Köln in der Entwicklungsspirale der Evolution

Das Wappen der Stadt Köln (Quelle: Wikimedia-Commens)

Das Wappen der Stadt Köln deutet auf die lange und bewegte Geschichte der Stadt hin und drückt in seiner Symbolik die tiefen Beziehungen zur Macht aus.

In der Wikipedia wird es wie folgt beschrieben: „Das Wappen der Stadt Köln zeigt den doppelköpfigen Reichsadler, der Schwert und Zepter hält. Er erinnert daran, dass die Stadt im Mittelalter seit 1475 offiziell als Freie Reichsstadt zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation gehörte. Der Adler hat zwei Köpfe, weil der Kaiser zugleich der römisch-deutsche König war.

Der Schild hat die Farben Rot und Weiß, die Farben der Hanse. Köln gehörte als bedeutende Handelsmetropole nicht nur diesem Bund der Kaufleute und Städte an, sondern war – zusammen mit Lübeck – Mitbegründerin der deutschen Hanse und damit eine der ältesten Hansestädte in Deutschland.

Die drei Kronen sind seit dem 12. Jahrhundert das Hoheitszeichen der Stadt; sie erinnern an die Heiligen Drei Könige, deren Reliquien 1164 der Kölner Erzbischof Reinald von Dassel aus Mailand mitbrachte und die in einem goldenen Schrein hinter dem Hochaltar des Doms aufbewahrt werden.“

Die im Schild des Wappens zu sehenden 11 flammenartig dargestellten Hermelinschwänze weisen auf einen in der Stadt populären Kult um die heilige Ursula hin, die als bretonische Prinzessin mit ihren Gefärtinnen von einer Reise zurückkehrend durch die Hunnen vor der Stadt ermordet wurde.

Über die funktionale Bedeutung hinaus zeigt das Wappen in seinen Symbolen auch tiefere mythische und psychologische Bedeutungen an, die hier kurz umrissen werden. Bereits in den ersten Kulturen der Zivilisation hat der Adler zu Vergleichen mit der Sonne, übernatürlichen Naturgottheiten wie Blitz und Sturm sowie irdischen Herrschern und imperialen Nationen inspiriert. Der Flügelschlag des Adlers klingt wie das Wehen eines mächtigen Windes oder das klatschende Geräusch eines Donners. Er steigt höher in die Lüfte als jeder andere Vogel und scheint der Sonne zuzustreben. Die religiöse Kunst hat sich diese Erfahrungen der Menschen zunutze gemacht und die Engel, jene Boten des Himmels mit festem Blick und transzendenter Sehkraft, mit Adlerflügeln ausgestattet. In der Dichtung werden die Menschen auf Adlerschwingen durch die Wolken der Stürme getragen bis in sichere Höhe. So können Menschen mit Hilfe des Adlers überleben und die neu erwachsende Natur nach dem Sturm für ihre Erhaltung nutzen.

Als großer Raubvogel hat der Adler eine ambivalente Seite, die ihn zum heiligen Tier von Kriegergesellschaften macht und im Hinduismus als Schlangenadler die siegreichen Sonnenmächte symbolisiert. In den assyrisch-babylonischen Mythen hat er als löwenköpfiger Adler Imdugud die Macht eines Regenmachers.

„In der Alchemie wird der Adler als Aufstieg des Geistes aus der prima materia dargestellt, ein Versuch, zu beschreiben, dass der Erkenntnis, wenn sie sich aus dem Chaos der Gefühle löst, Flügel wachsen und sie auf diese Weise leicht in den Äther verschwinden kann. Die Alchemisten glaubten, dass der Aufstieg durch sein Gegenteil beantwortet werden muss, was bedeutet, dass unsere erhabensten Illuminationen in eine ganzheitliche Verkörperung hinabsteigen und angewandt werden müssen. Inspiriert vom Seeadler, der sich aus dem sonnendurchtränkten Himmel in den Ozean oder einen Fluss stürzt und wieder auftaucht, stellte man sich vor, dass der mythische Adler des Geistes in das Feuer der Sonne hineinfliegt, sich dabei fast selbst verbrennt, dann aber wieder in die tiefen Wasser aufkeimenden Lebens stürzt und ihnen selbsterneuert wie ein Phönix entsteigt.“ (Zitat: „Das Buch der Symbole“, Verlag Taschen, Köln 2011)

