Parteien entschleiert – Ein besonderer Blick auf das Parteienspektrum im Spiegel der Wählerpotentiale

In den nachfolgenden Grafiken sind für die fünf wichtigsten Enneagramm-Typen ermittelten Abweichungen der Wertesysteme von dem arithmetischen Mittelwert in Prozenten dargestellt. Diese Darstellung führt zu einer eingeschränkten Vergleichbarkeit in Abhängigkeit von den absoluten Zahlenwerten, die zugrunde liegen. Als Tendenz ist zu beachten, dass die Abweichungen kleiner Parteien bezüglich der beiden WMeme jeweils am Anfang und am Ende des Profils – also Beige, Purpur, Gelb und Türkis –  überbetont werden. Auf diese Umstände werde ich – soweit notwendig – eingehen. Diese Verzerrung musste in Kauf genommen werden, da eine andere Skalierung nur mit großem Aufwand zu machen wäre.

Typ 7 – der Enthusiast

Bei dem in der Grafik dargestellten Typ handelt es sich um den in Deutschland verbreitetsten Personentyp, der deshalb auch für die politischen Verhältnisse im Land das größte Gewicht hat. Bei diesem Typ besteht die eingangs erwähnte Verzerrung lediglich hinsichtlich der Partei „Die Linke“.

Insgesamt ist für die Parteien festzustellen, dass sich die größeren Abweichungen von den Mittelwerten hier auf die WMeme Beige, Purpur und Türkis beschränken. Für CDU und CSU ist es das WMem Purpur, das auf magisches Denken hinweist und grundsätzliche Bedeutung für das Agieren politischer Parteien in der Demokratie hat. Wie Spieler im Casino schauen die Wahlkämpfer in den Wahlnächten gebannt auf die Großleinwände in den Parteizentralen und wünschen sich den Anstieg der Zahlen für ihre Partei herbei. Interessant ist gerade im Bezug auf CDU und CSU, dass hier jedoch gegensätzliche Abweichungen vom Mittelwert für Purpur zu sehen sind. Die unterdurchschnittliche Aktivität im Bezug auf die CDU hat mit großer Wahrscheinlichkeit ihre Ursache in der Situation der Partei als Kanzlerpartei, die schlechte Umfragewerte hat und keinen idealen Koalitionspartner zur Erfüllung ihres Programms erwarten kann. Anders als die Führungskräfte der Partei selbst sind die Wähler in ihrem Urteil nüchterner und enthalten sicher eher einer KoalitionsArithmetik, die in dieser Situation als Kaffeesatz-Leserei bezeichnet werden müsste. Andererseits ist aus dem Ausfall von Purpur auch nicht abzuleiten, dass eine Erfüllung der Hoffnung auf den Machterhalt für die CDU ausgeschlossen wäre – das Rennen ist offen. Allerdings wird deutlich, dass die staatstragende Partei den Machterhalt aus eigener Kraft nicht schaffen kann und  damit bereits im Vorfeld der Wahl diesen Status eingebüßt hat.

 Dagegen nimmt sich die bayrische Schwesterpartei mit einem stark nach oben abweichenden Anteil magischen Denkens wesentlich realistischer aus. Diese Situation wird offensichtlich auch durch verbale Gewaltausbrüche flankiert, wie sich an dem parallel zu sehenden Ansätzen von Rot zeigt. Neben den WMemen Purpur und Rot ist innerhalb der ersten Ordnung bei der CSU ein geringes Defizit an Grün zu sehen, aus dem abzuleiten ist, dass die Bemühungen der Partei, sich ein ökologisches Image zu geben nicht überzeugen können. Bei der CDU ist dagegen ein etwas stärkeres Defizit an Gelb zu sehen. Innerhalb der zweiten Ordnung bedeutet dieses gegenüber dem Ergebnis der CSU  einen Mangel an systemischem Denken, während die kleinere Schwesterpartei immerhin einen mittelmäßigen Wert erreicht. Damit erhält das oben abgeleitete Argument des Verlustes der CDU in der Rolle des Garanten für das politische System in Deutschland zusätzliche Nahrung und die Magie der Kanzlerpartei ist – zusätzlich geschwächt durch die abdankende Kanzlerin – als Wahlhelferin weitgehend geschwunden. Damit ist für das politische System in Deutschland eher die Möglichkeit eines Gewinns gegeben, als  eines Verlustes.

