung stellt sich heraus, dass die hier aufgezählten Begriffe eine Ursache – Wirkungskette bilden, die das herrschende Wirtschaftssystem von der Schattenseite her in seinen zerstörerischen sozio-ökonomischen Wirkungen beleuchten. Die katastrophischen Exzesse des Kapitalismus und die ungesicherte Teilhabe von Arbeitnehmern am Wirtschaftsgeschehen erzeugen Verlustängste, die sich schließlich in Arbeitslosigkeit realisieren und zu beruflichem Abstieg bis hin zu Armut führen. Die Einsicht in diese Zusammenhänge wird gewöhnlich mit Verweisen auf die Bedingungen des globalisierten Marktes verstellt und diese Realität müsse man ja schließlich anerkennen. Dabei wird die wahre Bedeutung dessen, was real im ursprünglichen Sinne ist, verschleiert. Nicht der Sachzwang des globalen Marktes ist es, der auf der Arbeit lastet, sondern die aus dem Spanischen herkommende Bedeutung dessen, was des Königs ist, nämlich das gesamte Land innerhalb des Herrschaftsgebiets eines Königs. In dem Verweis auf die Realität kommt letztlich nichts anderes zum Ausdruck, als der Verweis auf die Rechtsgewalt des Arbeitgebers. Die gesellschaftliche Position der Unternehmer in Deutschland ist mitlerweile so stark, dass immer häufiger auf die verschleiernden Begründungen von Entlassungen verzichtet wird und die im Fall ungerechtfertigter Kündigungen zu zahlenden Abfindungsbeträge von vorn herein in Kauf genommen werden. Von der seit Jahren immer wieder von Unternehmerseite vorgetragenen Erstarrung des Arbeitsrechts bezüglich Kündigungsschutz kann unter diesen Bedingungen keine Rede sein.
Es kann auf Grund der im neoliberalen Zeitgeist durchgeführten sogenannten Reformen und Deregulierungen davon ausgegangen werden, dass durch die tatsächliche Entwicklung, wie oben geschildert, ein Zustand geschaffen wird, den die Rechtsordnung anerkennt. Solche Verhältnisse bezeichnete der Rechtsgelehrte Georg Jellinek im 19. Jahrhundert als „normative Kraft des Faktischen“. Damit wurde und wird in neuerer Zeit wieder vermehrt eine Verschiebung der Begründung des Rechts weg von Naturrecht und Vernunft hin zu tatsächlichen Gewohnheiten des geschichtlichen sozialen Lebens akzeptiert und somit zu Aushandlungsprozessen, in denen sich der Stärkere durchsetzt. In diesem Zusammenhang verweise ich auf die von der Wirtschaft angestrebten Handelsabkommen TTIP und CETA.