An dieser Stelle werde ich – soweit es mir möglich ist – täglich die Entwicklung der Wertewelten und der Quadranten der Integralen Theorie in Deutschland und der Ukraine veröffentlichen. Zu diesem Schritt habe ich mich aufgrund der sprunghaften Entwicklungen der letzten Jahre und Monate entschlossen, da sich die Bilder der Grafiken in diesem Zeitraum drastisch verändert haben und nach zeitnahen Erklärungen verlangen. Die Verknüpfung mit der Ukraine ermöglicht darüber hinaus Rückschlüsse auf Zusammenhänge zwischen deutscher Außenpolitik und Ukrainekrieg. Die Integrale Theorie kann so wertvolle Beiträge zur Meinungsbildung leisten. Ein Sinn hierfür ergibt sich allerdings erst, wenn sich möglichst viele Menschen hierzu Gedanken machen und ihr Handeln hieran orientieren.
Die Darstellung der Quadranten erfolgt – abweichend von der bisher überwiegenden Darstellung als Quadrantenbild als Säulengrafik und in Prozenten. Diese Änderung erfolgt aus Vereinfachungsgründen um eine tägliche Erhebung vom Aufwand her möglich zu machen. Eine Angleichung an die Quadrantendarstellung erhält man, wenn die Prozentwerte jeweils in 5%-Intervalle zerlegt werden.
Die beiden Grafiken werden durch ein Tageszitat aus dem Bereich der Integralen Theorie ergänzt. Dabei wird der jeweilige Bezug zwischen Grafik und Zitat durch ein gelb hinterlegtes Stichwort markiert, um so einen Hinweis auf die Schwerpunkte der Entwicklung zu geben.
Hinweise: Zum Lesen der Grafiken bitte mit einem Klick vergrößern!
Alle westlichen Gesellschaften sind auf der Suche nach einer Zukunft, an die man glauben kann. Ein Gespräch mit Heinz Bude Von Lothar Bauerochse
Heinz Bude: Die moderne Angst (Anm.: bedrücktes Ich) ist eine Begleiterscheinung des »Zitterns der Freiheit«. Das heißt, Menschen, die im Kern ihrer Selbstdefinition darauf abstellen, dass sie die Dinge, die ihnen wichtig sind, selbst entscheiden oder dass sie nach selbst gesetzten Vorstellungen leben, stehen immer vor dem Problem, dass das, was sie für sich selbst setzen, möglicherweise infrage gestellt wird. Es bleibt unsicher, ob das bei den anderen Anerkennung findet. Dieses Problem, dass wir uns mit anderen verständigen müssen darüber, was wir für richtig halten, durchsetzt unser Selbstverständnis mit einer Dimension von Angst, weil man nicht weiß, kommt man damit an, Iiegt man damit richtig.
Sie beschreiben einen „Grundklang der Unsicherheit«.Was kennzeichnet die Angst in der modernen Gesellschaft?
Heinz Bude: Sie ist einerseits eine Seite der Freiheit, auf der anderen Seite ist sie aber auch ein Thema der Kommunikation geworden. Sie können in modernen Gesellschaften vieles bestreiten bei den Menschen. Sie können bestreiten, was sie für eine politische Auffassung haben, was sie für religiöse Präferenzen haben, was für sexuelle Präferenzen. Aber Sie können nicht bestreiten, wenn jemand sagt, er habe Angst. Wir haben eine Art von »Privilegkommunikation« über Angst in der Gesellschaft, in der alles infrage gestellt werden kann, aber die Angst kann interessanterweise nicht infrage gestellt werden.
Ist das ein neues Phönomen?
Heinz Bude: Das ist ein neues Phänomen, weil es ein Thema der Kommunikation geworden ist….
ln lhrem Buch schreiben Sie, Angststress sei »Sinnstress«. Was bedeutet das?
Heinz Bude: Die Sinnfrage, also die Frage inwiefern wir in einer vorweg geordneten Welt leben, aus der wir den Sinn »abgreifen« können, diese Vorstellung zerfällt. Die Welt gibt einem nicht mehr einen Sinn vor. Einen Sinn muss jeder für sich selbst entwickeln….
Sicherheit ist ein hoher Wert in unserer Gesellschaft. Wir sind eine rundum abgesicherte und versicherte Gesellschaft. Ist die Angst der Menschen begründet?
Heinz Bude: Ich glaube schon, dass sie begründet ist. Wir leben in einer Welt, die irgendwann mal dachte, wenn wir mehr wissen über die Welt, wird die Welt für uns geordneter erscheinen. Heute tritt die Wissenschaft mit der genau gegenteiligen Ansicht auf. Sie sagt, je mehr wir wissen, desto mehr wissen wir, was wir nicht wissen. Dies ist eine sehr irritlerende Situation….
Welche Folgen hat das für das Zusammenleben in der modernen freiheitlichen Gesellschaft, wenn das Gefühl von Angst so grassiert?
