Am 24. Oktober 1648 wurde der Westfälische Frieden in den Städten Münster und Osnabrück geschlossen. In Osnabrück verhandelten die Protestanten, geführt von ihrer protestantischen Führungsmacht Schweden, mit dem Kaiser und dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. In Münster konferierte das Reich mit den Katholiken, also den Franzosen und Spaniern, dazu kamen die Gesandten der Niederlande, die speziell mit den Spaniern zu tun hatten.
In diesen Tagen wird an dieses Ereignis nach 375 Jahren in einer Zeit gedacht, in der Trost über gewalttätige Ereignisse vielfacher Art dringender denn je benötigt wird und es stellt sich die Frage, ob dieser Friedensschluss für die aktuellen Kriege in der Ukraine und Israel/Palästina Lehren beinhaltet, die in den gegenwärtigen Krisen hilfreich sein können. Hierzu hat die Historikerin Sigrid Westphal in einem Interview mit der Zeitschrift Publik-Forum Stellung genommen.
Zunächst weist sie darauf hin, dass es sich bei dem Krieg, der ganz Europa in Mitleidenschaft zog um eine sehr komplexe Gemengelage handelte, die nur mit vielen Verhandlungen entwirrt werden konnte und sich über fünf Jahre hinzog. Davon dienten allein zwei Jahre dazu, die Rahmenbedingungen für die Verhandlungen zu schaffen. Wie später bei dem Wiener Kongress – „der Kongress tanzt“ – zur Neuordnung Europas nach den Koalitionskriegen spielten auch hier die Bedingungen des Aufenthalts an den Verhandlungsorten eine große Rolle. Westphal vermutet, dass man aus Erschöpfung schließlich die Flucht zu ernsten Gesprächen gesucht habe. Weitere Grundbedingungen waren
- nicht alles auf einmal verhandeln,
- den Waffenstillstand nicht zur Vorbedingung für Verhandlungen machen,
- die Wahrung des Gesichts ermöglichen,
- die Ehre der Verhandlungspartner bewahren.
Diese Verhaltensregeln haben im konkreten Fall zur Entwicklung von Vertrauensverhältnissen geführt, die es ermöglichten, dass die Verhandlungsparteien auf die jeweiligen Gegenüber eingingen. Dabei war es hilfreich, ergebnisoffen zu verhandeln und sich nicht sklavisch an die anfänglichen Ziele zu halten. Besonders wichtig sei in diesen Gesprächen die Übersetzung der Denkhaltungen der Verhandlungspartner in metaphorische Begriffe wie „gerechter Friede„, „Souveränität„, „Schmach“ und – vor allem – „Ehre“ gewesen. Letztlich habe die Kenntnis der Wertehaltungen dieses ermöglicht.
Trotzdem kann das Verhandlungsklima – nicht zuletzt wegen der fortdauernden Kampfhandlungen – nicht als harmonisch bezeichnet werden, sondern eher als von Erpressungen gekennzeichnet. Das es trotzdem nicht zum Scheitern der Verhandlungen gekommen ist, kann vermutlich damit erklärt werden, dass die fortgesetzten Kampfhandlungen und die Auflösung der Komplexität in Teillösungen auch die Verhandlungen in Gang gehalten haben.
In der damaligen Zeit war es ein besonders hilfreiches Ergebnis von Friedensverhandlungen, Verzichtserklärungen bezüglich der Regulierung von Kriegsfolgen abzugeben. Diese gegenseitigen Verzichte sollten späteren Rachegelüsten und Rechtsansprüchen vorbeugen und sind heute durch ein neues Verständnis vom Umgang mit Kriegsverbrechen und Reparationsleistungen gegenstandslos geworden.
Trotz dieser Erfahrungen und Fortschritte in der Bewältigung des Krieges sind gegenwärtig mehr denn je Friedenswille und die Wahrung grundlegender Interessen vermeintlicher oder offensichtlicher Kriegsschuldner übergeordnete Bedingungen für eine dauerhafte Beendigung der Kampfhandlungen. Hieran hat es bei der vertraglichen Bewältigung des ersten Weltkriegs, den Friedensgesprächen zur Beilegung des Nahostkonflikts und der Minsker Protokolle von 2014 gefehlt. Solcher Art Friedensvereinbarungen kommen oft unter Einfluss übermächtiger „Vermittler“ oder nach Zerstörung der Existenzgrundlagen von Staaten durch die Sieger zustande und können als Diktatfrieden bezeichnet werden.
Im folgenden Abschnitten werde ich auf den gegenwärtigen Konflikt in Israel näher eingehen. Weiterlesen