Supermacht mit leeren Kassen
Zunächst ist festzuhalten, dass Donald Trump ein Global Player besonderer Art ist, der Widerstände gegen seine Entscheidungen in allen politischen Lagern hervorzurufen bereit und im Stande ist. Diese chaotisch zu nennende Haltung bewirkt jedoch andererseits auch einen Anschein großer Verbundenheit über alle denkbaren Grenzen hinweg. Hierin liegt der Zauber und die Kraft des Populismus, der sich nicht mit politischen Theorien, Konzepten oder Programmen auseinander setzen muss, sondern alle jene Probleme aufgreift, die von demokratisch verfassten Parteien nicht gelöst werden können oder auf Grund ihrer Programmatik nicht gelöst werden sollen. Das weist nicht nur auf Schwächen der beiden dominierenden Parteien hin, sondern auch auf Fehler im politischen System.
Ein Blick auf die Wertewelten von Donald Trump zeigt, dass er trotz vielseitiger und vielfältiger Proteste den Eindruck erzeugt, im Zentrum der großen Gemeinschaft amerikanischer Bürger zu stehen (WMem Grün). Vollzugsdefizite seiner politischen Agenda wie Mauerbau, Migrationsbekämpfung und klimabedingte Katastrophen werden durch Frontalangriffe auf nachgeordnete Behörden oder durch Auswechseln eigenen Personals auf andere Personen abgewälzt. Auf diese Weise erscheint Trump den Amerikanern nicht unbedingt als strahlender Erfolgsmensch (Orange) sondern eher als Katalysator für Diskussionsprozesse auf vermintem Boden. Solange in den Niederungen der Politik gekämpft wird und er selbst das Terrain bestimmen kann, wird seine Position gesichert bleiben. Im Ergebnis ist zu vermuten, dass sich realpolitisch nicht viel anderes ereignet hat und ereignen wird, als es ohnehin auf Grund der bereits seit langem bestehenden Pattsituation der politischen Lager in den USA eingetreten wäre bzw. würde. Durch Trump hat sich die Lage zugespitzt und beschleunigt, so dass die Positionen veränderbar werden. In Begriffen von Spiral Dynamics gesprochen macht sich der Einfluss von Rot geltend, der die Grenzen der Konventionen sprengt und zu gewaltigen Änderungen führt, die sonst vom Schleier der Zeit verdeckt bleiben.
Die Frage ist nun, ob der eingeschlagene Weg der USA zu einem guten Leben für die Amerikaner und darüber hinaus für die Weltgemeinschaft führt. Diese Frage kann hier nur in den groben Zügen beantwortet werden, wie sie die oben dargestellten Ergebnisse der Wertesysteme für Donald Trump und die USA zulassen. Grundsätzlich benötigt Politik fundierte Entscheidungs-grundlagen und -prozesse, wie sie in demokratischen Systemen üblich sind. Nur in Ausnahmesituationen und für kurze Zeitabschnitte kann hiervon abgewichen werden. Nach dem derzeitigen Zustandsbild der USA ist eine dauerhafte Aufrechthaltung eines überdimensionierten Grün bei schwachem Blau und Orange und relativ starkem Rot als bahnbrechender Antrieb zwischen den politischen Lagern auf längere Sicht nicht möglich, da der in Grün repräsentierte Zusammenhalt in der Gesellschaft und die Bewahrung der Lebensgrundlagen mit Einsatz von Ressourcen und menschlicher Kreativität erkauft werden muss. Der Vergleich mit anderen Ländern lässt darauf schließen, dass hier ein krasses Missverhältnis besteht.
Eine weitere Ableitung ist nach dem AQAL-Ansatz von Ken Wilber möglich. Dieser gibt Auskunft darüber, wie stark die Orientierungen an individuellen und kollektiven Phänomenen sind und andererseits, wie subjektiv (linke Quadranten) oder objektiv-positivistisch (rechte Quadranten) diese sind. Auch hieraus ist das Missverhältnis zwischen linken (grün dargestellten) Quadranten und rechten (rot dargestellten) Quadranten abzulesen. Die Wmeme Blau und Orange sind nicht synchron mit den beiden rechten Quadranten, jedoch lassen sie sich in der Summe mit der rechten Hälfte des Quadrantensystems vergleichen, da Blau als kollektives Wertesystem und Orange als individuelles Wertesystem wirksam ist.