Heinz Bude: Wer zu sehr Angst hat, verliert das Vertrauen in sich selbst, verliert das Vertrauen in seine Handlungsmöglichkeiten. Die Psychologen sagen, er verliert den „locus of control“, das Kontrollbewusstsein schwindet. Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Wenn man sich Milieus und auch Personen genauer anschaut, die von dieser Angst getrieben sind, dann sieht man, dass sie keinen Punkt mehr setzen können gegenüber der Welt, weil ihnen dieser Punkt immer infrage gestellt wird. Und dann wird die Angstfrage auf eine existenzielle Weise reflexiv nämlich zu der Angst vor der Angst. Und das ist die größte Gefahr, die wir in modernen Gesellschaften haben, dass sich Thematisierungswellen ausbreiten, deren Kern Angstpolitik ist. Angeboten wird dann eine Veränderung der Welt, in der die Angst verschwindet. Das ist das Problem von negativer Angstpolitik, dass die so tut, als könnten wir die Verhältnisse so einrichten, dass man keine Angst mehr zu haben bräuchte. Das potenziert das Problem der Angst eigentlich. Das Hauptproblem der modernen Gesellschaft ist, die Angst vor der Angst zu managen, aber nicht zu behaupten, dass wir in einer Welt leben können, in der es keine Angst mehr gibt.
…
Heinz Bude: Wir sind in einer epochalen Umbruchsituation im Blick auf die Selbstinterpretation westlicher Gesellschaften. Und die bringt die Hoffnungsfrage neu auf den Tisch. Wir befinden uns am Ende einer Epoche die knapp vierzig Jahre lang gedauert hat. Die Grundbotschaft dieser Epoche lautete: Eine gute Gesellschaft ist eine Gesellschaft starker Einzelner. Was die Politik tun kann, was wir einander tun können, ist, die Kompetenzen der Einzelnen zu stärken.
Zitat aus: Publik-Forum EXTRA, Heft 11/2017, Interview mit dem Soziologen Heinz Bude
Edward Munch: Der Schrei; Wikimedia Commons,
Arpad Weingärtner spricht (er) von den Linien auf Munchs Bildern. Vielleicht hat er dabei auch an den Schrei gedacht: Munch hat schon diese konstruktive Gewalt des Schreckens in seine Linien eingeführt, – aber er ist unendlich viel mehr „Natur“ als Kokoschka und so gelang es ihm, die Gegensätze des Erhaltenden und Vernichtenden immer wieder im bloß räumlichen Ereignis, im „Bilde“ zu entwaffnen…..
Anm.: Rainer Maria Rilke zitiert in einem Brief an Weingärtner in Ulrich Bischoff: Edvard Munch – 1863- 1944 – Bilder vom Leben und vom Tod
„In einer durcheinandergeratenen Welt, die von den geballten Wirkungen der ersten sechs Systeme auf die Umwelt und die Bevölkerungen bedroht wird, muss die Lebensfähigkeit erneuert werden. Der Sinn des Lebens besteht darin, innerhalb vernünftiger Grenzen unabhängig zu sein – so viel Wissen wie möglich, so viel Fürsorge, wie realistisch ist. Dennoch bin ich ich selbst für mich selbst verantwortlich, eine Insel in einem Archipel von Menschen. Sich entlang eines natürlichen Pfads weiterzuentwickeln, wird mehr geschätzt, als danach zu streben, etwas zu haben oder zu tun. Ich sorge mich um den Zustand der Welt wegen des Einflusses, den er auf mich als Teil des lebendigen Systems hat.“ (Anm.: vermutlich Zitat von Clare Graves)
…
1. Kompetenz: Wer auf gelbe Weise Probleme löst, durchsucht die Spirale nach größeren Lücken, nicht zueinanderpassenden Teilen, Auslösepunkten, natürlichen Strömungen und potenziellen Aufbrüchen oder Regressionen. Er versteht, dass tief greifende Veränderungen nur dort stattfinden, wo ernste Existenzprobleme herrschen….
2. Kompetenz: Gelbe Problemlöser sind fähig, Paradoxa zu lösen, Überfluss zu schaffen und Win-win-win-Ergebnisse zu entwerfen. Bei der Lösung von Paradoxa können sie die Probleme so formulieren, dass sie die miteinander in Widerspruch stehenden Ideen (oder sogar WMeme, die sie hervorbringen) als Dilemma darstellen. Die Aufgabe besteht dann darin, zu zeigen, dass beide zusammen einer erzwungenen Wahl zwischen „entweder-oder“ überlegen sind. Die von Orange angetriebene Beschäftigung mit „Wachstum und Fortschritt“ und die grüne Sorge um „die Bedürfnisse der Menschen“ kann sicherlich gelöst werden, wenn man nach einem Programm sucht, das auf „Prosperität durch Menschen“ basiert. Beide können in angemessener Harmonie miteinander existieren.
Beck, Don Edward; Cowan, Christopher C.. Spiral Dynamics: Leadership, Werte und Wandel (German Edition) . J. Kamphausen Verlag. Kindle-Version.