Das Thema Arbeitslosigkeit kann nicht kommuniziert werden, ohne eine Verständigung darüber, was Arbeit ist und wie diese in Beziehung zu Arbeitslosigkeit steht. Der Ursprung des Wortes Arbeit liegt im Dunkeln. Im Deutschen Wörterbuch der Gebrüder Grimm ist darüber zu lesen: „ein uraltes, viel merkwürdige Seiten darbietendes Wort. Schon das Genus schwankt...“. Seine Bedeutungen reichen in die Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, die Physik und Philosophie sowie in die Kunst hinein. Es ist praktisch in allen täglichen Situationen gegenwärtig, außer in der Freizeit, die im allgemeinen Verständnis als Gegensatz zur Arbeit gilt. Es versteht sich fast von selbst, dass der Arbeit schicksalhafte Bedeutung zukommt. In der christlichen Bibel ist sie die Strafe Gottes für den Sündenfall der ersten Menschen.
Verfolgt man die Entwicklung des Menschen als Homo faber, als schaffendes Wesen, so wird deutlich, dass die Arbeit für den weit überwiegenden Teil der Menschheit gemäß dem biblischen Fluch zu allen Zeiten als Last empfunden wurde. Daran haben auch die Automatisierung seit dem zweiten Weltkrieg und die Einführung von Industrierobotern bisher nicht Entscheidendes ändern können. Der Hauptgrund hierfür liegt in der Abhängigkeit der meisten Menschen von dem durch Arbeit erworbenen Einkommen, dass die wirtschaftliche Grundlage dieser Menschen darstellt. Es ist daher nicht verfehlt, von einer Arbeitsgesellschaft zu sprechen.
Modelle für das zukünftige Zusammenleben in den Städten haben mit dem Einsetzen der Industrialisierung in England am Ende des 18. Jahrhunderts zwangsläufig auch die Organisation der Arbeit in räumlicher Zuordnung zu den Wohnungen der Arbeiter in Betracht ziehen müssen. Die städtischen Funktionen des Arbeitens und des Wohnens, im 20. Jahrhundert dann zusätzlich der Erholung und der Freizeit verwoben sich schließlich zu den komplexen städtischen Gebilden, die sich scharf von dem Leben auf dem Lande unterscheiden. Die „unberührte“ Landschaft ist deshalb für viele Menschen zu einem Sehnsuchtsraum geworden und droht in den Sog der Städte hineinzugeraten.
Wenn hier von Arbeitslosigkeit die Rede ist, so ist damit die prekäre wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation der überwiegend städtisch geprägten Bevölkerung in einem sehr umfassenden Sinn angesprochen, der mit anderen Problemfeldern wie Anerkennung, Armut, Familie, Schule, Gesundheit, Drogen, Mobilität, Miete, Kriminalität, Drogen und Konsumverhalten verbunden ist.
Der Vertrauensbereich der Zahlen
Es handelt sich bei den hier verwendeten Daten um die „gefühlte“ Arbeitslosigkeit, d. h. die bewußt wahrgenommene und zum Ausdruck gebrachte Realität des Lebens in Arbeitslosigkeit. Eine bestimmte Definition im statistischen Sinn – etwa eine bestimmte Mindeststundenzahl der Tätigkeit oder eine zeitliche Regelmäßigkeit – liegt diesem Verständnis nicht zu Grunde. Es handelt sich vielmehr um die Vermischung aller subjektiv und statistisch möglichen Begrifflichkeiten in einem Komplexbegriff. Insbesondere ist hierbei zu bedenken, dass psychologisch gesehen Verdrängungs- und Verlagerungsprozesse innerhalb des Problemspektrums tendenziell zu geringerer Bedeutung der Arbeitslosigkeit führen, als sie nach den amtlichen Statistiken zu vermuten wären (siehe hierzu den obigen Umriss des Problemfeldes).
Die aus Arbeitslosigkeit entstehende Scham wurde in der aus dem Jahr 1933 stammenden Untersuchung „Die Arbeitslosen von Marienthal“ dokumentiert – Erkenntnisse, die bis heute zum gesicherten Datenmaterial der Sozialforschung gehören. Die unter den Bedingungen von Arbeitslosigkeit und prekärer Beschäftigung entstehenden Forderungen an die Politik sind der Nährboden für populistische Parteien. Bereits einige Wochen vor der Wahl Donald Trumps zum amerikanischen Präsidenten beschrieb der linke Filmemacher Michael Moore, warum Donald Trump gewinnen würde: Erstens: Der Niedergang der traditionellen Industriezentren in Michigan, Ohio, Pennsylvania und Wisconsin. Zweitens: Die wütenden weißen Männer, die durch mehr Rechte für Frauen, Schwule und Minderheiten um ihre Vorherrschaft fürchten. Drittens: die »unglaubwürdige« Hillary Clinton. Viertens: Der fehlende Mut der Demokraten, auf Berni Sanders zu setzen. Fünftens: Fanatische Protestwähler, die Kandidaten »auch dann wählen, wenn sie Blödsinn verzapfen, nur um dem kranken System eins auszuwischen«. In der räumlichen Verteilung der Arbeitslosigkeit findet sich eine Bestätigung dieser Prognose hinsichtlich der Industriezentren. Das Problem geht aber offensichtlich weit darüber hinaus, da auch die texanischen und kalifornischen Metropolen von dieser gefühlten Arbeitslosigkeit stark betroffen sind. Es kommt hierin ein starkes Gefälle zwischen Metropolen und ländlichen Gebieten zum Ausdruck, da die Abweichung zum Wert für die USA als Ganzem gravierend ist.

1 = Kriminalität; 2 = Anerkennung; 3 = Arbeitslosigkeit; 4 = Armut; 5 = Konsumkraft; 6 = Familie; 7 = Miete; 8 = Gesundheit; 9 = Mobilität; 10 = Schule; 11 = Drogen; 12 = Summe; blau = USA; rot = Deutschland
In der nebenstehenden Grafik sind die Problemfelder des Komplexes Arbeitslosigkeit im Vergleich zu Deutschland dargestellt. Es zeigt sich hier sehr deutlich, dass sich die beiden Länder in der Summe (12) der Problemfelder kaum unterscheiden, wohl aber in der Gewichtung der einzelnen Probleme. Dort gibt es keine Übereinstimmung, jedoch spielt in beiden Ländern die gefühlte Arbeitslosigkeit unter den dargestellten Problemfeldern die geringste Rolle. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass die Verdrängung und die Verlagerung des Problems Arbeit auf andere Problemfelder eine große Rolle in beiden Ländern spielt. Eine Folge dieser Zusammenhänge wird in dem Bemühen der Regierungen sichtbar, die Arbeitslosenstatistiken der gefühlten Arbeitslosigkeit durch Herausrechnen bestimmter Gruppen Minderbeschäftigter und zeitlich befristet nicht am Arbeitsmarkt vermittelbarer Arbeitnehmer weitgehend anzunähern.