Deutschland und die Ukraine in der Entwicklungsspirale am 24.10.2022

An dieser Stelle werde ich – soweit es mir möglich ist – täglich die Entwicklung der Wertewelten und der Quadranten der Integralen Theorie in Deutschland und der Ukraine veröffentlichen. Zu diesem Schritt habe ich mich aufgrund der sprunghaften Entwicklungen der letzten Jahre und Monate entschlossen, da sich die Bilder der Grafiken in diesem Zeitraum drastisch verändert haben und nach zeitnahen Erklärungen verlangen. Die Verknüpfung mit der Ukraine ermöglicht darüber hinaus Rückschlüsse auf Zusammenhänge zwischen deutscher Außenpolitik und Ukrainekrieg. Die Integrale Theorie kann so wertvolle Beiträge zur Meinungsbildung leisten. Ein Sinn hierfür ergibt sich allerdings erst, wenn sich möglichst viele Menschen hierzu Gedanken machen und ihr Handeln hieran orientieren.

Die Darstellung der Quadranten erfolgt – abweichend von der bisher überwiegenden Darstellung als Quadrantenbild als Säulengrafik und in Prozenten. Diese Änderung erfolgt aus Vereinfachungsgründen um eine tägliche Erhebung vom Aufwand her möglich zu machen. Eine Angleichung an die Quadrantendarstellung erhält man, wenn die Prozentwerte jeweils in 5%-Intervalle zerlegt werden.

Die beiden Grafiken werden durch ein Tageszitat aus dem Bereich der Integralen Theorie ergänzt. Dabei wird der jeweilige Bezug zwischen Grafik und Zitat durch ein gelb hinterlegtes Stichwort markiert, um so einen Hinweis auf die Schwerpunkte der Entwicklung zu geben.

Hinweise:  Zum Lesen der Grafiken bitte mit einem Klick vergrößern!

Auf dem Boden der kontrollierten Energie muß ihrer Definition nach das Bemühen der neuen Technik sich darauf richten, einerseits immer mehr durch geeignete Anordnung (Flugzeuge, Radios, Movies (Filme)) den jedem einzelnen menschlichen Element eigenen Durchdringungs-, Aktions- und folglich Beziehungsradius zu erweitern; und andererseits durch geschickte Verwendung der mechanischen Automatismen einen immer wachsenden Teil des in diesem Element enthaltenen Tuns verfügbar zu machen. Diese Effekte kennen wir bereits; doch denken wir manchmal daran, was ihre Entwicklungen und ihr Widerhall an Unberechenbarem haben ? Zuallererst muß jeder mit der Zahl der Individuen, die er berührt, multiplizierte

Umberto Boccioni: Einzigartige Formen der Kontinuität im Raum, 1913; Foto von Pcany – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0 Boccioni steigert die Abstraktion des menschlichen Körpers, bis in Einzigartige Formen der Kontinuität im Raum nur noch wenige Hinweise auf ein humanes Wesen schließen lassen. Schon längst hat der Mensch kein Gesicht mehr. Er hat eine Metamorphose durchlebt, an deren Ende die menschliche Kraftmaschine des Futurismus steht. Zitat aus: Sylvia Martin, Uta Grosenick (Hg.), Futurismus, Verlag Taschen

 

 

 

 

 

Fortschritt in der einen oder der anderen der beiden angegebenen Richtungen notwendig seinen Ausdruck in einem positiven Sprung auf der Kurve der totalen Menschlichen Energie finden. Aber darüber hinaus ist in beiden Fällen das Endergebnis von höchster Wichtigkeit. Jeder vom Menschen in der Mechanisierung der Welt verwirklichte Schritt nach vorn geht, sei es auf Grund des Expansionseffektes oder auf Grund des Befreiungseffektes, über die Ebene der Materie hinaus. Denn er kommt zu den neuen, aus den der organisierten Materie hinzugefügten Vervollkommnungen entstehenden Möglichkeiten hinzu, um im Individuum ein Emporsteigen geistiger Energie hervorzubringen.