Das systemische Denken verschafft einzelnen Akteuren zwar einen umfassenden Blick, der dazu führt, die Unausweichlichkeit von Veränderungen anzuerkennen, jedoch ist es zur Lösung politischer Probleme, die den Staat in seinen internationalen Verflechtungen betreffen, nicht ausreichend. Die Möglichkeiten, die sich in Gelb ergeben, sind für die Führung straff organisierter Organisationen wie Unternehmen oder Automobilclubs geeignet, in denen weitgehende Interessengleichheit besteht. Im Staat dagegen sind unterschiedliche Interessen durch Verhandlungen bestmöglich zum Ausgleich zu bringen und durch Gesetze zu fixieren. Der bis in das Chaos reichende Zustand von Volksparteien ist in der Demokratie nicht dazu geeignet, von einzelnen Führungspersonen auf einen neuen Kurs gebracht zu werden. Das haben viele Wähler erkannt und nach den politischen Verwerfungen durch die Wende nach 1990 durch ihr Wahlverhalten quittiert. Daraus sind Konsequenzen zu ziehen, vor denen die CDU/CSU zurückschreckt und an ihrem Strukturkonservativismus der alten Bundesrepublik festhält. Das in der Grafik zu sehende Defizit ist ein Hinweis darauf, dass in der interessierten Wählerschaft keine Resonanzen erzeugt werden, die eine Weiterentwicklung der Partei erwarten ließen.

Im Bezug auf die CSU scheint eine realistischere Einschätzung zu bestehen, die sich in einer Reaktion des WMems Türkis bemerkbar macht, die zu einem deutlich sichtbaren Überschuss führt. Türkis ist auf den Zusammenhang aller mit allem orientiert und postuliert ein neues Bewusstsein, aus dem durch die Verbindung von Gefühlen und Technik neue Zugänge zur Welt entstehen. Dabei kommt der Erweiterung der kognitiven Fähigkeiten und die Akzeptanz breiter Interessen große Bedeutung zu. Alles mündet schließlich in einen breiten Strom ein, der das Leben selbst intensiviert und auf höhere Ebenen transzendiert. Die bayrische CSU hat – anders als ihre Schwesterpartei – den Vorteil, auf spirituellen Ressourcen aus dem Katholizismus aufbauen zu können, die der Partei personale Energien aus dem globalen Verständnis der im Wandel befindlichen Religionen zuführt. Ein gutes Beispiel für die Befruchtung der Politik ist der amtierende Entwicklungshilfeminister Gerd Müller, der aus dem Katholizismus stammt und sich den Ruf erworben hat, „das gute Gewissen der CSU“ zu sein. Weitere Vorteile – und damit Erklärungen – für die Unterstützung aus Türkis sind die in Bayern vorhandenen Landschafts- und Freizeitreize, die es als Standort für neue Technologien und global agierende Unternehmen interessant machen und in den letzten Jahrzehnten viele Hochqualifizierte in das Land gezogen haben. In Türkis ist der wichtigste Unterschied zwischen CDU und CSU zu sehen, der die beiden Parteien bereits mehrfach an den Rand der formellen Trennung geführt hat.

