Themen der Zeit, deutsch betrachtet

Gesundheitspolitik als politischer Quotenbringer

Während die Medien in den letzten Wochen vermehrt auf ein baldiges Ende der großen Koalition in Berlin spekulieren, bringt diese Themen in die öffentliche Diskussion, die den Eindruck von politischer Schwäche Lügen strafen sollen. Zwei dieser Themen kommen aus dem Ministerium des CDU-Aufsteigers Jens Spahn und brachten auf Grund der bereits seit Jahrzehnten hierum geführten Meinungsstreitereien die Garantie mit, dass sie breites Echo erzeugen würden. Ohne aktuellen Handlungsdruck hat Spahn es geschafft, von den strittigen Vorhaben der Koalitionspartner im Gesundheitswesen wie Behebung des Pflegenotstandes, Neuregelung der Arzthonorare und Sicherstellung der medizinischen Versorgung in räumlicher und fachspezifischer Hinsicht abzulenken. Stattdessen diskutierte und diskutiert die Republik über die Widerspruchslösung zur Verbesserung der Bereitschaft zur Organspende und die geplante Impfpflicht für die Masernimpfung.

Die beiden genannten Themen aus dem Gesundheitsbereich lassen sich den Grundfragen des Lebens zuordnen und sind damit dem tagespolitischen Geschäft entzogen. Hier sind die Themen angesiedelt, zu denen sich oft „Sternstunden“ des Parlamentarismus ergeben, da sie nur geringes Potential für das „Durchregieren“ haben. Hier können Politiker ohne Interessenkonflikte Bürgernähe demonstrieren und menscheln – konkrete Entscheidungen sind in diesen Fragen meist anderen (Wirtschaft, Länder, Sozialsystem, Kommunen, Bürger) überlassen. Dennoch brennen gerade diese Fragen vielen Menschen auf den Nägeln, wie die Schülerbewegung „Fridays for Future“ und die gesamte Umweltproblematik zeigt.

Nachfolgend möchte ich die beiden genannten Gesundheitsthemen und einige weitere Grundthemen in ihrer Gesamtpotenz – unabhängig von ihrer politischen „Zerstückelung“ – innerhalb der Entwicklungsspirale darstellen. Nur so kann meiner Meinung nach ein Standpunkt erreicht werden, von dem aus die Kakophonie der vielen Aufmerksamkeit erheischenden Interessenträger gefiltert werden kann. Die Auswahl ist nicht willkürlich, sondern folgt meiner Einschätzung des Gewichts oder des Potentials, das sie für die größeren Zusammenhänge innerhalb der Entwicklungsspirale haben. Die im Beitragstitel genannte Bezugnahme auf „deutsch“ heißt keinesfalls, dass es sich um eine nationalistische eingefärbte Darstellung handelt. Vielmehr weist sie darauf hin, dass die dargestellten Ergebnisse auf einer Untersuchung der Zusammenhänge mit Hilfe der Sprache „Deutsch“ beruhen und sich hierdurch nicht scharf auf Deutschland eingrenzen lassen.

Organspende

Unter Organspende wird die Bereitstellung von natürlichen Ersatzorganen an lebensbedrohlich erkrankte Patienten verstanden, die in der Regel ohne kurzfristige Verpflanzung eines Ersatzorgans in naher Zukunft sterben würden. Die Ersatzorgane können in manchen Fällen von Lebendspendern stammen – z. B. bei paarig vorkommenden Organen wie den Nieren – oder von hirntoten Spendern, wie z. B. bei der Verpflanzung eines Herzens. Die Verwendung eines Spenderorgans ist in Deutschland nur mit Einwilligung des Spenders – unmittelbar oder über verbindliche schriftliche Willenserklärungen für den Fall des Todes oder der Entscheidungsunfähigkeit – möglich.

Durch die Veröffentlichung internationaler Vergleichszahlen zur Spendenbereitschaft in Deutschland wurde ein öffentlicher Handlungsdruck erzeugt, der sofort von den Koalitionsparteien in eine Gesetzesinitiative umgelenkt wurde. Im Zentrum der Diskussion stand die Frage nach den Gründen für die geringe Spendebereitschaft in Deutschland, die nach weit verbreiteter Meinung in der gesetzlich geregelten Zustimmungsnotwendigkeit des Spenders zu suchen ist. Diese sei in Ländern mit hohen Transplantationsraten, wie z. B. Spanien, durch Umkehr des diesbezüglichen Verfügungsrechts über den toten menschlichen Körper wesentlich größer. 

