Deutschland und Ukraine in der Entwicklungsspirale am 17.10.2022

An dieser Stelle werde ich – soweit es mir möglich ist – täglich die Entwicklung der Wertewelten und der Quadranten der Integralen Theorie in Deutschland und der Ukraine veröffentlichen. Zu diesem Schritt habe ich mich aufgrund der sprunghaften Entwicklungen der letzten Jahre und Monate entschlossen, da sich die Bilder der Grafiken in diesem Zeitraum drastisch verändert haben und nach zeitnahen Erklärungen verlangen. Die Verknüpfung mit der Ukraine ermöglicht darüber hinaus Rückschlüsse auf Zusammenhänge zwischen deutscher Außenpolitik und Ukrainekrieg. Die Integrale Theorie kann so wertvolle Beiträge zur Meinungsbildung leisten. Ein Sinn hierfür ergibt sich allerdings erst, wenn sich möglichst viele Menschen hierzu Gedanken machen und ihr Handeln hieran orientieren.

Die Darstellung der Quadranten erfolgt – abweichend von der bisher überwiegenden Darstellung als Quadrantenbild als Säulengrafik und in Prozenten. Diese Änderung erfolgt aus Vereinfachungsgründen um eine tägliche Erhebung vom Aufwand her möglich zu machen. Eine Angleichung an die Quadrantendarstellung erhält man, wenn die Prozentwerte jeweils in 5%-Intervalle zerlegt werden.

Die beiden Grafiken werden durch ein Tageszitat aus dem Bereich der Integralen Theorie ergänzt. Dabei wird der jeweilige Bezug zwischen Grafik und Zitat durch ein gelb hinterlegtes Stichwort markiert, um so einen Hinweis auf die Schwerpunkte der Entwicklung zu geben.

Hinweise:  Zum Lesen der Grafiken bitte mit einem Klick vergrößern!

Die meisten Leute kümmern sich in Wirklichkeit nicht darum, was mit ihren Mitmenschen geschieht“ – dieser Aussage stimmen fast zwei Drittel der Deutschen zu. Das zeigen aktuelle Daten der „Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften„. Und etwa die Hälfte der Befragten sagt: „In unserer Gesellschaft muss jeder für sich schauen, dass er auf einen grünen Zweig kommt. Es hilft nicht viel, sich mit anderen zusammenzuschließen, um politisch oder gewerkschaftlich für seine Sache zu kämpfen.“ So weit, so egoistisch.

Ganz anders sieht die Sache aus, wenn man die Menschen nach ihrem eigenen Verhalten fragt: Dann erscheint Deutschland als Land des Gemeinsinns. Als etwa die Universität Bielefeld während der Corona-Pandemie 3000 Menschen nach ihrer Hilfsbereitschaft befragte, erklärten mehr als 90 Prozent, sie wären bereit, für ihre Nachbarn Einkäufe zu erledigen, mehr als 80 Prozent wollten mit ihnen Vorräte oder Medikamente teilen. In einer anderen Studie 2015 in Berlin gaben 67,7 Prozent an, sie würden ihren Mitmenschen bei einer Sturmkatastrophe zu Hilfe eilen, bei einem hypothetischen Großbrand waren es sogar 83,6 Prozent.

Natürlich weiß man nicht, ob diese Menschen einander wirklich geholfen hätten. Auffällig aber ist die Diskrepanz zwischen Eigen- und Fremdbild, die in Studien immer wieder zutage tritt. Sie zeigte sich auch 2019 in der „Vermächtnis-Studie“ von ZEIT, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und infas-Institut, die nach dem gesellschaftlichen Zusammenhalt fragte. Fast 80 Prozent der Befragten erklärten, für sie persönlich sei ein Wir-Gefühl „sehr wichtig“. Dass dies auch für ihre Mitmenschen gelte, glaubten nur knapp 25 Prozent. Die Soziologen Jutta Allmendinger und Jan Wetzel vom WZB kommentierten: Deutschland sehe sich selbst „als Land der Ichlinge„, dabei sei es in Wahrheit“ ein Land des Wir„.