Da dieses WMem bei allen Parteien – mit Ausnahme der CDU – deutliche Reaktionen zeigt, werde ich an dieser Stelle umfassender darauf eingehen:

Die im System der Spiral Dynamics durch Farben codierten Werteordnungen entsprechen weitgehend den kognitiven Entwicklungsstufen des schweizerischen Biologen Jean Piaget, auf die sich auch Ken Wilber in seiner Integralen Theorie bezieht. Wilber nennt die Übergänge von einer Entwicklungsstufe zur nächsten Drehpunkte. In seinem nach oben offenen System gibt es bisher 6 solcher Übergänge, wobei Türkis dem Drehpunkt Fünf entspricht. In der ganzheitlichen Ordnung erfolgt der Übergang zur nächst höheren Entwicklungsstufe durch Differenzierung, Integration und Transzendenz. Für den Übergang von Grün zu Gelb und Türkis bedeutet das innerhalb der Psyche der Jugendlichen den Zugewinn der Fähigkeit, über die eigenen Gedanken nachzudenken – sie zu reflektieren. Damit besteht ab diesem Stadium die Möglichkeit planvollen Handelns und die Möglichkeit, sich andere Zukünfte vorzustellen. Diese als Adoleszenz bezeichnete Zeit ist für die menschliche Entwicklung nicht nur wegen der erwachenden Sexualität eine aufwühlende Phase, sondern auch deshalb, weil sich vor dem inneren Auge andere mögliche Welten auftun. Das kulturelle Milieu in Deutschland ist hierfür nicht besonders aufgeschlossen. Der Philosoph Nida Rümelin äußerte sich dazu in einem Interview:  „Spätestens mit Wittgenstein schien vielen Philosophen das Problem der Introspektion gelöst zu sein. Es geht um die nach innen gerichtete Selbstbeobachtung, um die Analyse des eigenen Erlebens und Verhaltens, um Subjekt und Objekt und die Möglichkeit
der Selbsttäuschung. Also schauen wir – so war seinerzeit die Antwort – einfach auf das Verhalten der Menschen, achten auf bestimmte Regularitäten, die sich beschreiben lassen, das genügt. Das Meinen, das Intendieren, die Probleme des deutschen Idealismus im 19. Jahrhundert: Alles erledigt. Unterdessen ist den allermeisten aber klar, so geht es auf keinen Fall. Wir haben eine Rückkehr von Debatten. Welche Rolle haben Vorstellungen? Der britische Philosoph Colin McGinn hat einmal gesagt: Ich dachte, ich brauche keine Bücher mehr zu schreiben. Doch dann kam er zum Thema Vorstellung. Und Colin schrieb das Buch »Das geistige Auge – Von der Macht der Vorstellungskraft«.“

Odilon Redon: „Die goldene Zelle“ Das Bild ist eines der bekanntesten Beispiele desSymbolismus.

In Türkis verbinden wir uns mit Aspekten der eigenen Persönlichkeit, die auf der bereits entwicklungsgeschichtlich frühen Stufe von Purpur bestanden haben, jedoch von mächtigen Kräften erstickt oder verdrängt worden sind. Neben diesen Reaktivierungen werden in Türkis andere ungenutzte Ressourcen in Gehirn und Geist aktiviert. Sie führen zu eigenen Bewertungen von Rollen und Regeln, die von der Kultur vorgegeben werden und schließen dabei auch religiöse und spirituelle Fragen nicht aus. Das Individuum wird kritikfähig und verändert seine Haltung zum sozialen Umfeld. Das bleibt nicht ohne Folgen für die persönliche Identifikation mit der Gesellschaft, es entsteht eine Distanz zu ihr und durch ihre Differenzierung entsteht die Freiheit zur Transzendenz auf ein höheres Bewusstseinslevel. Auf dem neuen Niveau entsteht für das Individuum eine neue Welt, in die seine vorangegangenen Welten neu integriert werden müssen.

