Amerika wählt

Clinton, Trump, Johnson und Stein

Die Verdichtung der Erde als Lebens- und Erfahrungsraum hat die Konflikte, Katastrophen und Schrecknisse früher noch ferner Länder und  Kulturen in das Alltagsbewusstsein gebracht. Als eine der Folgen dieser Globalisierung wird nun auch der amerikanische Wahlkampf in deutsche Wohnstuben übertragen. Ob damit zum Verständnis der amerikanischen Verhältnisse beigetragen wird, bezweifle ich. Wenn schon die US-Bürger mehr und mehr das Interesse an der Politik ihres Landes verlieren (bei einer durchschnittlichen Wahlbeteiligung von 52% seit 1972 und aktuell ca. 20% unentschlossener Wähler) liegt die Vermutung nahe, dass in Deutschland erst recht kaum jemand für die Ego-Show der zwei zugelassenen Kandidaten im „Fernsehduell“ zu begeistern sein wird.

Es scheint mir müßig, das gerade stattgefundene erste Duell der Kandidaten Clinton und Trump zu kommentieren. Schon im Vorfeld des amerikanischen Fernsehduells ließ die ARD in der sonntäglichen Diskussionsrunde mit Anne Will den Showmaster Thomas Gottschalk einen Einblick in das Gemüt des amerikanischen Wahlvolks geben, das er aus der Perspektive des kalifornischen Malibu kennt. Für mein Empfinden unterstrich es das zu erwartende Niveau der zu erwartenden Veranstaltung, die zu bester Schlafenszeit in der Nacht von Montag auf Dienstag Deutschland wach halten – oder gar aufwecken? – sollte. Das Potential hierzu war jedenfalls in den vergangenen Monaten in Person des Kandidaten Trump medial aufbereitet worden. Der zur passenden Zeit eingetretene Schwächeanfall der Kandidatin Clinton gab dem „Duell“ den notwendigen Schuss Horror hinzu.

Das „Duell“ der Präsidentschaftskandidaten ist nur eines der Showelemente, die für die politische Kultur in den USA kennzeichnend sind – angefangen bei den Primaries und Caucuses, die abhängig vom jeweiligen Bundesstaat unterschiedliche Verfahren kennen und mit den als Volksfeste ausgestalteten Nominierungsparteitagen der Parteien enden, bis hin zu den als Formsache abzuwickelnden Abstimmungen der Wahlmänner. Das alles darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die amerikanische Politik als Machtfaktor für das Weltgeschehen weit reichende Folgen hat, die sehr leicht zur Frage über Krieg oder Frieden führen können, wie der „Krieg gegen den Terror“ gelehrt hat. Es ist jedoch eine andere Frage, welchen Einfluss dabei der jeweilige Präsident hat. Ein Blick auf die politische Bilanz des noch amtierenden Präsidenten macht deutlich, dass neben dem menschlich gewordenen Papst auch der amerikanische Präsident auf menschliches Maß geschrumpft ist. Das völkerrechtswidrige Gefangenenlager Guantanamo existiert entgegen seinem Wahlversprechen immer noch, schärfere Waffengesetze ließen sich trotz ständig wiederholter Erinnerung durch zivile Gewaltakte nicht durchsetzen, das Einwanderungsrecht wurde nicht gerechter und die Verstrickung der USA in militärische Auslandseinsätze ist nicht geringer geworden, wohl aber mit Hilfe von Drohnen weitreichender und beängstigender. Statt eine Deeskalation zu bewirken, ist an der unsichtbaren Front der Geheimdienste ein neues Bedrohungspotential entstanden, das weltweite Auswirkungen hat und auch die eigene Bevölkerung der USA nicht verschont. Dieses Versagen ist nicht allein Obama persönlich zuzurechnen, es macht aber deutlich, wie kompliziert die politischen Verhältnisse in den USA sind und wie zerstritten die politischen Lager der einzig verbliebenen Weltmacht sind.

Die unerledigt gebliebenen Fragen der amerikanischen Politik sind nicht aus dem freien Entschluss des Präsidenten auf die Tagesordnung gesetzt worden, wie bereits angedeutet sind es Mahnungen an die Politik, die täglich über die Medien als Reality-Stories von Amokläufen, Rassenunruhen, Polizeigewalt, Terroranschlägen, Feuersbrünsten und anderen extremen Wetterereignissen dringenden Handlungsbedarf anmelden. Aus diesen Problemen – die nur einige der Probleme anreißen – wird sich das Anforderungsprofil für den neuen Präsidenten bzw. die neue Präsidentin ergeben müssen.

Über Fidelio

Ich bin 1949 geboren und war in meiner berufstätigen Zeit als Stadtplaner in einer mittelgroßen kommune tätig. Seit meiner Studienzeit habe ich mich für die Entwicklung eines erweiterten geistigen Horizonts interessiert und einige Anstrengungen unternommen, mich persönlich in diesem Sinne zu entwickeln. Aufgrund meiner katholischen Erziehung habe ich in den 1960-er Jahren begonnen, mich intensiver mit dem modernen Mystiker Teilhard de Chardin zu befassen und bin so zur Gedankenwelt von Ken Wilber gekommen, die ich in diesem Projekt nutzbar zu machen versuche.
Dieser Beitrag wurde unter Aktuelles abgelegt und mit , , , , , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar