Trumps „Revolution“ verstehen und Handeln – Ein Dialog mit Nietzsches Philosophie

Nietzsches Philosophie bietet ein scharfes Werkzeug, um den Trumpismus als kulturelles und politisches Phänomen zu analysieren – sowohl in seiner Anziehungskraft als auch in seinen Gefahren. Gleichzeitig liefert sie Ansätze, wie eine demokratische Gesellschaft auf seine Herausforderungen reagieren könnte. Hier eine systematische Untersuchung:
1. Trumpismus als „Anti-Nihilismus“ – Nietzsches Diagnose der Wertkrise

Nietzsche beschrieb Nihilismus als den Zustand, in dem eine Gesellschaft ihre tradierten Werte (z. B. Religion, Aufklärungsideale) nicht mehr glaubwürdig findet, aber noch keine neuen geschaffen hat. Der Trumpismus nutzt diese Leere:

  • Exploitation der Wertkrise: Trump und seine Ideologen (wie Steve Bannon) inszenieren sich als „Lösung“ für den moralischen Verfall, den sie selbst beschwören – etwa durch Angriffe auf „liberale Eliten“ oder „woke Kultur“ 1.
  • Ersatz-Religion: Seine Bewegung bietet einfache Antworten („Make America Great Again“) als Ersatz für zerfallende Sinnsysteme – ähnlich wie Nietzsche es für nationalistische und autoritäre Bewegungen vorhersagte. 

Nietzsches Warnung: Nihilismus kann entweder zu passiver Resignation oder zu reaktionären Pseudolösungen führen. Der Trumpismus ist eine solche Schein-Antwort – er bekämpft nicht die Ursachen der Entfremdung, sondern schürt sie durch SündenbockRhetorik.

2. „Postfaktizität“ und Perspektivismus – Warum Faktenchecks wirkungslos bleiben

Nietzsches Perspektivismus („Es gibt keine Tatsachen, nur Interpretationen“) erklärt, warum Trump-Anhänger empirische Widerlegungen ignorieren:

  • Echo-Kammern als Perspektiv-Gefängnisse: Für Nietzsche sind „Wahrheiten“ immer an Lebensformen gebunden. Trumpisten und Liberale leben in unterschiedlichen Wertehorizonten – etwa bei Themen wie Klimawandel oder Rassismus.
  • Macht der Narrative: Trump ersetzt rationale Diskurse durch affektive Mythen („gestohlene Wahlen“, „deep state“). Nietzsche würde dies als typisch für eine „schwacheKultur deuten, die keine positiven Visionen mehr hat.

Konsequenz: Liberale müssen lernen, dass reine Fakten nicht genügen – sie müssen gegen-Narrative schaffen, die emotionale und existenzielle Bedürfnisse ansprechen.

3. Der „Übermensch“ vs. Trumps „Blondes Biest“ – Eine gefährliche Verwechslung

Nietzsches Übermensch wird oft fälschlich mit Trumps Selbstdarstellung als „starker Mann“ gleichgesetzt. Doch:

  • Übermensch als schöpferischer Individualist: Nietzsche lobte Künstler*innen und Philosophen, die neue Werte schaffen, nicht Machthaber, die alte Vorurteile mobilisieren.
  • Trump als „letzter Mensch“: Sein Kult um Konsum („I love the poorly educated“) und Simplizität („Grab ’em by the pussy“) entspricht eher Nietzsches dekadenter Massenkultur.

Ironie: Die Trump-Basis verehrt ihn als „Rebellen“, doch er ist das Gegenteil – ein Produkt des kapitalistischen Ressentiments, das Nietzsche verachtete.

4. Autoritarismus als „Sklavenmoral der Herren“

Nietzsches Kritik an der Sklavenmoral (Werte der Schwachen, die sich als „gut“ umdeuten) trifft paradoxerweise auch auf den Trumpismus zu:

  • Opfer-Rhetorik: Trumpisten inszenieren sich als „unterdrückte Mehrheit“ – obwohl sie oft strukturelle Macht haben (z. B. weiße Arbeiterklasse in den USA).
  • Hass auf das Lebendige: Nietzsches Analyse des ressentimentgeleiteten Menschen passt auf  Trump-Anhänger, die „liberale Eliten“ hassen, weil diese Bildung und Kosmopolitismus symbolisieren.
5. Strategien der Gegenwehr – Nietzsches „Umwertung“ für die Demokratie

Wie könnte eine Nietzsche-inspirierte Antwort aussehen?