Die evolutionäre Entfaltung von Türkis begann in Deutschland mit dem einsetzenden Umweltbewusstsein, das in die Zeit zwischen 1960 und 1975 datiert werden kann. Im Jahr 1961 sprach der spätere Bundeskanzler Willy Brandt die Folgen der Industrialisierung an und forderte: „Der Himmel über dem Ruhrgebiet muß wieder blau werden!“. Ein Jahr später erschien das Buch „Der stumme Frühling“ von Rachel Carson, in dem sie unter anderem den massiven Einsatz von Chemikalien in der Landwirtschaft kritisierte und hiermit große öffentliche Anerkennung in den USA bekommen hatte. Dem Einfluss ihres Buches wird das in den USA erfolgte Verbot von DDT zugeschrieben. Der 1972 erschienene Bericht des Club of Rome mit dem Titel „Die Grenzen des Wachstums“ stellte die Ausbeutung des Planeten erstmals als globales Problem dar und erhielt breite Aufmerksamkeit. Im selben Jahr fand die UN-Umweltkonferenz in Stockholm statt. Die ein Jahr später hereinbrechende Ölkrise brachte die Thematik sehr konkret auf die politische Bühne und machte ihre Aktualität und Tragweite sichtbar.

Die globale Verbreitung türkisen Denkens ist noch sehr gering und wurde von Ken Wilber bei Abfassung seines Buches „Integrale Psychologie“ mit ca. 1% der Weltbevölkerung geschätzt. Dagegen nimmt sich das vor ca. 50.000 Jahren entstandene magisch-animistische Denken vom Typ Purpur mit 10% schon als bedrohlich aus. Dabei ist zu bedenken, dass die Anteile an der formellen Macht in beiden Systemen etwa 1% betragen und in vielen Ländern entscheidender Einfluss von Purpur auf die Inhaber der realen Macht ausgeübt wird.

Caravaggio: Die Opferung Isaaks, 1603, Uffizien, Florenz. Der Stammvater Abraham will auf Geheiß Gottes seinen Sohn opfern und besteht damit die Prüfung seines Gehorsams. Der Engel hindert ihn an seinem Vorhaben und überbringt die Botschaft, er solle statt seines Sohnes das Schaf opfern.

Die Spanne von Purpur zu Türkis beschreibt Don Beck prägnant: „In Purpur versucht man, die Geister zu besänftigen, jene Wesen, die Glück und Unglück bringen. Man hofft, einst in „glücklichen Jagdgründen“ zu ihnen zu stoßen. In Blau wird Spiritualität in den Begriffen spezifischer Glaubensvorstellungen und Wahrheiten, eines Verhaltenskodexes und eines Wettkampfs mit den Kräften des Bösen, der am Ende der Zeiten beigelegt werden wird, definiert. In Grün befindet sich die befreiende Kraft letztlich in einem Selbst und lässt sich am besten mit anderen in diesem humanistischen Zusammenhang erforschen. Das metaphysische Reich ist ein Attribut des Prozesses, ein vollständigerer Mensch zu werden.

In Türkis steht man ehrfurchtsvoll vor der kosmischen Ordnung, den schöpferischen Kräften, die vom Urknall bis zu den kleinsten Molekülen existieren. Anderswo auf der Spirale nimmt das die Form purpurner Mutter- und Vaterfiguren, roter Blitzeschleuderer, blauer gerechter Führer von Sündenregistern, oranger Baumeister, grüner Einheitsprinzipien und gelber Chaosquellen an.

Der für Türkis typische Wechsel von der ethnozentrischen Sicht zur weltzentrischen Sicht wird in der politischen Diskussion üblicherweise als Multikulturalismus bezeichnet. Soweit dieser erklärtes Ziel der durch „Die Grünen“ mitverantworteten Regierungspolitik in Deutschland war, wurde diesem durch die CDU-geführte Bundesregierung eine Absage erteilt. Dabei wurde jedoch eine breite politische Diskussion unterdrückt, so dass die – tatsächlich vorhandenen –  Probleme gar nicht in das öffentliche Bewusstsein gelangen konnten. Deshalb stelle ich sie hier mit den Worten von Ken Wilber dar: „Nun könnte man aber zum Beispiel selbst in der Tat von der egozentrischen über die ethnozentrische zur weltzentrischen Perspektive fortgeschritten sein, und es ist einem zur Selbstverständlichkeit geworden, daß allen Menschen die gleiche Achtung und die gleichen Chancen einzuräumen sind, ohne Ansehen ihrer Rasse, ihres Geschlechts und ihres Glaubensbekenntnisses. In dieser Haltung eines universellen Pluralismus ist man wirklich multikulturell und postkonventionell. Das Problem ist nur, daß die meisten Menschen, denen man diese universelle Haltung entgegenbringt, diesen Universalismus nicht teilen. Sie sind nach wie vor zutiefst egozentrisch oder ethnozentrisch. Man bringt also für Menschen ein universelles Entgegenkommen auf, die dies durchaus nicht mit Zuvorkommenheit vergelten.

