USA vor den Midterms 2022 – Eine integrale Positionsbestimmung

Mit Spannung werden die am 08.11.2022 anstehenden Wahlen zu den Parlamenten in den USA auch in Deutschland erwartet. Hierin zeigt sich neben wirtschaftlichen und persönlichen Interessen der Grad der Westintegration der deutschen Politik, der im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine eine besondere Bedeutung zukommt. Als Atommacht und Gewährsträger für die Sicherheitspolitik Europas ist die zugespitzte Polarisierung der politischen Lager in den USA neben der Verunsicherung durch die russischen Drohungen gegenüber dem Westen ein zusätzlicher Anlass zur Verunsicherung der europäischen Staaten. Äußerungen des US-Verteidigungsministers zu den Zielen des US-Engagements im Ukrainekrieg, die einen Sieg des Westens über Russland und somit auch eine Demütigung des russischen Volks zum Ziel zu haben scheinen, haben insbesondere in Deutschland vorhandene Kriegsängste bis hin zur Angst vor einem Atomkrieg gefördert.

Eine wichtige Erfahrung des 20. Jahrhunderts ist der Zusammenhang zwischen innenpolitischen Konflikten und Kriegen. Diese Erfahrung musste Deutschland wie kaum ein anderes Land im unmittelbaren Erleben machen. Als Vormacht des Westens kommt den USA gerade im Hinblick auf die Werte, für die westliche Politik steht und für die auch in der Ukraine gekämpft wird, eine hohe Verantwortung für die Glaubwürdigkeit dieser Politik – und damit auch europäischer Verteidigungspolitik – zu.  Die Erfahrungen mit der Politik des von der Republikanischen Partei in das Amt als amerikanischer Präsident geförderten Vorgängers des derzeitigen Präsidenten Joe Biden haben in Europa große Zweifel an der außenpolitischen Kontinuität der amerikanischen Außen- und Innenpolitik aufkommen lassen, so dass einer Rückkehr des abgewählten Präsidenten Trump in Europa mit Sorge entgegen zu sehen ist.

In diesem Beitrag unternehme ich den Versuch, mit den Möglichkeiten des Internets einen Überblick über die Werthaltungen der beiden konkurrierenden politischen Lager in den USA zu gewinnen. Hierzu werde ich die Position der USA in der Noosphäre in zwei Dimensionen grafisch abbilden, zunächst als Erfassung der Werthaltungen im System der Spiral Dynamics , dann die Erhebung des Terrains, wie es sich aus der Sprachsymbolik ergibt.

Grafik 1

In der nebenstehenden Grafik sind die Wertewelten der beiden Parteien und ihrer Vormänner in der Ordnung der Spiral Dynamics dargestellt. Die dargestellten Farben sind in dieser Methodik selbsterklärend und nicht symbolisch zu verstehen. Die Datenerhebung erfolgte mit Hilfe der Suchmaschine Google. Zu dem Ergebnis des amtierenden Präsidenten Joe Biden ist zu bemerken, dass es sich um ein fehlerhaftes Ergebnis der Suchmaschine handeln könnte. Allerdings ergeben sich trotz der extremen Unterschiede der WMeme strukturell Erklärungen, die auf einen realen Zusammenhang hindeuten. Deshalb werde ich auf das Ergebnis eingehen, als sei es nicht fehlerhaft.

In Grafik 1 sind die Wertewelten der beiden großen Parteien und ihrer Vormänner nebeneinander gestellt. Allgemein lässt sich feststellen, dass die Grundstrukturen der beiden Parteien sehr ähnlich sind. Das bezieht sich auf die aktiven WMeme und die beiden dominanten WMeme Orange und Blau. Hierbei ist Orange gegenüber Blau etwas stärker, insbesondere bei den Demokraten. Die deutlich schwächeren WMeme Grün und Gelb stellen die Hauptunterschiede der beiden Parteien dar. Bei den Demokraten ist Grün wesentlich stärker ausgeprägt als bei den Republikanern. Umgekehrt ist es bei den Republikanern hinsichtlich Gelb, das hier nicht nur deutlich stärker ausgeprägt ist, als bei den Demokraten, sondern auch nahezu gleichstark mit Grün erscheint. Das ebenfalls in Erscheinung tretende WMem Rot (Gewalt) spielt bei beiden Parteien – entgegen dem durch die Medien verbreiteten Bild – nur eine geringe Rolle.

Insgesamt bieten die Parteien in diesem Bild gleichwertige Voraussetzungen für eine funktionierende Entwicklungsspirale, wobei die Republikaner mit Gelb über mehr Potential für die Herrstellung einer der Wirklichkeit angemessenen Ordnung der WMeme verfügen.