Zitat aus: Pierre Teilhard de Chardin: Die Menschliche Energie, Walter-Verlag, Olten 1966

Kann man sagen, dass Gewaltakte, allgemein gesprochen, auch kommunikative Akte sind? Zweifellos. Aber dies gilt praktisch für jede Form menschlichen Handelns. In nahezu allen anderen Umständen, unter denen man Einfluss auf jemanden auszuüben versucht, muss man zumindest eine gewisse Vorstellung davon haben, mit wem man es tun hat, wie die betreffende Person möglicherweise in dieser Situation reagieren wird, welche Abneigungen und Vorlieben sie hat und so weiter. Aber wenn man dem anderen einen Knüppel über den Kopf zieht, spielt das alles keine Rolle mehr. Für besonders bemerkenswert halte ich daher den wirklich wichtigen Aspekt von Gewalt: Sie ist wahrscheinlich die einzige Form menschlichen Handelns, die soziale Auswirkungen nach sich ziehen kann, ohne auch eine kommunikative Komponente zu besitzen. Genauer gesagt: Gewalt ist wahrscheinlich die einzige Möglichkeit für einen Menschen, etwas zu tun, das relativ berechenbare Auswirkungen auf das Handeln einer Person hat, von der er praktisch nichts weiß.
Die Wirkungen, die man erzielt, wenn man einen anderen handlungsunfähig macht oder tötet, sind eher begrenzt. Aber es sind reale Wirkungen – und, das ist das Entscheidende, man kann schon vorher genau wissen, wie sie aussehen werden. Alle anderen Arten des Handelns können keine vorhersagbaren Wirkungen hervorbringen, wenn nicht an gemeinsame Deutungsmuster oder Vorstellungen angeknüpft werden kann. Mehr noch, der Versuch, andere durch Gewaltandrohung zu beeinflussen, erfordert zwar ein gewisses Maß an gemeinsamen Vorstellungen, aber diese können auch nur minimal vorhanden sein. Die meisten menschlichen Beziehungen – insbesondere lange währende Beziehungen, sei es zwischen alten Freunden oder eingefleischten Feinden – sind höchst kompliziert, stark aufgeladen mit Geschichte und Bedeutung. Um sie aufrechtzuerhalten, bedarf es ständiger und oft auch subtiler Imaginationsarbeit des unablässigen Bemühens, die Welt aus der Warte des anderen zu sehen. Das ist die »Interpretationsarbeit«, von der ich weiter oben gesprochen habe. Droht man jemandem physische Gewalt an, lässt sich all dies umgehen. Gewaltandrohung ermöglicht Beziehungen wesentlich einfacherer und schematischerer Art (»Wenn du diese Linie überschreitest, erschieße ich dich.« »Noch ein weiteres Wort, und du wanderst in den Knast.«).
Deshalb ist Gewalt häufig die bevorzugte Waffe der Dummen. Man könnte Gewalt sogar als die Trumpfkarte der Dummen bezeichnen, weil sie – und das ist zweifellos eine der Tragödien der menschlichen Existenz – jene Form von Dummheit ist, auf die es am schwierigsten ist, eine intelligente Antwort zu finden.
An dieser Stelle muss ich noch eine weitere wichtige Eigenschaft anführen. Alles ist abhängig von einem Gleichgewicht der Kräfte. Wenn sich zwei Parteien in einem relativ ausgeglichenen Wettstreit der Gewalt (Blau gegen Grün) befinden – beispielsweise Generale, die einander gegenüberstehende Armeen befehligen –, ist es für beide Seiten ratsam, sich in den Kopf der jeweils anderen zu versetzen. Nur wenn eine Seite eine überwältigende Übermacht besitzt und dem Gegner schweren physischen Schaden zufügen kann, kann sie darauf verzichten. Aber dies hat weitreichende Auswirkungen: Es bedeutet, dass die charakteristischste Auswirkung von Gewalt – ihre Fähigkeit, die Notwendigkeit von »Interpretationsarbeit« überflüssig zu machen –, zum wichtigsten Merkmal wird, wenn die Gewalt am wenigsten sichtbar ist – wenn also Akte von rein physischer Gewalt äußerst unwahrscheinlich sind. Das sind natürlich genau jene Umstände, die ich als Situationen struktureller Gewalt definiert habe, systemische Ungleichgewichte, die durch Gewaltandrohung gestützt werden. Aus diesem Grund bringen Situationen struktureller Gewalt unvermeidlich einseitige Situationen imaginativer Identifikation hervor. Diese Wirkungen werden besonders dann sichtbar, wenn Strukturen der Ungleichheit tief verinnerlichte Formen angenommen haben.

Zitat aus: David Graeber: Bürokratie – Die Utopie der Regeln, Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2016

Über Fidelio

Ich bin 1949 geboren und war in meiner berufstätigen Zeit als Stadtplaner in einer mittelgroßen kommune tätig. Seit meiner Studienzeit habe ich mich für die Entwicklung eines erweiterten geistigen Horizonts interessiert und einige Anstrengungen unternommen, mich persönlich in diesem Sinne zu entwickeln. Aufgrund meiner katholischen Erziehung habe ich in den 1960-er Jahren begonnen, mich intensiver mit dem modernen Mystiker Teilhard de Chardin zu befassen und bin so zur Gedankenwelt von Ken Wilber gekommen, die ich in diesem Projekt nutzbar zu machen versuche.
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