Biden oder Trump – Ein integraler Chancenvergleich (I)

In Grafik 6 ist die Bevölkerungsentwicklung zwischen 2010 und 2020 dargestellt. Bei den Swing States sind ausschließlich Bevölkerungsgewinne abzulesen, die in Colorado, Texas und Florida mehr als 12% betrugen. Der Boom in Texas hält bis heute an und ist auf niedrige Lebenshaltungskosten, ein freundliches Lebensgefühl, viele aktive junge Menschen (Durchschnittsalter 35 Jahre) und kulturelle Vielfalt zurückzuführen. Niedrige Steuern, wachsendes Arbeitsplatzangebot und Bauboom führen insgesamt zu einem Wachstumsschub, der – wie in vielen Boomregionen – auch zu Problemen wie Gentrifizierung und sozialem Abstieg führt. Das Bevölkerungswachstum führt vor allem zu einer Vergrößerung des Anteils von Hispanics und stärkt gesellschaftspolitisch konservative Strömungen, die auch das Wahlergebnis beeinflussen können.

Wie Texas genießt auch Florida den Ruf eines sonnigen Staates, der in der Zeit der Pandemie ein liberales Immage aufgebaut hat und so für neue Arbeitsplätze, Bevölkerungswachstum und Bauboom sorgte. Der republikanische und ambitionierte Gouverneur DeSantis gilt als politischer Garant für ein gutes Leben ohne viel Geld. Dabei ist nicht zu übersehen, dass die privaten Investitionen auch durch Verlagerungen aus den Nordstaaten und besonders Kalifornien zurückzuführen sind. Da es in dem Bundesstaat keine bundesstaatliche Einkommensteuer gibt, ist der Staatshaushalt zu ca. 80% von den Umsatzsteuereinnahmen abhängig, die durch den Tourismus und private Investitionen aufgebracht werden.

Grafik 8 zeigt die Arbeitslosigkeit nach dem Stand des Jahres 2021. Hierzu ist grundsätzlich zu bemerken, dass die Arbeitslosigkeit der wichtigste Indikator für die wirtschaftliche Absicherung privater Haushalte ist. Der in der Grafik dargestellte Zeitraum fällt in die Zeit der Pandemie und ist deshalb für die aktuelle Situation nur von sehr eingeschränktem Interesse. Er kann eher als Hinweis auf die Belastbarkeit des amerikanischen Arbeitsmarkts in den Bundesstaaten dienen. So gesehen, stellt sich die Situation in den Swing States Iowa, Wisconsin, Georgia, Ohio und North Carolina vergleichsweise stabil dar. Dagegen sind für Maine, Michigan,Colorado und Texas hohe Arbeitslosenzahlen zu sehen. Die aktuelle Situation in den Swing States kommt in einem Pressebericht der ZEIT zum Ausdruck: „Laut einer aktuellen Umfrage des Wall Street Journals liegt der Amtsinhaber in sechs von sieben der wichtigen Swing-States hinter seinem Rivalen Trump. Wer die Wahl im November gewinnen will, muss jedoch in diesen Bundesstaaten – Arizona, Georgia, Michigan, North Carolina, Nevada, Pennsylvania und Wisconsin – die Wählerinnen überzeugen. Vor allem beim Thema Wirtschaft trauen die Swing-State-Wähler Donald Trump mehr Kompetenz zu als Joe Biden, und zwar mit einem Abstand von 20 Prozentpunkten: 54 Prozent für Trump gegen 34 Prozent für Biden. Während die Befragten dem Zustand der US-Wirtschaft insgesamt schlechte Noten gaben, bewerteten sie die lokale Wirtschaft in ihrem Heimatstaat mehrheitlich weit besser.“ Von den hier genannten 6 Staaten weisen Georgia, Wisconsin, North Carolina und Teile von Arizona relativ stabile Arbeitsmärkte auf (s. o.), so dass es schwer sein wird, hier wesentliche Verbesserungen nachzuweisen. Allerdings ist zu betonen, dass die Arbeitslosenzahlen nichts über die Einkommenssituation aussagt. Gerade hierauf sollte sich das Augenmerk der Wahlkämpfer konzentrieren.

Als weiteres Kriterium für das Lebensgefühl in den USA ist die Lebenserwartung in Grafik 9 dargestellt. Sie kann nur im Zusammenhang mit Kriterien wie Einkommen, Arbeitsmöglichkeiten, Bildung und Gesundheit ein schlüssiges Bild über die Lebensqualität ergeben. Dennoch wird der Lebenserwartung allgemein hohe Aufmerksamkeit gewidmet, weil sie unbewusst am unvermeidbaren Ereignis des Todes gemessen wird. Im Jahr 2022 – einem Jahr erhöhter Sensibilität für den Tod, wegen der Pandemie – ließ deshalb eine Pressemeldung aufhorchen, in der es hieß, die Lebenserwartung sei in den USA so stark gesunken, wie in 100 Jahren zuvor nicht – statt 79 Jahren im Jahr 2019 betrage sie im Jahr 2021 nur noch 76 Jahre. Dabei kann die Corona-Pandemie nur die Hälfte dieses Rückgangs erklären, der Rest liegt laut den CDC-Experten an Drogenkonsum, Herz- und chronischen Nierenerkrankungen sowie Suiziden.
Besonders drastisch stellt sich der Rückgang bei den Indigenen dar. Hier betrug der Rückgang für den gleichen Zeitraum 6 Jahre.  Einzig asiatischstämmige Menschen in den USA erreichten mit durchschnittlich 83,5 Jahren nahezu dasselbe Alter wie vor der Pandemie. Mit einer um einen Monat gestiegenen durchschnittlichen Lebensdauer sind
asiatischstämmige Männer damit die einzige Gruppe, deren Lebenserwartung
nach einem Rückgang im ersten Pandemiejahr 2021 leicht angestiegen ist.

Im Vergleich der Swing States sind einige Unterschiede festzustellen, die Ohio und Georgia mit der zweit niedrigsten Lebenserwartung zwischen 75,0 J. und 75,9 J. ausweisen, gefolgt von Arizona, Texas, Michigan, Pennsylvania und North Carolina mit 76,0 J. bis 76,9 J, Florida, Maine und Iowa in der Kategorie von 77,0 J bis 77,9 J. und Colorado mit der längsten Lebenserwartung von 78,0 bis 78,9 J.. Es handelt sich jeweils um durchschnittliche Werte aus männlichen und weiblichen Einwohnern, die im Jahr 2020 geboren wurden. Es zeigt sich, dass die Lebensbedingungen nach Abstammung und Bundesstaat eine große Spreizung und entsprechend große Bedeutung für politische Programme haben, die in Wahlkämpfen eine Rolle spielen.

Wird fortgesetzt!

Über Fidelio

Ich bin 1949 geboren und war in meiner berufstätigen Zeit als Stadtplaner in einer mittelgroßen kommune tätig. Seit meiner Studienzeit habe ich mich für die Entwicklung eines erweiterten geistigen Horizonts interessiert und einige Anstrengungen unternommen, mich persönlich in diesem Sinne zu entwickeln. Aufgrund meiner katholischen Erziehung habe ich in den 1960-er Jahren begonnen, mich intensiver mit dem modernen Mystiker Teilhard de Chardin zu befassen und bin so zur Gedankenwelt von Ken Wilber gekommen, die ich in diesem Projekt nutzbar zu machen versuche.
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