Deutschland und die Ukraine in der Entwicklungsspirale am 03.11.2022

An dieser Stelle werde ich – soweit es mir möglich ist – täglich die Entwicklung der Wertewelten und der Quadranten der Integralen Theorie in Deutschland und der Ukraine veröffentlichen. Zu diesem Schritt habe ich mich aufgrund der sprunghaften Entwicklungen der letzten Jahre und Monate entschlossen, da sich die Bilder der Grafiken in diesem Zeitraum drastisch verändert haben und nach zeitnahen Erklärungen verlangen. Die Verknüpfung mit der Ukraine ermöglicht darüber hinaus Rückschlüsse auf Zusammenhänge zwischen deutscher Außenpolitik und Ukrainekrieg. Die Integrale Theorie kann so wertvolle Beiträge zur Meinungsbildung leisten. Ein Sinn hierfür ergibt sich allerdings erst, wenn sich möglichst viele Menschen hierzu Gedanken machen und ihr Handeln hieran orientieren.

Die Darstellung der Quadranten erfolgt – abweichend von der bisher überwiegenden Darstellung als Quadrantenbild als Säulengrafik und in Prozenten. Diese Änderung erfolgt aus Vereinfachungsgründen um eine tägliche Erhebung vom Aufwand her möglich zu machen. Eine Angleichung an die Quadrantendarstellung erhält man, wenn die Prozentwerte jeweils in 5%-Intervalle zerlegt werden.

Die beiden Grafiken werden durch ein Tageszitat aus dem Bereich der Integralen Theorie ergänzt. Dabei wird der jeweilige Bezug zwischen Grafik und Zitat durch ein gelb hinterlegtes Stichwort markiert, um so einen Hinweis auf die Schwerpunkte der Entwicklung zu geben.

Hinweise:  Zum Lesen der Grafiken bitte mit einem Klick vergrößern!

Eugene Delacroix: Die Freiheit führt das Volk

Obwohl sich Delacroix während des Juli-Aufstands in Paris aufhält, hat er laut Augenzeugenberichten daran nicht aktiv teilgenommen. Er schreibt an seinen Bruder: ,Habe ich auch nicht für das Vaterland gelebt, so will ich wenigstens dafür malen!“ Nun schauen uns unter dem modischen Seidenzylinder des bürgerlichen Barrikadenkämpfers die Augen des 32-jährigen Malers an. Er hat sich auf dem Bilde so dargestellt, wie ihn der Schriftsteller Théophile Gautier (1811 bis 1872) beschreibt: »Sein blasser Teint. sein volles schwarzes Haar, … seine Augen, die den Ausdruck einer Wildkatze hatten, darüber die dichten Brauen … all das ergab eine Physiognomie von sonderbar exotischer, wilder und fast verwirrender Schönheit; man hätte ihn für einen indischen Maharadschah halten können …« Wie ein Prinz habe er ausgesehen, heißt es immer wieder….

Alexandre Dumas der Ältere (t802 bis 187o) erzählt, der Maler sei anfangs von den Unruhen nicht sonderlich begeistert gewesen, sein Enthusiasmus sei erst ausgebrochen, als er auf den Türmen von Notre Dame die Trikolore flattern sah. Für diese Fahne war ein älterer Bruder von Delacroix unter Napoleon auf dern Schlachtfeld von Friedland gefallen. Sein anderer älterer Bruder hatte damals als General gedient. Die zurückgekehrten Bourbonen haben ihn entlassen und auf Halbsold gesetzt: Er trauert, wie so viele abgemusterte Soldaten Napoleons, den entschwundenen »großen« Zeiten nach….
Mit den alten Haudegen trauert die junge Generation, zu der auch Delacroix gehört. die Generation der 20-, 30-Jährigen, »gezeugt zwischen zwei Schlachten, unter Trommelwirbeln in den Schulen erzogen«, wie der Dichter Alfred de Musset schreibt. Es sind die unzufriedenen »enfants du siècle. Ihre ganze Kindheit hörten und träumten sie von Heldentaten und »Grandeur« (Übers.: Größe) und fühlen sich jetzt, da im Zeitalter der Restauration die Bürger und Bankiers das Sagen haben, um alles betrogen.