Die Farben Rot und Weiß im Schild stehen für Leben und Anfang. Rot bezieht sich auf die Erfahrungen des Menschen mit Blut und Feuer. Verlässt das Blut den Körper, gerät er bei Blutverlusten über einen Liter in akute Lebensgefahr. Die Glut des Feuers signalisierte in den frühen Kulturen Annehmlichkeit und Schutz, geriet sie außer Kontrolle, bedeutete – und bedeutet sie bis heute – Gefahr und Vernichtung. Nicht ohne Grund ist Rot auch für moderne Menschen eine Warnfarbe. Andererseits stellt sie Lebenskraft und Libido, sexuelle Leidenschaft oder Aggression und Wut dar. Vor allem sexuelle Anklänge sind in der Sprache reichlich zu finden – vom Rotlichtviertel bis zum scharlachroten Buchstaben. Bei den antiken Römern und seit dem 17. Jahrhundert ist Rot die Farbe des Krieges und der Revolution.

In der Alchemie war das Röten (rubedo) das letzte Stadium des langen Prozesses der Goldgewinnung. Psychologisch entspricht dieses der Integration der Persönlichkeit. „Damit war nicht weniger gemeint, als die geistige Erkenntnis in heißblütige Realität zu verwandeln, die im Alltagsleben voll und ganz ausgelebt wurde.“ (Zitat: „Das Handbuch der Symbole“)

Weiß spielt zwischen Gegensätzen wie weißglühender Hitze und eisiger Kälte. Der Psychologe Rudolf Arnheim stellte fest, dass Weiß „ein Symbol der Integration ist, ohne jedoch dem Auge die Vielfalt der vitalen Kräfte darzubieten, die es einbezieht, entsprechend ist es vollkommen und leer wie ein Kreis.“ Im Hinduismus ist es der milchige, mütterliche Ozean des Mythos, aus dem die Fundamente des Kosmos entspringen.

Für die Alchemie hatte Weiß eine Bedeutung als grundlegender Aspekt des Opus Magnum. Für die Alchemisten hatte Weiß einen polaren Charakter.  Einerseits bedeutete es kindhafte Naivität, Unwissenheit, Unreife und Mangel an Erfahrung, andererseits repräsentierte es die Asche oder das Salz bitteren Leids und hart gewonnener Weisheit, die sich auch im weißen Haar des alten Menschen zeigte. Dieser Entwicklungsprozess von der unerfahrenen Jugend zum weisen Greisentum kam in der zweiten Weiße oder albedo zum Ausdruck, die als Zustand der Erhellung oder als Erwachen der unbekannten Persönlichkeit im Bewusstsein begriffen wurde. Für manche Alchemisten war mit der albedo das Ziel erreicht, für andere war das Opus Magnum nur dann vollendet, wenn sich die Morgendämmerung in das rubinrote Leuchten des Sonnenaufgangs verwandelte.

Die Symbolik der Krone verweist hier im Unterschied zu vielen anderen Kronenverwendungen in Wappen  auf eine religiöse Symbolik und dem Ursprung der Krone als Symbol schlechthin. Die Gestaltung der Krone aus Gold und wertvollen Edelsteinen erzeugt einen sanften Schimmer und Glanz, die dem Träger die seiner Funktion entsprechende Wirkung auf seine Umgebung verleiht. Die Krönung ist eine solificatio, d. h. eine Erhebung materieller Dinge auf die Stufe des höheren Geistes. Hierin kommt die tiefe Absicht zum Ausdruck, etwas nicht durch rationales Denken und bewusstes Handeln zu verändern, sondern Erleuchtung zu erlangen, die Gedanken in Licht verwandelt und so eine Vision von dem erzeugt, was möglich ist. Das gekrönte Haupt wird so mit der Sonne und ihrer Lebenskraft und Fruchtbarkeit identifiziert, die mit der Krönung des Souveräns auf das gesamte Königreich übertragen wird.

