Hessen vor der Landtagswahl 2018

Zwei Wochen trennen die Wahlbürger in Hessen von ihren Möglichkeiten, über den weiteren politischen Weg ihres Bundeslandes mitzubestimmen. Aus den Erfahrungen mit dem politischen System in Deutschland wurden in jüngster Zeit von verschiedenen Seiten der politischen Beobachter eher deprimierende Schlüsse über den politischen Stellenwert von Wahlen gezogen – und das ist nicht unbegründet -, doch wäre es verfehlt, den Sinn von Wahlen generell und total in Abrede zu stellen. Zumindest in sozioökonomischer Hinsicht und in Ökologischer Hinsicht stehen mit den Parteien „Die Linke“ und „Bündnis 90/Grüne“ politische Hoffnungsträger auf existentiell wichtigen Politikfeldern zur Wahl, an denen der „Zahn der Zeit“ noch kein Siechtum herbeigeführt hat. Unter diesem Aspekt stellt die AfD – wenngleich formal noch jung – keine Alternative dar, da sie bemüht ist, sich außerhalb der Zeit zu positionieren und daher als Geschichtsblinde einer politischen Eugenik zu unterziehen ist.

Nach dieser Vorrede möchte ich nun den Vorhang des Politiktheaters etwas transparenter machen und mit Hilfe der in diesem Projekt verwendeten Methode die Wertewelten der aussichtsreichsten Parteien zur Landtagswahl in Hessen darstellen. Dabei werden die Wertewelten dieser Parteien im Bezug auf die fünf Großstädte Hessens einmal als isolierte Stadtergebnisse und in einem weiteren Schritt im Vergleich zum Durchschnitt aus allen Großstädten dargestellt. Zusätzlich werden die Ergebnisse der Parteien für das gesamte Bundesland als Balkengrafik dargestellt.

In der oben stehenden Galerie sind die Ergebnisse für sechs Parteien dargestellt. Für jede Partei ist ein Vergleich der Werte mit dem ebenfalls dargestellten Bundesland als Gesamtheit möglich. Zunächst ist bei unscharfem Hinsehen auf die Übersicht der Grafiken festzustellen, dass sich das Bild der CDU (oben  links) deutlich von den anderen Bildern unterscheidet. Dieser Unterschied wird wesentlich durch ein deutliches Zurücktreten der WMeme Grün und Blau gegenüber allen anderen Parteien bewirkt. Als Folge davon sind in allen Großstädten vergleichsweise hohe Anteile von Orange zu sehen. Die größte Nähe zur Wertewelt der CDU findet sich bei der AfD, womit sich der in der öffentlichen Warnehmung entstandene Eindruck bestätigt. Eine weitere Auffälligkeit besteht in einer Ausnahme von dem allgemeinen Bild der Großstädte und betrifft die Stadt Offenbach. Für diese Stadt sind auch bei der CDU mit den anderen Parteien vergleichbare Anteile von Blau und Grün vorhanden. Ob die beschriebene Situation der CDU von besonderen örtlichen Bedingungen, von der Wahlkampfstrategie, der Rolle als Regierungspartei oder den Parteistrukturen und deren programmatischer Ausrichtung bestimmt ist, kann nicht mit Verlässlichkeit differenziert werden. Wahrscheinlich ist eine Mischung aus allen Faktoren für dieses Ergebnis bestimmend. Ein Hinweis auf ein starkes Gewicht der politischen Ausrichtung ist jedoch mit der hohen Übereinstimmung zwischen der Wertewelt von Frankfurt und der CDU im Landesvergleich feststellbar, die es nur noch bei der AfD in angenähertem Maße gibt.

Das zweite übergreifende Ergebnis einer summarischen Betrachtung ist die Wertewelt im Bezug auf Offenbach. Darin zeigt sich bei allen Parteien das im Vergleich der Städte schwächste Orange und dementsprechend der stärkste Anteil des Komplexes Blau/Grün, wobei bis auf „Die Linke“ bei allen Parteien Grün den stärkeren Anteil hat. Als Industriestadt mit langer Tradition und dem höchsten Anteil an Bevölkerung mit Migrationshintergrund in Deutschland (60%) ist Offenbach auch durch eine traditionell sozialdemokratisch ausgerichtete Kommunalpolitik geprägt. Diese Einflüsse kommen in dem quer durch alle Parteien gehenden Einfluss von Grün zum Ausdruck. Darüber hinaus zeigen sich als konsequente Entwicklung einer Grün bestimmten Tradition deutliche Spuren von Wertesystemen der zweiten Ordnung. Bei der CDU ist es Türkis, bei den anderen Parteien ist es überwiegend Gelb, worin diese Entwicklung ablesbar wird. Zwar trifft diese Feststellung auch für die AfD zu, jedoch mit der Einschränkung, dass es sich hierbei – zumindest in einem erheblichen Umfang – um zweckgerichtete Romantisierung  in der Art einer Prä-/Transverwechslung handelt. Als deutlicher Hinweis in diese Richtung kann der große Anteil von vorrationalem Rot bei der AfD gelesen werden. Allerdings gilt diese Einschränkung auch für die anderen Parteien – jedoch nur eingeschränkt für die SPD.

