Am 15. Januar soll es nun soweit sein – die CDU hält ihren ersten digitalen Parteitag ab, um ihren neuen Vorsitzenden zu wählen. Drei Kandidaten stehen zur Wahl, alles Männer! Ihre politischen Laufbahnen sind sehr unterschiedlich. Da gibt es den Finanzmanager Merz, der als Fraktionsvorsitzender der CDU der Kanzlerin weichen musste, der ehemalige Umweltminister Röttgen, der als Spitzenkandidat der CDU in Nordrhein-Westfalen ein schlechtes Wahlergebnis einfuhr und auf Geheiß Merkels gehen musste und schließlich der unglücklich lavierende CDU-Ministerpräsident Laschet in Nordrhein-Westfalen.
Die Wahl zwischen diesen Kandidaten stelle ich mir schwierig vor, da eine Vergleichbarkeit kaum gegeben ist. Das vor allgemeinen Wahlen so beliebte Verfahren, die zeitnah zur Wahl anstehenden politischen Entscheidungen zur Nagelprobe für die Wahlentscheidung zu machen, wird hier nicht weiterhelfen. Nachfolgend werde ich mit den Mitteln dieses Projekts einige Unterschiede der Kandidaten herausstellen, die der Systematik einer integralen Betrachtung folgen.
Die Agenden der drei Kandidaten sind so unterschiedlich wie auch politisch undurchsichtig, so dass hier eine Konzentration auf das Wesentlicche angebracht ist – und das sind die Wertewelten und Quadranten der Wirklichkeit im Verhältnis zu der Partei, die sie repräsentieren und gestalten wollen. In diesem Zusammenhang ist auf eine Lehre der Systemtheorie hinzuweisen und sie vorweg zu betonen. In den Worten von Ken Wilber: „Das Niedrigere setzt die Möglichkeiten des Höheren, das Höhere setzt die Wahrscheinlichkeiten des Niedrigeren„, d. h. in diesem Zusammenhang, dass in der Hierarchie der Partei die von der Spitze ausgehenden Neuerungen über die Gegebenheiten der niederen Ebene hinausgehen müssen, jedoch diese Ebenen einschließen müssen, aber deren Gesetzlichkeiten und Grundmuster nicht verletzen dürfen. Von der Spitze her werden die Grundmuster der niederen Ebene stabilisiert, jedoch werden dabei die Eindeutigkeit der Haltungen verbessert und die Vielschichtigkeit der Basis eingeschränkt. Unter den vielen möglichen Entscheidungen werden manche jetzt erheblich wahrscheinlicher, weil die Spitze eine Ordnungsfunktion ausübt. Der Interpretationsrahmen der Partei als Ganzes wird von oben organisiert.
Der Spannungsbogen der CDU als Volkspartei ist sehr weit, er reicht von deutschnational bis atlantisch integriert und von sozial-ökologisch bis industriell–utilitaristisch. Die Differenzierung innerhalb des Interpretationsrahmens wird entscheidend von den konkurrierenden Programm-Parteien der Linken, Rechten und des ökoligischen Fortschritts mitbestimmt. Innerhalb dieses Spektrums kommt es für den neuen Vorsitzenden auf seine Fähigkeit zur programmatischen und administrativen Integrationsfähigkeit an. Letztlich wird er an seiner Fähigkeit zur Veränderung der Wirklichkeit unter Beachtung der oben genannten Regeln zu messen sein.
In den nachfolgenden Grafiken sind die Themenbereiche der beiden in unmittelbarer Konkurrenz stehenden Parteien CDU und AfD sowie der drei Bewerber um den Parteivorsitz im Modell der vier Quadranten nach ihren Gewichtungen im Spiegel des Internets abgebildet. Hierbei können aus methodischen Gründen die beiden rechten Quadranten nicht differenziert werden.
Es zeigt sich, dass die beiden Parteien in gleichem Maße Resonanz in den Quadranten erzeugen. Innerhalb des Schemas sollte im Idealfall die Summe der Quadranten Null ergeben – was im Bezug auf die AfD auch der Fall ist. Die geringfügig stärkere Ausprägung des unteren linken Quadranten bei der CDU ist auf die Auf- bzw. Abrundungen der Werte zurückzuführen und deshalb von geringer Bedeutung. Das Muster entspricht dem für Deutschland typischen Bild mit einem Defizit der rechten Quadranten zugunsten der linken Quadranten. Die Ursache hierfür ist die sprachliche Domäne der Es-Sprache, die für die rechten Quadranten obligatorisch ist und vorwiegend im wissenschaftlich-technischen Bereich verwendet wird. Hieraus folgt, dass der Gebrauch des Wortes „Es“ deutlich seltener ist, als der Personalpronomen „Ich“ und „Wir“.
