Die Quadranten des Modells nach Ken Wilber
In den Grafiken 21 bis 23 sind die Ergebnisse für die horizontale Ausdehnung der Typen im Quadrantenmodell nach Ken Wilber abgebildet. Die Lesbarkeit der Grafiken bedarf wegen der abgebildeten Komplexität einer Erläuterung.
In jeder der drei Grafiken sind drei der neun Typen für alle fünf ostdeutschen Bundesländer wiedergegeben. Diese Aufteilung habe ich lediglich zur Wahrung der Übersicht vorgenommen. Die Quadranten erscheinen jeweils in den Farben blau für den linken oberen Quadranten, grün für den linken unteren Quadranten und rot zusammengefasst für die beiden rechten Quadranten. Die Typen-Nummerierung ergibt sich jeweils innerhalb der Balkenbündel der Bundesländer fortlaufend unten beginnend mit blau und in der 3. Sequenz mit rot endent. Zur Verdeutlichung sind die Typ Nummern der in der Grafik abgebildeten Typen im Kopf angegeben. Darüber hinaus stelle ich nachfolgend die Datentabelle zur Verfügung.
Zur Wahrung der Übersicht gehe ich die Ergebnisse in der Reihenfolge der drei Grafiken durch. In Grafik 21 sind die Typen 1 bis 3 für die fünf Bundesländer abgebildet. Im Vergleich zu den anderen beiden Grafiken springt sofort die Farbe rot ins Auge. Es wird hiermit eine Dominanz der rechten Seite des Quadrantenmodells signalisiert. Konkret bedeutet dieses eine hervorgehobene Aktivität objektivierbarer Lebensäußerungen in individueller (oberer rechter Quadrant) und kollektiver (unterer rechter Quadrant) Hinsicht. Besonders betont sind die Typen 1 und 3 bezüglich Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, gefolgt von Sachsen und Sachsen-Anhalt. Dagegen hebt sich Thüringen durch eine Dominanz des oberen linken Quadranten in den Typen 1 und 3 ab. Hier zeigt sich auch die schwächste Ausprägung der rational orientierten rechten Quadranten innerhalb des Gesamtbildes dieser Grafik. Auffallend schwach ist der untere linke Quadrant für Brandenburg in Typ 1 ausgebildet. Hieraus ergibt sich eine Spannung zwischen rationalen Weltsichten und individuell-psychischen Sichtweisen, die für kulturelle Eigenheiten nur wenig Raum lässt. Insgesamt ist jedoch festzustellen, dass die kulturellen Energien in den fünf Bundesländern vor den individuellen Energien Geltung beanspruchen. Umgekehrte Verhältnisse gibt es in allen Ländern bezüglich Typ 1, dem rechthaberischen und nach Vollkommenheit strebenden Ich, das sich mit der Akzeptanz anderer Meinungen schwer tut.
Wie bereits angedeutet, zeigt sich in Grafik 22 für die Typen 4 bis 6 ein Bild, das stärker von den linken Quadranten bestimmt ist. Dominanzen des Typs 3 gibt es hier nur noch in Brandenburg bei den Typen 4 und 6, in Sachsen bei Typ 6, in Sachsen-Anhalt bei Typ 6 und in Mecklenburg-Vorpommern bei den Typen 4 und 6. Es ist hierin eine Tendenz des Typ 6 zu rationalen Sichtweisen erkennbar, die hier jedoch auf ein relativ geringes Niveau begrenzt ist. Eindeutig im Defizit ist dieser Typ allerdings bei Thüringen in den Typen 5 und 4, sowie bei Sachsen-Anhalt im Typ 5. Darüber hinaus finden sich bei allen Ländern weitgehend ausgeglichene Verhältnisse zwischen Ich– und Wir betonten Quadranten. Ausnahmen bilden Mecklenburg-Vorpommern im Typ 4, Thüringen im Typ 6 und Sachsen in den Typen 5 und 6.
In Grafik 23 setzt sich der in Grafik 22 angedeutete Trend der Eigenentwicklung in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg fort. Hier erscheinen die rechten Quadranten überwiegend auf relativ niedrigem Niveau. Deshalb werde ich diese Länder zunächst gemeinsam besprechen.
Es geht hier um die Typen 7, 8 und 9, die durch die Wurzelsünden Unmäßigkeit, Schamlosigkeit und Faulheit gekennzeichnet sind. Sie verhalten sich in diesen Extremen sehr gefühlsbetont und von inneren Antrieben geleitet, die sie entweder ihrer Umgebung gegenüber kaschieren müssen oder durch ihr niedriges Sozialprestige hinnehmen. Ihr Erscheinungsbild ist daher eher expressiv oder zurückhaltend. In Gesellschaften der Coolness haben es solche Typen schwer. In Brandenburg und Mecklenburg Vorpommern spielt die Wortkargheit und die zupackende Art der Lebensgestaltung – also Eigenarten der Landschaft – vermutlich eine große Rolle. In einer Charakterisierung des Brandenburgers im Berliner Tagesspiegel las ich: „Und fürs Zwischenmenschliche taugt die Sprache nicht, weil die Worte nie so tief reichen, wie beim Brandenburger die Gefühle sitzen. Das Ideal heißt wortloses Verstehen. Wer die Dinge gemeinsam durchmacht, muss nicht groß drüber reden. Was sich zusammenschweigt, hält ewig.“ Das Denken aber funktioniert doch über die Sprache!?