In den Jahren vor dem Juli-Aufstand versucht diese frustrierte Jugend, die ihr entgangenen Schlachten wenigstens auf geistiger oder künstlerischer Ebene zu schlagen, sie flüchtet vor der ungeliebten Realität in möglichst ferne, exotische Länder oder in eine heldenhafte Vergangenheit. Sie nimmt teil an der romantischen Bewegung, die seit Anfang des Jahrhunderts in ganz Europa die Regeln, Autoritäten und Traditionen über den Haufen wirft. »Alle Macht der Fantasie« (Versprechen des exzentrischen Rot) verlangen die jungen Romantiker, sie verhöhnen ihre Feinde, die »Krämerseelen«, und verprügeln sie gelegentlich auch: Am 25.Januar 1830 schlagen sie ihre erste große Schlacht – im Theater. Bei der Première von »Hernani«, einem abenteuerlichen Drama von Victor Hugo (1802 bis 1885). Mit Fäusten und Stöcken gehen sie und die Anhänger der klassischen Schule aufeinander los. Auch die Maler nehmen an der Saalschlacht teil, seit dem Salon von 1827 stellen auch sie mit Vorliebe dramatische oder exotische wilde Szenen dar, mit viel Sinn für pathetische Geste. Delacroix zeigt den »Untergang des Herrschers Sardanapal« oder »Griechenland trauernd auf den Ruinen von Missolonghi«.

Freiheit fordern die romantischen Künstler, Freiheit in der Kunst, im täglichen Leben und auch in der Politik. Trotzdem steigen am 28. Juli 1830 nur wenige selbst auf die Barrikaden.

Zitat aus: Rainer & Rose-Marie Hagen: Bildbefragungen. 100 Meisterwerke im Detail, Verlag Taschen

Ikone: Triumph der Orthodoxie, Britisches Museum

Diese Ikone ist ein Bild von der Verwendung eines Bildes, und sie feiert die zentrale Rolle, die Ikonen in der orthodoxen Kirche spielen.
Diarmaid MacCulloch, Professor für Kirchengeschichte an der Universität Oxford, beschreibt die Funktion von Ikonen so:
«Die Ikone ist wie eine Brille, die man aufsetzt, um den Himmel zu sehen. Durch dieses Bild wird man in den Himmel hineingezogen, weil orthodoxe Christen fest daran glauben, dass jeder Mensch dem dreieinigen Gott begegnen kann, dass wir fast gottgleich werden können. Es ist dieses außerordentliche, beängstigende Bekenntnis, vor dem die westliche Christenheit zurückschreckt.»

Die Ikonenmalerei war weniger eine künstlerische als eine religiöse Tätigkeit, und sie war strengen Richtlinien (beständiges und dominierendes Blau) unterworfen. Der Künstler selbst spielt keine Rolle: Entscheidend sind Motivation und Technik. Dieser Aspekt der Ikonenmalerei fasziniert den US-amerikanischen Künstler Bill Viola, der aus einem mittelalterlichen Schriftstück zitiert:

«Dies ist ein kurzer Text aus dem Mittelalter mit dem Titel Richtlinien für den Ikonenmaler. Erstens: Bevor du mit der Arbeit beginnst, bekreuzige dich, bete in Stille und vergib deinen Feinden. Zweitens: Arbeite sorgfältig an jedem kleinen Detail deiner Ikone, als würdest du vor dem Angesicht deines Herrn selbst arbeiten. Drittens: Bete während der Arbeit, damit … Neuntens: vergiss nie, welche Freude es ist, Ikonen in der Welt zu verbreiten, welche Freude, Ikonen zu malen, welche Freude, dem Heiligen Gelegenheit zu geben, durch seine Ikone zu leuchten, welche Freude, mit einem Heiligen vereint zu sein, dessen Gesicht du malst.»

Zitat aus: MacGregor, Neil. Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten (German Edition) . C.H.Beck. Kindle-Version.

Über Fidelio

Ich bin 1949 geboren und war in meiner berufstätigen Zeit als Stadtplaner in einer mittelgroßen kommune tätig. Seit meiner Studienzeit habe ich mich für die Entwicklung eines erweiterten geistigen Horizonts interessiert und einige Anstrengungen unternommen, mich persönlich in diesem Sinne zu entwickeln. Aufgrund meiner katholischen Erziehung habe ich in den 1960-er Jahren begonnen, mich intensiver mit dem modernen Mystiker Teilhard de Chardin zu befassen und bin so zur Gedankenwelt von Ken Wilber gekommen, die ich in diesem Projekt nutzbar zu machen versuche.
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