Daneben gab es jedoch einige andere Argumente, die sich auf die krankenhausinternen Abläufe des Prozederes und die damit zusammenhängenden Kosten beziehen, sowie auf Manipulationen in der Vergabe von Spenderorganen durch Klinikärzte in der näheren Vergangenheit, so dass die geplanten Gesetzesänderungen zunächst auf die Behebung dieser Schwächen im Transplantationssystem zielten und zu einem schnellen Abschluss des Gesetzesverfahrens führten. Die Einführung der Widerspruchslösung wurde auf den Herbst 2019 vertagt.

Leben retten durch die Übertragung menschlicher Organe, das ist etwas sehr Neues in der
Menschheitsgeschichte. Große Aufmerksamkeit  wurde daher 1967 dem südafrikanischen Azt Dr. Christiaan Barnard zuteil, dem mit seinem Team erstmals eine Herztransplantation gelang. Die Einstellung der Menschen diesem Thema gegenüber ist wegen des jahrhundertelangen Einflusses der Religionen und der kaum vorhandenen kulturellen Einübungen anderer Einstellungen hierzu sehr vielschichtig. Andererseits sind die Einstellungen der Religionsgemeinschaften und humanistischen Weltanschauungen zur politisch diekutierten Widerspruchsregelung eher ablehnend, ohne jedoch die Organspende aus freiem Entschluss abzulehnen.

Im Gesamtsystem des Daseins werden von der Organspende vor allem  kulturelle Verflechtungen aktiviert. In etwas geringerem Maß auch individuell-psychische Reaktionen freigesetzt. Die von medizinischer und allgemein wissenschaftlicher Seite vorgetragenen Zweckmäßigkeitserwägungen (rechte Seite der Grafik) werden jedoch in dieser Gesamtschau nicht gespiegelt. Insgesamt zeigt sich ein Gesamtbild, das weitgehend der allgemeinen Lebenspraxis in Deutschland entspricht. Möglicherweise spielt für das Zustandekommen dieses Eindrucks die Tatsache eine Rolle, dass die Widerspruchslösung zunächst vertagt ist und durch andere politische Themen verdrängt wurde.

Ein Bild der hierarchischen Schichtung innerhalb des Gesamtsystems liefert die nebenstehende Übersicht über die durch das Thema Organspende aktivierten Wertesysteme.

Hier zeigen sich die in Orange repräsentierten individuellen, auf die Anwendung des technisch-wissenschaftlich Möglichen ausgerichteten, Interessen. Diese werden vor allem durch die kulturelle Einbindung und die Persönlichkeitsrechte des Individuums hervorgebracht. Diesen individuellen Interessen stehen die kollektiv getragenen Interessen aus Blau und – in geringerem Maß – aus Grün kontrollierend zur Seite. In Blau kommt die starke Reglementierung und das know how der Abwicklung des Transplantationsvorgangs zum Ausdruck, der hier gegenüber anderen Bereichen der deutschen Gesellschaft hoch ausfällt. Insbesondere steht er dem idealistisch sozial orientierten Grün gegenüber, wodurch eine mögliche Konfliktsituation angedeutet wird. Nicht zu übersehen sind die im Gesamtspektrum vorhandenen Energien in Rot und Gelb. In Rot kommt eine kritische Sicht auf die Organspende im Grundansatz zum Ausdruck, die als gewaltsamer Eingriff in die Totenruhe angesehen wird und auf den möglichen Konflikt zwischen und innerhalb medizinisch-fachlichen Interessen sowie privaten Interessen hinweist. Das relativ starke Gelb trägt dem hohen Anspruch an die systemische Vorgehensweise bei der Transplantation Rechnung, die nur durch prsönliche Qualifikation und Integrität gewährleistet werden kann. Gerade hieran mangelte es jedoch in Fällen der Manipulation von Dringlichkeitsfeststellungen, die das Vertrauen in das System beeinträchtigt haben.