Zitat aus: DIE ZEIT 2022 Nr. 39 „Wenn es drauf ankommt“ v. Ulrich Schnabel

Grün erwacht, wenn das blaue und das orange WMem dem Ende ihres Lebenszyklus entgegengehen. Diese nehmen den Geist in Glaubenssystemen gefangen, die oft rigide, intolerant und voller dogmatischer Ideologie sind. Peter Segers alter Song Little Boxes („und sie alle sind aus Allerweltsstoff und sie alle sind sich gleich“) greift den blauen Absolutismus mit der grünen Ablehnung felsenfester Grenzen und Reglementierungen an, die dieser Geist einer Post-Autonomie-Zeit so erstickend findet. Obwohl dieses WMem eine Ausprägung der gemeinschaftlichen /kollektiven WMem-Gruppe [Anm.: Grün] ist, sind die Schachteln jetzt sehr viel elastischer; Regeln sind unscharf und die Wände mit Rosen bedeckt. Ihre Dornen stechen nur diejenigen, die die grünen Kommunikationsprüfungen nicht bestehen, indem sie zu viel Unabhängigkeit an den Tag legen und aus der Nische herauszuklettern versuchen, die ihnen die Gruppe zugewiesen hat.

Wenn Orange schwächer wird, beginnen sich viele „Erfolgreiche“ wie Miss Patty Page in ihrem Song zu fragen: „Ist das alles?“ Schicke Häuser, teure Autos und materieller Überfluss können erreicht sein, allerdings zu einem erheblichen Preis. Wenn das grüne WMem stärker leuchtet, erhellt es die Tatsache, dass unter den Menschen immer noch keine Gleichwertigkeit besteht. Viele haben mehr, als sie wirklich brauchen, während sehr viele mehr gar nichts haben. Die Umweltverschmutzung ist ebenfalls beunruhigend – die Erde scheint sich zum Schlechteren hin entwickelt zu haben, und Überreste des mechanischen/chemischen Zeitalters durchdringen alles. Das entzweiende Konkurrenzdenken lässt uns nur schwer unseren Seelenfrieden finden.

Wer „es geschafft hat“, den Höhepunkt von Orange zu überschreiten, fühlt sich oft nicht wirklich von anderen angenommen (was ihm im ORANGEN/grünen Bereich etwas auszumachen beginnt); man kehrt möglicherweise abends zum heimischen Schlafplatz zurück, nachdem der Verdrängungswettbewerb ein paar Köpfe zu viel gekostet hat, deren Geist sich nicht mehr verscheuchen lässt; und manipulative Strategien, mit denen man sich einst so wohl gefühlt hat, werden nun von Gewissensbissen begleitet. Die Kinder fühlen sich zu Hause nicht zu Hause. Der Rest, der „es nicht geschafft hat“, beginnt die grundlegende Ungleichheit in der vertikalen Hierarchie zu erkennen, und will sie ausgeglichen sehen, so dass alle genug haben. Die meisten haben Karl Marx gelesen oder kennen jemanden, der es getan hat. Das WMem schafft das Interesse an einer Gesetzgebung zum Wohle der Gemeinschaft und zur Unterstützung der Unterdrückten und Hilflosen – „opfere jetzt, um dafür jetzt für dich selbst und andere etwas zu erhalten“.

Zitat aus: Beck, Don Edward; Cowan, Christopher C.. Spiral Dynamics: Leadership, Werte und Wandel (German Edition) . J. Kamphausen Verlag. Kindle-Version.

Über Fidelio

Ich bin 1949 geboren und war in meiner berufstätigen Zeit als Stadtplaner in einer mittelgroßen kommune tätig. Seit meiner Studienzeit habe ich mich für die Entwicklung eines erweiterten geistigen Horizonts interessiert und einige Anstrengungen unternommen, mich persönlich in diesem Sinne zu entwickeln. Aufgrund meiner katholischen Erziehung habe ich in den 1960-er Jahren begonnen, mich intensiver mit dem modernen Mystiker Teilhard de Chardin zu befassen und bin so zur Gedankenwelt von Ken Wilber gekommen, die ich in diesem Projekt nutzbar zu machen versuche.
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