Im Vergleich der Vormänner Biden und Trump fallen die Unterschiede untereinander und zu ihren jeweiligen Parteien sofort ins Auge. Die Unterschiede sind so stark, dass ein differenzierter Vergleich von vornherein unmöglich erscheint und an dieser Stelle auch nicht erfolgt. Statt dessen berechtigt der Gesamteindruck der vier Profile zu dem Urteil, dass die USA nach diesem Bild über zwei große Parteien mit funktionsfähigen administrativen und regionalpolitischen Apparaten verfügen und zwei Vormännern dieser Parteien, die sich von diesen Parteien losgelöst haben und das Land zentralistisch führen bzw. führen wollen. Dabei ist der amtierende Präsident stark in die blauen Ordnungsstrukturen (Sicherheitsapparat, Milität, Finanzverwaltung) eingebunden und verfügt über ein relativ großes Potential an systemisch wirksamen Gelb.  Demgegenüber agiert sein Vorgänger auf dem Feld von Orange und spricht die wirtschaftlichen Potentiale an, die er auch selbst durch seine wirtschaftlichen Aktivitäten repräsentiert. Dieses Bild wird abgerundet durch relativ starkes Grün, dass als Bindeglied zum Wahlvolk in exklusiven – aber heterogenen – Interessengruppen einen Eindruck von Volksnähe vermittelt.

Besonders zu erwähnen ist, dass sich die anlässlich der Präsidentenwahl gezeigte Gewalt in den WMem-Strukturen nicht widerspiegelt, so dass nicht von einem allgemeinen Gewaltklima auszugehen ist.

Grafik 2

Wegen des erwähnten Zweifels an der Glaubwürdigkeit des Suchmaschinen-Ergebnisses habe ich zusätzlich eine Auswertung des Archivs der New York Times vorgenommen. Das Ergebnis ist in der nebenstehenden Grafik 2 abzulesen.

Die Strukturen der beiden großen Parteien werden durch das Bild der Grafik 2 bestätigt. Allerdings zeigen sich hier wesentlich stärkere Anteile von Rot und sehr starke Anteile von Beige. Diese Abweichungen von Grafik 1 können als Hinweise darauf gelesen werden, dass in beiden großen Parteien unreflektierte Eindrücke von der Realität des Landes bestehen und Zweifel an einer demokratischen Repräsentanz weiter Bevölkerungsteile aufkommen lassen. Dieser Eindruck wird durch Äußerungen von „Normalbürgern“ untermauert, die eine solche Ignoranz unter Hinweis darauf zu rechtfertigen suchen, dass in der Verfassung der USA keine Rede von einer Demokratie sei, sondern von einer repräsentativen Republik.

Besonders bemerkenswert ist die große Diskrepanz zwischen dem von der New York Times vermittelten Wertebild der Vormänner und dem im Internet erzeugten Bild der Leitfiguren. Hieraus ist die große Kluft zwischen veröffentlichter Meinungs-Berichterstattung zu den Leitfiguren des Politikbetriebs und der öffentlichen Meinung, wie sie sich in sozialen Netzwerken abbildet, zu erkennen.

In Grafik 3 sind die Quadranten nach der Integralen Theorie von Ken Wilber abgebildet. Dieser Grafik liegen ebenfalls die Daten des Archivs der New York Times zugrunde. Leider ist dieses Archiv die einzige verwertbare Quelle dieser Untersuchung, da verschiedene Suchmaschinen keine vertrauenswürdige Ergebnisse lieferten.

Die Quadranten geben einen Überblick über die menschlichen Aktivitäten auf allen Feldern menschlichen Lebens – insbesondere auch im geistig-psychischen Bereich (Ich = blaue Säule), im kulturellen Bereich (Wir = rote Säule) und im objektivierbaren Bereich der sicht- und erfassbaren Welt (Es = gelbe Säule). Es zeigen sich kaum nennenswerte Unterschiede – weder bei den Parteien, noch bei den Vormännern. Auch hier gilt der Vorbehalt, dass dieses Ergebnis die veröffentlichte Sicht einer – wenn auch renommierten und mit hohem Anspruch arbeitenden – Zeitung darstellt. Es kann jedoch im Vergleich mit anderen Ergebnissen in diesem Projekt

Grafik 4

angenommen werden, dass dieses Ergebnis in etwa der Struktur der USA entspricht (siehe Grafik 4). In das Format von Grafik 4 gebracht ergeben sich für die Quadranten folgende Werte: oben links = 1; unten links = 1; rechts = -2. Diese Kennzahlen liegen im Vergleich mit dem Ergebnis von 2017 für die USA noch näher an einer theoretischen Gleichverteilung der Aktivitäten in den Quadranten und bestätigen die Möglichkeit eines systemimmanenten Filters in der Pressedarstellung, wie oben angedeutet.

 

 

Über Fidelio

Ich bin 1949 geboren und war in meiner berufstätigen Zeit als Stadtplaner in einer mittelgroßen kommune tätig. Seit meiner Studienzeit habe ich mich für die Entwicklung eines erweiterten geistigen Horizonts interessiert und einige Anstrengungen unternommen, mich persönlich in diesem Sinne zu entwickeln. Aufgrund meiner katholischen Erziehung habe ich in den 1960-er Jahren begonnen, mich intensiver mit dem modernen Mystiker Teilhard de Chardin zu befassen und bin so zur Gedankenwelt von Ken Wilber gekommen, die ich in diesem Projekt nutzbar zu machen versuche.
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