In der Grafik zum Typ 7 ist bezüglich Purpur und Türkis für die Parteien folgender Status abzulesen:

ParteiPurpurTürkis
CDU0
CSU++++
SPDo– –
FDP+– –
GRÜNE
LINKE– – –+++
AfD+++
Tabelle 1: WMem-Abweichungen vom arithmetischen Mittel

Es sind sehr unterschiedliche Profile in der Tabelle zu sehen – keine Partei gleicht der Anderen. Im Einzelvergleich der beiden WMeme ist bei Purpur eine Ähnlichkeit in dem geringen Defizit festzustellen, hinsichtlich Türkis gilt dieses für SPD und FDP. Eine weitere Übereinstimmung besteht hinsichtlich Türkis bei CSU und AfD. Diese beiden Parteien nähern sich auch in der gemeinsamen Betrachtung der beiden WMeme an.

Die großen Unterschiede zwischen den Parteien sind zu einem geringen Anteil auf schwache Datengrundlagen für die kleinen Parteien zurückzuführen, im wesentlichen jedoch auf die unterschiedlichen Auffassungen der Parteien zu dem verwendeten Abfragebegriff „holistisch„. Dieser Begriff ist unabweisbar mit dem Universalismus und dem Multikulturalismus verbunden. Wie weit dieser Begriff zu fassen ist, ergibt sich aus folgendem Zitat des englischen Physikers Paul Davies, der sich neben der populärwissenschaftlichen Darstellung der modernen Physik auch deren Zusammenhängen mit Religion und Wissenschaften allgemein widmet: „Es besteht hier [Anm.: in der Position eines Quantenteilchens] eine deutliche subtile Verbindung zwischen der Wirklichkeit der mikroskopischen Welt und der der vertrauten makroskopischen Welt. Letztendlich können wir die Quantenrealität nicht von der Struktur des ganzen Universums abkoppeln, und somit bekommt der Zustand eines einzelnen Teilchens erst seinen Sinn, wenn er im Kontext mit dem Ganzen gesehen wird. Die mikroskopische und die makroskopische Welt sind miteinander verwoben und können nie getrennt werden.“ Davies bezieht sich u. a. auf den Psychoanalytiker C. G. Jung, den Quantenphysiker Wolfgang Pauli und verweist auf das Buch von Arthur Koestler mit dem Titel „Die Wurzeln des Zufalls“ in dem Koestler den Begriff des Holon einführt und als ganzheitliches System beschreibt. Davies kommt zu dem Schluss: „Das Kleine und das Große, das Globale und das Lokale, das Kosmische und das Atomare, sie alle sind Aspekte der Wirklichkeit, die untrennbar sind und sich gegenseitig unterstützen. Man kann nicht das eine ohne das andere haben. Die enge alte Idee der Reduktionisten, wonach das Universum einfach die Summe seiner Teile ist, wird von der neuen Physik in Mißkredit gebracht. Im Universum gibt es eine Einheit, und sie geht tiefer als der bloße Ausdruck der Einheitlichkeit. Es ist die Einheit, die besagt, daß es ohne alles nichts gibt.“ Diese Feststellung ist universell gültig und hat mit dem internationalen und Menschenrecht auch die Grundlage für das Zusammenleben der Völker beschrieben. Innerhalb der Entwicklungsspirale als universellem System ist es Türkis ,wo sich dieses „Alles auf einmal sehen“, bevor man irgendetwas Bestimmtes tut, zeigt. „Kollektive Imperative und vielfältige Interdependenzen stehen unangefochten an erster Stelle. In den Begriffen von Spiral Dynamics heißt das, dass man sich im gelben System die Hände schmutzig macht, um mit dem Chaos umzugehen. Im türkisen kollektiven System tritt man einen Schritt zurück und schafft eine neue Form von Ordnung.