  1. Lebensbejahende Politik: Statt nur Defensive („Trump ist gefährlich!“), braucht es positive Visionen – z. B. Klimapolitik als Abenteuer, nicht als Verzicht.
  2. Kulturelle Eliten stärken: Nietzsche forderte eine „neue Aristokratie des Geistes“. Heute heißt das: Investition in Kunst, Wissenschaft und öffentliche Debattenkultur.
  3. Dionysische Demokratie: Gegen Trumps Vereinfachungen muss die Linke Leidenschaft und Ästhetik zurückgewinnen – wie Bernie SandersMassenmobilisierung zeigte.

Nietzsche als Warnung und Werkzeug

Die Entwicklung der amerikanischen Politik in Auseinandersetzung mit dem Trumpismus und seinen populistischen Methoden hat sich als Herausforderung einer politischen Kultur erwiesen, die in der westlich geprägten Welt eine Erstarrung in Reaktionsmustern sichtbar macht, die auf den aufgeklärten Machtstrukturen des 19. Jahrhunderts basieren und mit den ökonomischen Umwälzungen durch Technisierung und Globalisierung nicht schrittgehalten hat. Sie zeigen sich insbesondere in Form von Elitenherrschaft, technokratischer Politik und globalen Ungleichheiten. Während  im 19. und auch noch im 20. Jh. Monarchie und Kolonialmission als „vernünftig“ galten, beruft sich Macht heute auf Demokratie, Marktwirtschaft und Menschenrechte. Die Spannung zwischen aufgeklärtem Anspruch und machtpolitischer Realität bleibt jedoch bestehen. Allerdings sind sie in modernisierter und oft subtilerer Form schwerer erkennbar – womit sie auch dem Populismus helfen.

In der Sprache von Wilbers Vier-Quadrantenmodell und der Werteordnung der Spiral Dynamics bedeutet dies eine Vernachlässigung der rechten Quadranten, wie sie in diesem Projekt vielfach nachgewiesen sind und die Überbetonung der auf Konsum orientierten individuellen Werte im Wertesystem Orange – ebenfalls hier vielseitig nachgewiesen. Dabei sind häufig Blockaden zwischen den durch Gemeinschaft geprägten Wertesystemen in Grün und durch tradierte Ordnungsprinzipien in Blau (Wahrheit) nachgewiesen. Diese Blockade ist entscheidend für den Erfolg populistischer Heilsversprechen, wie sich abschließend auch an den Ergebnissen der KI im Sinne von Nietzsches Philosophie zeigt:

„Der Trumpismus ist kein Zufall, sondern Symptom einer tieferen kulturellen Erschöpfung, die Nietzsche vorhersah. Seine Philosophie lehrt uns:

  • Diagnose: Der Kampf gegen Trump ist kein Streit um Fakten, sondern um Lebensformen.
  • Therapie: Demokrat*innen müssen neue Mythen schaffen – nicht als Lügen, sondern als narratives Gegengift zu autoritären Vereinfachungen.

Nietzsche würde sagen: „Wer mit Ungeheuern kämpft, muss zusehen, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird.“ Die Aufgabe ist es, die Wut über den Trumpismus in schöpferische Energie zu verwandeln.“

Die dargelegten Zusammenhänge sollten die Einsicht bringen, dass eine grundlegende Vitalisierung der Demokratie – die von den Menschen kommt – nottut und unmittelbare Veränderungen an prekären Lebensverhältnissen bewirken kann. Darüber hinaus wird es unumgänglich sein, das kapitalistische System auf eine Harmonisierung der Entwicklungsspirale zurückzuschneiden.

Über Fidelio

Ich bin 1949 geboren und war in meiner berufstätigen Zeit als Stadtplaner in einer mittelgroßen kommune tätig. Seit meiner Studienzeit habe ich mich für die Entwicklung eines erweiterten geistigen Horizonts interessiert und einige Anstrengungen unternommen, mich persönlich in diesem Sinne zu entwickeln. Aufgrund meiner katholischen Erziehung habe ich in den 1960-er Jahren begonnen, mich intensiver mit dem modernen Mystiker Teilhard de Chardin zu befassen und bin so zur Gedankenwelt von Ken Wilber gekommen, die ich in diesem Projekt nutzbar zu machen versuche.
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