„In der alchemistischen Fantasie entsprachen irdische Metalle und Edelsteine bestimmten Eigenschaften, die auf planetarische oder siderische Gestirne projeziert wurden. Die Krone symbolisiert das Ziel des Opus Magnum, diese Elemente mit der Sonne zu synthetisieren oder, auf psychologischer Ebene, die vielfältigen Eigenschaften der Ganzheit des Selbst in einem sonnengleichen Bewusstsein zu integrieren. Die Krone erhöht den Niedrigen, so auch die Jungfrau Maria, die demütige „Magd des herrn“, die von Engeln gekrönt, zur majestätischen und barmherzigen Königin des Himmels wird. Oder die anima mundi, in der Alchemie die Seele der Welt, die das Diadem trägt, das die erhabene Wiedervereinigung von Materie und Geist verkündet.“ (Zitat: „Das Handbuch der Symbole“)

Die Krone kann jedoch auch zur Last werden, wie in Shakespeares Heinrich IV gesagt oder als Dornenkrone bei der Kreuzigung Christi. Dennoch ist die Krönung bis heute ein erstrebenswertes Ziel – nicht nur in den Phantasien der Kinder und bei den Anwäterinnen auf einen Titel als Schönheitskönigin.

Für die erläuterten Symbole finden sich wahrscheinlich in Köln vielfache Bezüge, die sich intuitiv erschließen und hier – auch aus mangelndem Einblick in die kölnische Kultur  – nicht aufgeführt werden können.

Köln zählt mehr als eine Million Einwohner und ist die größte Stadt in Nordrhein-Westfalen. wesentliche Bestandteile der spezifischen Kölner Kultur sind der sprichwörtliche „Kölsche Klüngel„, der Kölner Karneval und das Kölsch als Dialekt. Das Wahrzeichen der Stadt ist der Kölner Dom, der gleichzeitig für die Rolle des Katholizismus in der Stadt steht, die in den Kölner Wirren weit über die Bedeutung für die Stadt hinausging und nachhaltige Wirkungen erzeugt hat.

Nachfolgend möchte ich dieses Bild der Stadt für die Ansprüche an Köln als Sehnsuchtsort weiter vervollständigen und hierzu die Methoden der Spiral Dynamics und der Integralen Theorie verwenden.

In einem ersten Schritt werde ich kurz auf die in der nebenstehenden Grafik abgebildeten Wertesysteme im Bezug auf Köln beschreiben. Es ergibt sich ein sehr ausgeglichenes Bild zwischen einem im Vergleich zu anderen Großstädten mittelmäßig ausgeprägten Orange und den flankierenden Wertesystemen Blau und Grün, die im Verhältnis zueinander gleich stark sind. Der Rückstand bei Orange zu der etwa gleich großen Stadt München beträgt etwa 10%-Punkte. Dieser Unterschied ist vor allem auf das in Köln wesentlich stärker ausgeprägte Blau und Gelb zurückzuführen.

Köln hat sich in den letzten 10 Jahren zu einer Hochburg in der Schwulen- und Lesbenszene entwickelt und vermarktet dieses Image, das für lebensbejahende Offenheit stehen soll, zur Förderung des Tourismus. Eine Folge hiervon ist möglicherweise, dass seit 2014 der Anteil des blauen Wertemems als Kontrollfunktion gegenüber Grün um ca. 5%-Punkte gewachsen ist. Das relativ starke Gelb zeigt an, dass es offensichtlich eine spirituelle Weiterentwicklung aus dem relativ starken Grün in der Entwicklungsspirale gegeben hat, die der Harmonie im Gesamtsystem zu Gute kommt. Dennoch muss der Anteil von Orange immer noch als hoch angesehen werden, so dass eine Weiterentwicklung grüner Potentiale von Orange aus wünschenswert wäre.

Ein Vergleich mit dem Bild der WMeme von Deutschland zeigt für Köln ein geringfügiges Zurückbleiben von Orange, ein relativ starkes Zurückbleiben von Blau und Türkis und starkes Rot und Gelb. Dagegen ist Grün nur relativ gering erhöht. Bei der Bewertung dieses Vergleichs ist zu berücksichtigen, dass in den Werten für Deutschland alle ländlichen und kleinstädtischen Räume enthalten sind, die tendenziell höhere Werte bei den in der Evolution früher anzusetzenden WMemen ergeben. Daran gemessen ist der Anteil von Rot als sehr hoch zu bewerten. Er liegt etwa dreimal so hoch wie noch 2014. Vermutlich haben die Ereignisse von Silvester 2015 und vorausgegangene rechtsextreme Ausschreitungen (Pro Köln,  Attentat auf die jetzige Oberbürgermeisterin Henriette Reker)  bedeutenden Anteil hieran. Das schwache Blau bestätigt die zuvor erwähnte Tendenz der in Großstädten schwächeren Ausprägung traditionsgebundener und straff organisierter Strukturen, die in Köln jedoch gemessen an anderen Großstädten trotzdem sehr hoch ist.