Eine Antwort auf die oben dargestellte Problematik der unsymmetrischen Verhältnisse zwischen den Kulturen im Sinne von Türkis erfordert ein Zurücktreten hinter die Verwicklungen in die Konflikte der Kulturen früherer Entwicklungsstufen und die Hilfe zum schrittweisen Übergang zu höheren Kulturstufen ohne das westliche Industriesystem als Blaupause zu verwenden. Gleichzeitig ist unter den führenden Industrieländern eine Verständigung über angepasste Wege der Entwicklungshilfe erforderlich und ein Wettbewerb um Einflussphären in den Entwicklungsländern zu vermeiden.

Das ausgerechnet die deutsche Bundeskanzlerin als Atomphysikerin dem Gedanken des Multikulturalismus eine schroffe Absage erteilt ist vor diesem Hintergrund unverständlich und nur mit der Parteiraison erklärbar.

„Der Ansatz für Multikulti ist gescheitert, absolut gescheitert!“, sagte Kanzlerin Angela Merkel auf dem Deutschlandtag der Jungen Union (JU) in Potsdam.

Spiegel online vom 16.10.2010

Die seitdem zu verfolgende Praxis in der Asyl- und Flüchtlingspolitik lässt – trotz der für Merkel typischen verschwurbelten Rede vom „Ansatz“ – keine Zweifel daran aufkommen, wie das gemeint war. Am 12.06.2018 eskalierte der Streit mit dem von der CSU gestellten Innenminister Seehofer, der die Asylpolitik noch über die Abschottungspolitik der EU hinaus verschärfen wollte und die Zurückweisung von Asylsuchenden bereits an den deutschen Grenzen organisieren wollte.

Mit der Haltung in der Asyl-, Flüchtlings- und Einwanderungspolitik hat die CDU/CSU ihr eigenes Verständnis von dem geschaffen, was unter Holismus bzw. Ganzheitlichkeit zu verstehen ist und sie setzt damit ihre ausgeübte und für die nähere Zukunft angemeldete Deutungshoheit fort. „Holistisch“ ist für sie nur im reduktionistischen Sinn zu verstehen und der Fortschritt zum Wertesystem Türkis ist aus ihrer Sicht zu unterbinden. Damit ist das stille Eingeständnis ihrer Verantwortung für die Rückständigkeit Deutschlands auf wichtigen Politikfeldern verbunden.

Im Gegensatz zur CDU sind für die CSU starke Einflüsse aus Purpur und schwach positiver Einfluss aus Türkis zu sehen. Es ist daher anzunehmen, dass eine Reaktivierung purpurner Energien in Türkis nur in geringem Umfang stattfindet, andererseits jedoch ein hohes Maß an originär purpurner Energien vorhanden ist. Dabei spielen die Bodenständigkeit, die religiöse und kulturelle Bindung eine starke Rolle. In diesen Zusammenhang gehört auch die volkstümlich gehaltene Selbstinszenierung der CSU als politische Heimat der Bayern.

Das bundesweite Pendant zur CSU könnte nach der Tabelle die AfD werden. Die von der CSU angebotene deutschlandweite Online-Mitgliedschaft wird eher der AfD helfen als ihr die Wähler zu nehmen. Es zeigt sich an dieser Partei, dass die für die CSU bestehende Attraktivität auch deutschlandweit besteht.