Jedenfalls spielen in Brandenburg die rechten Quadranten nur im Typ 9 eine führende Rolle, in den Typen 7 und 8 treten sie dagegen sehr schwach auf. In Mecklenburg-Vorpommern ist im Typ 7 der schwächste Anteil der rechten Quadranten überhaupt zu sehen, so dass man hier von einem Ausfall rationaler Betrachtung sprechen muss. Die Verhältnisse von Ich zu Wir sind hier nahezu vollständig ausgeglichen. In Brandenburg trifft das nur für den Typ 9 zu, im Typ 7 dominiert das Ich und im Typ 8 das Wir.
In den anderen drei Ländern können zwei Unterscheidungen getroffen werden: Sachsen-Anhalt mit geringer Spannung in den Typen steht neben Thüringen und Sachsen mit wesentlich größerer Spannung. Stärksten Einfluss haben bei Thüringen in Typ 7 die rechten Quadranten und in Typ 9 der Ich-Quadrant. In Sachsen haben die rechten Quadranten in allen drei Typen das stärkste Gewicht, mit weitem Vorsprung in Typ 7, gefolgt von Typ 9 und minimalem Vorsprung in Typ 8. In Typ 1 spielt das Ich die größere Rolle als das Wir und in Typ 9 ist es umgekehrt.
Aus den dargestellten Verhältnissen lassen sich keine festen Regeln ablesen, sondern lediglich vage Vermutungen, wie oben bezüglich Brandenburg und Mecklenburg–Vorpommern. Erst wenn die Einflüsse aus den Raumdaten hinzugezogen werden, kann dieses gelingen. Einen realistischeren Überblick verschafft allerdings auch die Darstellung auf der Grundlage eines theoretischen Modells, in dem unterstellt wird, das die vier Quadranten im Idealfall ein Viertel der Aktivität beinhalten, so dass auf die linken Quadranten jeweils 25% und auf die rechten Quadranten zusammen 50% entfallen. Eine solche Verteilung ist als Bilanzierungsgrundlage für die Länder in den nachfolgenden Grafiken verwendet worden.
Hier fällt sofort auf, dass sich alle rechten Doppel-Quadranten (Es-Sprache) – mit einer Ausnahme bezüglich Typ 3 bei Brandenburg – im Defizit befinden. Hier übersteigt der Wert die Grenze zum Positiven lediglich um 1 %. Es ist nicht besonders überraschend, dass sich die rechten Quadranten im Defizit befinden, da dieses Ergebnis nahezu bei allen Anwendungen dieser Methode auftritt und die Ursache prinzipiell leicht erklärlich ist. In der Alltagssprache bringt sich gewöhnlich das persönliche Ego zum Ausdruck und benutzt weniger die Form des sachlichen Es. Andererseits ist es im akademischen Betrieb weit verbreitet und gehört zum guten Stil, die wissenschaftliche Sachlichkeit zu betonen und die meinungsverdächtigen Personalpronomen zu vermeiden. Da die Suchergebnisse der populärsten Suchmaschinen einen ungefilterten Querschnitt der Sprache liefern, kommt das Es eher selten vor. Eine Bewertung des Ergebnisses für die rechten Quadranten kann daher nur innerhalb der Relationen des Befragungspanels stattfinden. Einen Orientierungswert kann etwa die Abweichung vom Mittelwert liefern oder die Schwelle, ab der intuitiv von „Ausreißern“ die Rede sein wird. Für letztere Methode habe ich mich entschieden und komme so zu dem Ergebnis, dass die häufigsten Defizite im rationalen Bereich im Profil von Thüringen in den Typen 1 bis 3 – besonders stark in Typ 3 – in den Typen 4 und 5, sowie in Typ 8 anzutreffen sind. Darüber hinaus sind zu nennen der Typ 2 bei Sachsen, der Typ 2 bei Sachsen-Anhalt und der Typ 2 bei Mecklenburg-Vorpommern. In Grafik 28 sind weitere Defizite im Typ 4 bei Sachsen, im Typ 5 bei Sachsen-Anhalt, im Typ 6 bei Brandenburg und beim Typ 6 bei Mecklenburg-Vorpommern zu sehen. Wie bereits zur oben gezeigten Gesamtsituation der WMem-Typenbeziehungen erwähnt, zeigen sich in Grafik 29 vor allem bei Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern große Defizite im rationalen Bereich. Diese betreffen die Typen 7 und 8 bezüglich Brandenburg und 7, 8 und 9 bezüglich Mecklenburg-Vorpommern.
Als weiteren Auswertungsschritt bietet sich eine Erhebung der Defizite in den linksseitigen Quadranten an. Solche sind lediglich bei Brandenburg in Typ 1 (Wir) und Typ 3 (Ich) sowie bei Thüringen in Typ 9 (Wir) zu sehen. Von besonderem Interesse sind Ungleichgewichte im Verhältnis Ich zu Wir. Solche sind insbesondere bei Sachsen in den Typen 1, 3 und 7, bei Thüringen bei den Typen 1, 6 und 8 feststellbar (das Defizit in Typ 9 bei Wir siehe oben). Die Ungleichgewichte in Sachsen-Anhalt betreffen die Typen 1 und 3. Damit stellt sich die Situation in Sachsen-Anhalt sehr ausgewogen dar. In Brandenburg sind keine nennenswerten Ungleichgewichte zu sehen. In Mecklenburg-Vorpommern beschränkt sich die Spannung zwischen Ich und Wir auf den Typ 7.
Abschließend weise Ich darauf hin, dass eine Übertragung der hier vorgestellten Ergebnisse auf die wirkliche Situation vor Ort nur unter Berücksichtigung der absoluten Zahlen hinsichtlich ihrer prägenden Kraft für die betrachtete Situation erfolgen kann. Sie stellen daher lediglich mögliche Zusammenhänge dar, die jedoch keinesfalls vernachlässigt werden dürfen und ggfs. durch andere Methoden präzisiert werden müssen.