Ein zusätzlicher Blick auf die Wertesysteme der zweiten Ordnung in der Entwicklungsspirale zeigt den Anteil spiritueller Energien an diesen Wertesystemen. Wie bereits ausgeführt, ist Gelb hier bereits als Voraussetzung für das Projekt anzusehen und lässt in einem naturwissenschaftlich geprägten Arbeitsfeld – wenn überhaupt – nur geringe spirituelle Entfaltungsmöglichkeiten erwarten.

Insgesamt ist festzustellen, dass im Themenspektrum Organspende hohes Potential für die Aktivierung unterschiedlicher Wertesysteme vorhanden ist, da es Fragen von Leben und Tod und damit der Existenz an sich berührt.  Es ist jedoch auch zu sehen, dass die Diskussion weitgehend durch politische Sichtweisen bestimmt ist, da die WMeme Beige und Purpur hier nicht beteiligt sind und auch spirituelle Einflüsse weitgehend fehlen.

Impfpflicht

Auch das Thema Impfpflicht ist – wie das vorhergehende Thema Organspende – ein Dauerthema der Gesundheitspolitik, für das es z. Zt. keinen aktuellen Auslöser gibt, wie es im Gegensatz dazu z. B. 2007/2008 bei der drohenden Pandemie der Vogelgrippe H5N1 der Fall war. Die in diesem Zusammenhang geführte Impfkampagne, die in der Bevölkerung mit Unverständnis aufgenommen wurde, ist müglicherweise ein zusätzlicher Grund für die verbreitete Skepsis gegenüber der Impfpflicht.

Im Quadrantenbild ist eine starke kulturelle Verankerung des Themas erkennbar. Es muss grundsätzlich unterschieden werden zwischen Impfverweigerern und Kritikern der Impfpflicht. Diese Unterscheidung ist für die Bewertung des nebenstehenden Quadrantenbildes entscheidend. Dem relativ starken Anteil kollektiver subjektiver Gesichtspunkte, wie sie in dem unteren linken Quadranten zum Ausdruck kommen, liegt die Bewertung der Impfpflicht im Verhältnis zur demokratisch-politischen Kultur zu Grunde. Daneben werden durchaus sachliche Argumente, die aus der rechten Seite des Quadrantenbildes kommen verstärkt wahrgenommen. Diese unterstützen jedoch nicht eindeutig die Impfpflicht, da sie der wissenschaftlichen Objektivität verpflichtet sind und auch medizinisch-fachliche Einwände gegen die Impfpflicht zur Kenntnis nehmen muss.

Die Interpretation des Quadrantenbildes erhellt sich weiter, wenn das beteiligte Wertespektrum hinzugezogen wird (siehe Grafik links). Hier ist die antidemokratische Richtung, die in der Impfpflicht zum Ausdruck kommt, als Schritt zurück in der Entwicklungsspirale in einem Blau zu sehen, das als stärkstes Wertesystem das Bild bestimmt und mit dem für individuelle Entfaltung und Demokratie stehenden Orange konkurriert. Entsprechend gering fällt der Anteil des sozial wirksamen Grün aus. Darüber hinaus wird auch hier ein gewaltsamer Eingriff des Staates in Persönlichkeitsrechte durch ein relativ starkes Rot sichtbar.

Auch dieses Thema ist offensichtlich politisch bestimmt und bietet spirituellen Einflüssen wenig Anteil. Dennoch ist in der nebenstehenden Grafik erkennbar, dass auf diesem niedrigen Niveau überwiegend spirituelle Einflüsse ausschlaggebend sind, die für die in Rot ausgedrückten Abwehrhaltungen mit verantwortlich gemacht werden können.

Über Fidelio

Ich bin 1949 geboren und war in meiner berufstätigen Zeit als Stadtplaner in einer mittelgroßen kommune tätig. Seit meiner Studienzeit habe ich mich für die Entwicklung eines erweiterten geistigen Horizonts interessiert und einige Anstrengungen unternommen, mich persönlich in diesem Sinne zu entwickeln. Aufgrund meiner katholischen Erziehung habe ich in den 1960-er Jahren begonnen, mich intensiver mit dem modernen Mystiker Teilhard de Chardin zu befassen und bin so zur Gedankenwelt von Ken Wilber gekommen, die ich in diesem Projekt nutzbar zu machen versuche.
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