Die Wertewelt der SPD ist wie die aller Parteien durch Orange gekennzeichnet. Jedoch sind deutliche Unterschiede in der geografischen Verteilung zu sehen. Hierbei ist der Ausprägungsgrad auf Landesebene nahezu als Mittelwert der Großstädte anzusehen. Den höchsten Wert erreicht Orange in Frankfurt, den niedrigsten erreicht es in Offenbach. Das Verhältnis von Blau zu Grün, welches für die Stabilität innerhalb des Gesamtsystems von ausschlaggebender Bedeutung ist, stellt sich bei der SPD nahezu ausgewogen dar. In der Stärke dieser beiden Wertesysteme unterscheiden sich SPD und CDU erheblich. Hierbei ist in dem wuchernden Orange ein strukturelles Problem der CDU zu sehen, das eine gesunde Entwicklung innerhalb der Wachstumsspirale verhindert. Demgegenüber kann innerhalb des dargestellten Parteienspektrums jede andere politische Konstellation – unter Ausschluss der AfD – für die Regierungsbildung als geeigneter angesehen werden, als die derzeitige Regierungspartei sich darstellt.

Das Niveau von Orange ist bei Bündnis 90 / Grüne insgesamt niedriger als bei allen anderen Parteien. Dagegen sind die Anteile von Rot hier am stärksten. Für weitere vergleichende Betrachtungen wird auf die folgende Galerie Bezug genommen.

Im Vergleich der Parteien mit ihrem arithmetischen Mittel in den Großstädten treten die bereits augenscheinlich erfassten Besonderheiten deutlich hervor. Zusätzlich sind jedoch noch einige Merkmale abzulesen, die im Bereich der kleinen Zahlen liegen und das Bild der Parteien vervollständigen.

Neben Frankfurt zeigt auch die Landeshauptstadt Wiesbaden bei allen Parteien ein überdurchschnittlich starkes Orange. In der Wertewelt der FDP nimmt es sogar den Rang vor Frankfurt ein. Darüber hinaus spielt Orange bei CDU und SPD auch in Kassel eine überdurchschnittliche Rolle. In Darmstadt besteht ein erhöhtes Gewicht von Orange bei der CDU und der Partei „Die Linke„. Es ergibt sich daraus für die CDU das Bild der politischen Heimat von Orange, die sie von allen anderen Parteien unterscheidet, jedoch auch eine Anfälligkeit für persönliche Ambitionen darstellt, die mit dem demokratischen Anspruch der Partei im Widerspruch stehen. Diese Problematik spiegelt sich in durchgehend unterdurchschnittlichem Grün wider, wie es auch bei der AfD zu sehen ist.

Besonders hervorzuheben sind die unterdurchschnittlichen Anteile von Blau und Grün, bei der CDU im Bezug auf alle Großstädte, außer Offenbach, bei der SPD im Bezug auf Frankfurt, Wiesbaden und Kassel, bei den Grünen im Bezug auf Frankfurt und Wiebaden, bei der FDP im Bezug auf Frankfurt, Wiebaden und Darmstadt und bei der Partei „Die Linke“ im Bezug auf Frankfurt. Hierbei stellt sich die Situation für Frankfurt als besonderes Problem dar, da offensichtlich keine Partei in der Lage ist, Werte zu mobilisieren, die eine angemessene Entwicklung von Frankfurt fördern. Besonders ausgeprägt ist dieser Mangel bei den traditionellen Volksparteien CDU und SPD zu sehen. Dagegen ist bei der SPD im Bezug auf Darmstadt ein unterdurchschnittliches Orange mit überdurchschnittlichem Komplex aus Blau und Grün zu sehen.

Neben der bereits weiter oben angesprochenen Sonderrolle von Offenbach am Main – auf die hier nicht näher eingegangen wird, da hierzu vertiefte Kenntnisse der Situation vor Ort erforderlich sind – zeigen sich auch in den Wertewelten von der Partei „Die Linke“ und der FDP im Bezug auf Kassel Besonderheiten. In der Wertewelt der Linken spielt Grün eine weit überdurchschnittliche Rolle, die ein Resultat der Schwäche bei anderen Parteien – insbesondere CDU und SPD – sein kann. Mit der Linken konkurriert diesbezüglich die FDP, jedoch gehemmt durch überdurchschnittliches Blau. Im Bezug auf Kassel sind in der Wertewelt der Grünen überdurchschnittliche Anteile von Rot und Blau zu sehen, die einerseits auf egozentrische Einflüsse und andererseits auf betont rationale Einflüsse hinweisen. Eine weitere Konkurrenzsituation besteht im Zusammenhang mit Darmstadt zwischen SPD und AfD. Hier zeigt sich bei der AfD ein überdurchschnittlicher Anteil von Blau, der anders als bei der SPD nicht durch hemmendes Grün „gefesselt“ ist.

Im Bezug auf die AfD ist auch in Hessen der Einfluss vorrationalen Denkens in Purpur zu sehen, der vermutlich aus rückwärtsgewandten romantisierenden Vorstellungen herrührt und auch rassistischen und nationalistischen Bestrebungen eine politische Heimat bietet. 

Über Fidelio

Ich bin 1949 geboren und war in meiner berufstätigen Zeit als Stadtplaner in einer mittelgroßen kommune tätig. Seit meiner Studienzeit habe ich mich für die Entwicklung eines erweiterten geistigen Horizonts interessiert und einige Anstrengungen unternommen, mich persönlich in diesem Sinne zu entwickeln. Aufgrund meiner katholischen Erziehung habe ich in den 1960-er Jahren begonnen, mich intensiver mit dem modernen Mystiker Teilhard de Chardin zu befassen und bin so zur Gedankenwelt von Ken Wilber gekommen, die ich in diesem Projekt nutzbar zu machen versuche.
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