Im Bezug auf die SPD ist in der Tabelle ein durchschnittlicher Wert für Purpur zu sehen und ein deutliches Defizit in Türkis. Damit erreicht sie eine stärkere irrationale Anziehungskraft als CDU, GRÜNE und LINKE. Das Defizit an Türkis deutet auf geringe Reaktivierung von Purpur und geringe Attraktivität für multikulturelle Entwicklungen im Sinne von Türkis hin. Ein Grund hierfür liegt wahrscheinlich an den fehlenden Alternativen zu der von der EU betriebenen Asyl- und Flüchtlingspolitik, wie auch in der verantwortlichen Mitwirkung bei den Auslandseinsätzen der Bundeswehr und der Rüstungspolitik.

Die FDP als traditioneller Mehrheitsbeschaffer für bürgerliche Politik zeigt ebenfalls keine Attraktivität in Türkis. Anders als CDU und SPD erscheint sie jedoch etwas attraktiver im Einflussbereich von Purpur. Darin kommt vermutlich die Mitgliederstruktur der ehemals im Selbstbild der „Partei der Besserverdienenden“ befangenen Klientelpartei und die Faszination dieser Klientel von der Macht dieser Partei zum Ausdruck. Selbst in ihrer Machtverschmähung – Zitat ihres Vorsitzenden Lindner: „Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren“ – übt sie ihren Einfluss auf das politische System aus. Indem die FDP andere Parteien nötigt, sich als kleiner Koalitionspartner der CDU in einer Bundesregierung zu „opfern“, setzt sie deren Wahlaussichten nach dem ungeschriebenen Gesetz der politischen Arithmetik zurück. Wieder war es die SPD, die sich „opferte“ nachdem sie der CDU bereits in der rot-grünen Koalition unter Kanzler Schröder das Geschenk der Hartz-Gesetze gemacht hatte.

Aufgrund des in der Tabelle für die Partei Bündnis 90/Die Grünen abzulesenden Profils ist sowohl bezüglich Purpur als auch im Bezug auf Türkis etwas unterdurchschnittliche Attraktivität anzunehmen. Damit unterscheidet sie sich hinsichtlich Purpur nicht wesentlich von der CDU, jedoch deutlich von dieser durch ein Defizit von Türkis. Hierin ist der Einfluss der von CDU/CSU reduzierten Geltung von Türkis zu sehen, die den Multikulturalismus ausschließt und sich hiermit CSU und AfD annähert. Hierdurch ist eine Schwachstelle in der Wahrnehmung der GRÜNEN markiert, die nur durch eine offene Stellungnahme der Partei zu diesem – wie auch zu anderen Begriffsverwirrungen, wie z. B. Benzinpreiserhöhung – unterschiedlichen Verständnis von ganzheitlichen Lösungen behoben werden kann. Andernfalls besteht die Gefahr, dass diese Unterschiede in eventuellen Koalitionsverhandlungen aufgedeckt werden und der Eindruck von Wählertäuschung entsteht. Grundsätzlich ist kleineren Koalitionspartnern von vorn herein zu empfehlen, sich auch für die originären Projekte des Koalitionspartners mitverantwortlich zu fühlen, da andernfalls ihnen die Mitschuld an dem politischen Versagen des größeren Koalitionspartners gegeben wird, wie es den GRÜNEN beispielsweise bezüglich der Hartz-Gesetze in der Koalition mit der SPD ergangen ist und wie es jetzt der SPD passiert, die für viele Unterlassungen verantwortlich gemacht wird, die sie nun als Programm für die nächste Wahl verkauft.

Nirgends tritt der über die Zeit bestehende Zusammenhang von Purpur und Türkis deutlicher zutage, als im Bild der LINKEN. Maximaler Abwesenheit von Purpur tritt maximales Türkis gegenüber. Es hat den Anschein, als sei die gesamte Energie des vorgeschichtlichen Stammesbewusstseins (Tribalismus) durch Türkis sublimiert worden. Es darf hier vermutet werden, dass die im System der ehemaligen DDR vorhandenen religionsähnlichen Denkgewohnheiten zu Türkis transzendiert wurden und Fähigkeiten erworben haben, die nun die LINKE zu einem wichtigen Bestandteil des politischen Systems in Deutschland gemacht haben.