Wie für die europäisch geprägte Kultur allgemein festzustellen ist, sind die Quadranten der linken Seite dagegen nur schwach wirksam, obwohl sie im alltäglichen Leben der Mehrzahl der Menschen eine dominierende Rolle spielen. Der hierin zum Ausdruck kommende Grundkonflikt des westlichen Fortschrittsdenkens hat bereits in der jüngeren Vergangenheit zu politischen Programmen geführt, die Hightech-Strategien wie Industrie 4.0 in Deutschland bevorzugen und um wissenschaftlich-technische Intelligenz auf dem weltweiten Arbeitsmarkt buhlen, sie laufen jedoch Gefahr, immer mehr Arbeitnehmer und Konsumenten auf den herstellungsnahen Märkten zurückzulassen und die politische Unzufriedenheit weiter anzuheizen.

Lobby des Woolworth Buildings in New York. Copyright: Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“
Die abstrakt abgeleitete Situation gewinnt an Substanz, wenn man das enorme Handelsbilanzdefizit der USA betrachtet, das seit 1990 rasant angewachsen ist und sich zwar seit 2006 abgeschwächt hat, aber dennoch seit 2009 auf etwas abgeschwächtem Niveau weiter besteht. Diese Handelssituation ist Ausdruck einer Industriepolitik, die traditionell – wie neuerdings in Deutschland – auf Spitzenforschung und Spitzentechnologie für den Weltmarkt ausgerichtet ist und Konsumgüter in großem Umfang in Billiglohnländern produzieren lässt. Damit entspricht das Land dem Anspruch als Führungsnation der Welt unter kapitalistischen Vorzeichen, wie er Anfang des 20. Jahrhunderts in Stahl, Beton und Glas in Form von Kathedralen des Geldes für die ganze Welt sichtbar gemacht und zur Herausforderung für jeden an Menschenmaß orientierten Betrachter wurde.
Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist die Fähigkeit des amerikanischen Systems, die zur Daseinsvorsorge notwendige Infrastruktur funktionsfähig zu erhalten. Hier sind erhebliche Mängel bekannt, die auch von Donald Trump zugegeben werden, wenn er verspricht, in den Bereichen Stromleitungen und Verkehr eine Billion Dollar zu investieren. In einem Bericht der Onlineausgabe der „Zeit“ heißt es, „es drohen laut dem Verband der Bauingenieure 2.000 Dämme zu brechen, 56.000 Brücken sind marode, der Großteil des Stromnetzes ist älter als 50 Jahre, und jede fünfte Straße gehört ausgebessert. Die Mängel kosten jeden Haushalt im Land 3.400 Dollar im Jahr. In der Summe könnte die Wirtschaftsleistung der USA bis 2025 durch die marode Infrastruktur um bis zu vier Billionen Dollar zurückgehen. Und wie so viele Sorgen, die Amerikaner im Alltag plagen, hat Donald Trump auch diese im Wahlkampf aufgegriffen.
Es ist nicht so, dass Trump der erste Politiker ist, der Infrastruktur-Investitionen verspricht. Sein Vorgänger Barack Obama tat das ebenfalls. In Wahlkämpfen auf lokaler Ebene gehört das Thema zum Standard. Doch wenn es darum geht, tatsächlich Mittel bereitzustellen, zögern die Volksvertreter. Der Highway Trust Fund – (engl.), mit dessen Mitteln das Netz der US-Bundesstraßen unterhalten wird, ist chronisch klamm. Der Fonds wird durch eine Mineralölsteuer finanziert, deren Satz seit über 20 Jahren nicht erhöht wurde, weil sich der Kongress nicht zu einer Steuererhöhung durchringen konnte. Doch ohne neue Mittel wird der Fonds bis 2020 ausgeschöpft sein.“
Auf der Ebene der Städte, wo die maroden Infrastrukturen besonders auffällig sind breiten sich Armut und Gentrifizierung aus; Zwangsräumungen sind in vielen Städten an der Tagesordnung. Als Folge davon leben immer mehr verarmte Familien in Wohnheimen und auf Bauwagenplätzen. Darüber hinaus geben viele ärmere Familien über die Hälfte ihres Einkommens für die Wohnungsmiete aus, so dass oft kleine unvorhersehbar notwendige Ausgaben (Autoreparatur, Krankheit usw.) zu Mietrückständen führen, die unerbittlich mit Wohnungsräumung geahndet werden.
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