Gemessen an dem Bild ihrer Partei stellen sich die Quadranten-Bilder der Kandidaten hiervon deutlich ab. In der grundlegenden Frage nach der Bedeutung des „Objektiven“ sind keine Unterschiede zu ihrer Partei feststellbar. Im Vergleich der Kandidaten untereinander sind jedoch deutliche Unterschiede zu sehen, die bei allen Kandidaten zu ihrer Partei abweichende Gewichtungen zeigen. Generell ist der obere linke Quadrant (Ich-Sprache) deutlich stärker ausgeprägt als der untere linke Quadrant (Wir-Sprache). Hierzu ist der Hinweis wichtig, dass es sich bei den erhobenen Daten nicht ausschließlich um persönliche Aussagen der Kandidaten handelt, für die das „Ich“ obligatorisch zu erwarten wäre, sondern um alle von den Kandidaten evozierten (hervorgerufenen) schriftlichen Fundstellen im Internet. Deshalb ist der Schluss zulässig, dass – anders als bei ihrer Partei – die Kommunikation zwischen Spitzenpolitikern der CDU und der Gesellschaft allgemein überwiegend auf persönlichen Beziehungen beruht. Dagegen zeigt sich bei Norbert Röttgen und Armin Laschet eine durchschnittliche Bedeutung des unteren linken Quadranten, während für Friedrich Merz hier ein unterdurchschnittlicher Wert zu sehen ist, der diese Beurteilung in besonderer Weise unterstützt.
In einem weiteren Schritt werden in analoger Weise die Wertewelten nach dem System der Spiral Dynamics dargestellt.
Auch hier zunächst ein Vergleich von CDU und AfD. Es zeigen sich deutliche Unterschiede der Parteien, die zunächst durch ein sehr starkes Rot – das für Gewalt in jeglicher Form steht – bestimmt sind. Eine vergleichbare Ausprägung von Rot hat sich bisher in keiner der vielen durchgeführten Untersuchungen gefunden. Der Anteil von Rot erreicht bei der AfD annähernd das gleiche Neveau wie das konservativ-ordnungsstrebende Blau. Der starke Anteil von Rot geht zu Lasten von Grün, so dass für die beiden anderen Hauptwertesysteme Blau und Orange etwa gleich große Anteile wie bei der CDU verbleiben. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Wertewelt der CDU stark von der Orientierung auf mögliche Koalitionspartner (Grün und Blau) beeinflusst ist und das für die deutsche Gesellschaft prägende Orange hierdurch hinter das sozial-ökologische Grün zurückfällt.
An diesem Bild der CDU gemessen stellen sich die Kandidaten als „Erlöser“ aus tiefer Verunsicherung der Partei dar und stehen damit vor einer unlösbaren Aufgabe, da die Behebung der Ursachen für die Verunsicherung der Partei nicht in ihrer Macht stehen. Die Führung der Partei kann nicht gegen ihre Wertorientierung erfolgen, sondern nur mit ihr – siehe einleitende Bemerkungen. Hieran gemessen zeigen sich bei allen drei Bewerbern große Abweichungen von der Wertestruktur der Gesamtpartei. Diese sind – wie bereits im Quadrantenbild angedeutet – auf eine sehr starke Betonung des erfolgssüchtigen Egos in Orange zurückzuführen. Wesentliche Bedeutung kommt hier lediglich der Struktur der anderen drei Wertesystemen zu. In dieser Hinsicht kommt das Blau bei Friedrich Merz dem Blau der Partei am nächsten, dicht gefolgt von Norbert Röttgen und deutlich abfallend bei Armin Laschet. Dem im Bezug auf die Partei dominierenden WMem Grün kommt das Wertebild im Bezug auf Norbert Röttgen am nächsten, mit deutlichem Abstand gefolgt bei Armin Laschet und dahinter bei Friedrich Merz.
Von besonderem Interesse ist das Verhältnis von Blau zu Grün, da diese Wertesysteme sich gegenseitig begrenzen. Unter diesem Aspekt dominiert Blau das wesentlich schwächerei Grün bei Friedrich Merz und in sehr geringem Maß bei Armin Laschet. In der Wertewelt von Norbert Röttgen stellen sich beide WMeme gleich stark dar und blockieren sich gegenseitig.
In der Wertewelt von Norbert Röttgen tritt im Vergleich zu seinen Mitbewerbern das WMem Rot deutlich stärker hervor. Es kann sich dabei um eine Reaktion auf die Blockade von Grün und Blau handeln, ebenso aber auch damit zusammenhängen, dass Norbert Röttgen der außenpolitische Sprecher seiner Fraktion ist und sich in dieser Funktion mit den gewalttätigen Konflikten in der Welt auseinandersetzt.
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