Auf die Ähnlichkeit des Zusammenhangs von Purpur und Türkis hinsichtlich der AfD mit der CSU habe ich bereits oben hingewiesen. Der Unterschied besteht lediglich in einer etwas schwächeren Ausprägung von Purper bei der AfD. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass realistisch betrachtet eine Vergleichbarkeit stark eingeschränkt ist, da die räumlichen Verteilungen der beiden Parteien sehr unterschiedlich sind. Der Schwerpunkt der AfD liegt in den ostdeutschen Bundesländern und die CSU ist auf Bayern beschränkt. Ein Schlüssel zum Verständnis ist der Zusammenhang von Purpur und Türkis, wie er bei der LINKEN erläutert wurde. Im Bezug auf die AfD ist die in der ehemaligen DDR über Jahrzehnte entstandene Magie des Westens als Ort der Reisefreiheit und der erfüllbaren Wünsche nicht wie im Bezug auf die LINKE vollständig transzendiert worden, sondern nur zu einem geringen Teil nach Türkis fortgeschritten. Der große Anteil von Purpur ist als Idealisierung unerfüllter Träume in Purpur verblieben. Nüchterner gesagt, sind es die Illusionen der Kindheit, die unabhängig von Ort und Zeit in das Erwachsenenalter mitgenommen werden und das Verhalten beeinflussen.

Alle anderen anderen WMeme des Typs 7 sind bis auf eine Ausnahme nahe dem arithmetischen Mittel zu sehen. Das WMem Beige tritt im Bezug auf GRÜNE und AfD deutlich hervor, im Bezug auf die LINKE ist es stark im Defizit. Darüber hinaus sind für CDU/CSU und FDP schwache Defizite dieses WMems zu sehen. Der Realitätsbezug dieses WMems ist durch Armut, Gesundheitsgefährdung und Existenzbedrohungen aller Art gegeben. Die starke Fokussierung auf die GRÜNEN ist sowohl im negativen wie auch im positiven Sinn gegeben. Im (wahrscheinlich) geringen Umfang kann es um die Rolle gehen, die diese Partei in der Koalition mit der SPD bei der Verabschiedung der Hartz-Gesetze gespielt hat, vordergründig ist jedoch das originär von den GRÜNEN vertretene Thema der existentiellen Gefahren für die Menschheit durch Klima- und Umweltkatastrophen als ursächlich anzusehen. Der bei der AfD zu sehende positive Ausschlag von Beige kann als Beleg für die Strategie dieser Partei dienen, die auf die Nähe zu den Menschen – vor allem in ländlichen Gebieten – mit konkreten Hilfsangeboten die Notlage mildert, die durch mangelhafte öffentliche Einrichtungen entstanden ist und so das Vertrauen der Menschen zu gewinnen versucht.

Zum Abschluss dieses Abschnitts soll noch erwähnt werden, worin die spezifischen Beziehungen des Typs 7 zu den WMemen liegen können. Daraus kann eine persönliche Ansprache abgeleitet werden, die den Abstand zwischen bürokratisierten Parteienvertretern und BürgerInnen überbrücken hilft.

Über Fidelio

Ich bin 1949 geboren und war in meiner berufstätigen Zeit als Stadtplaner in einer mittelgroßen kommune tätig. Seit meiner Studienzeit habe ich mich für die Entwicklung eines erweiterten geistigen Horizonts interessiert und einige Anstrengungen unternommen, mich persönlich in diesem Sinne zu entwickeln. Aufgrund meiner katholischen Erziehung habe ich in den 1960-er Jahren begonnen, mich intensiver mit dem modernen Mystiker Teilhard de Chardin zu befassen und bin so zur Gedankenwelt von Ken Wilber gekommen, die ich in diesem Projekt nutzbar zu machen versuche.
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