Problemfelder in Köln mit Legende

1 = Kriminalität; 2 = Anerkennung; 3 = Angst; 4 = arbeitslos; 5 = Armut; 6 = teuer; 7 = Scheidung; 8 = Miete; 9 = langweilig; 10 = krank; 11 = Gewalt; 12 = Mobilität; 13 = Offenheit; 14 = Nachhilfe; 15 = Verschmutzung; 16 = Rassismus; 17 = Drogen

In einem weiteren Schritt werden die Gewichte von 17 Problemfeldern und Einzelwerten dargestellt, die eine genauere Struktur des Lebens in Köln darstellen. Die Begriffe wurden so gewählt, dass sie eine möglichst eindeutige Konnotation bzw. auf komplexere Problemfelder hinweisen, z. B. „teuer“ für Preisentwicklung, Nachhilfe für Schulprobleme, Mobilität für Arbeitspendler, Erreichbarkeit von Versorgungsstrukturen für Alte und Behinderte usw.. Mit Abstand das bedeutendste Problemfeld ist die Angst. Es folgen Gewalt, Miete, Preisentwicklung und Drogen. Am Ende der Skala befinden sich Verschmutzung (gedacht als Umweltfaktor) und arbeitslos. Hierzu ist anzumerken, dass es sich bei den Zahlenwerten um „gefühlte“ Problemintensitäten handelt, die nicht an offiziellen Statistiken gemessen werden können. Ihre Bedeutung erhalten sie in Gegenüberstellungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten und zu Vergleichsräumen. In der folgenden Grafik erfolgt ein Vergleich mit den Werten für Gesamtdeutschland.

Problemfelder in Köln im Vergleich zu Deutschland

1 = Kriminalität; 2 = Anerkennung; 3 = Angst; 4 = arbeitslos; 5 = Armut; 6 = teuer; 7 = Scheidung; 8 = Miete; 9 = langweilig; 10 = krank; 11 = Gewalt; 12 = Mobilität; 13 = Offenheit; 14 = Nachhilfe; 15 = Verschmutzung; 16 = Rassismus; 17 = Drogen

In der Grafik sind die Differenzen zu den entsprechenden Werten für Deutschland in Prozentpunkten dargestellt. Dadurch ergibt sich ein köln-spezifisches Bild, das durch eine erhöhte Angst vor Kriminalität, besonders hohe Mieten und erhöhte Präsenz von Drogen im öffentlichen Bewusstsein, andererseits durch geringere allgemeine Angst, geringeren Preisdruck und besonders durch geringeres Krankheitsbewusstsein gekennzeichnet ist.

Die für soziale Belange wichtigen Problemfelder Arbeitslosigkeit, Armut und Preisentwicklung machen zusammen ca. 14,5% und die für das Sicherheitsgefühl bedeutsamen Problemfelder Kriminalität, Angst und Gewalt machen ca. 25,5% aller untersuchten Problemfelder aus. Daraus lässt sich ableiten, dass unmittelbare Bedrohungen durch die persönliche Umwelt einen großen Anteil am Lebensgefühl haben. Im Vergleich zu Gesamtdeutschland sind dieses noch niedrige Werte. Für Deutschland machen die Bedrohungen der sozialen Belange etwa 20,5% und die der Sicherheit etwa 31%, zusammen also etwa 51% aller untersuchten Problemfelder aus.

Über Fidelio

Ich bin 1949 geboren und war in meiner berufstätigen Zeit als Stadtplaner in einer mittelgroßen kommune tätig. Seit meiner Studienzeit habe ich mich für die Entwicklung eines erweiterten geistigen Horizonts interessiert und einige Anstrengungen unternommen, mich persönlich in diesem Sinne zu entwickeln. Aufgrund meiner katholischen Erziehung habe ich in den 1960-er Jahren begonnen, mich intensiver mit dem modernen Mystiker Teilhard de Chardin zu befassen und bin so zur Gedankenwelt von Ken Wilber gekommen, die ich in diesem Projekt nutzbar zu machen versuche.
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