Biblisches Israel und Deutsche Charaktere (I)

Typ Sechs

Wie bereits zum Typ Drei zitiere ich hier in Auszügen die allgemeine Charakterisierung des Typs Sechs nach dem Buch von Richard Rohr und Andreas Ebert:

„Menschen, die dem Typ SECHS ansehören, haben großartige Gaben: Sie sind kooperativ, teamfähig und zuverlässig. In Beziehungen kann man sich auf ihre Treue verlassen. Ihre Freundschafien sind von warmherzigen und tiefen Gefühlen geprägt. Sie sind oft sehr originell und witzig, haben manchmal einen skurrilen Humor und setzen sich mit Leib und Leben für die Menschcn ein, die sie lieben. Erlöste SECHSer verstehen es, das Festhalten an bewährten Traditionen mit der Bereitschaft zu verbinden, neue Wege zu gehen. Sie haben ein Gespür für das, was möglich ist und was unrealistisch ist. Rechtzeitig entdecken sie die noch nicht bedachten Gefahrenpunkte eines Projekts, wie sie überhaupt einen sechsten Sinn für drohende Gefahren haben. Sie können vorausschauend und mutig sein, wenn es darum geht, neue Wege zu eröffnen und neue Grenzen zu ziehen.“

Rohr und Ebert weisen darauf hin, dass es in westlichen Gesellschaften viele Menschen  des Typs SECHS gibt, was durch die eingangs dargestellten Untersuchungsergebnisse belegt ist. Die beiden Autoren halten es – nicht nur deshalb – für besonders wichtig ist, sich mit diesen Typen zu befassen. Nach ihrer Auffassung wurden die Wurzelsünden dieser Menschen – Lüge bzw. Betrug für die Drei und Furcht bzw. Angst für die Sechs – im westlichen Christentum nicht als solche erkannt. Solange diese beiden Sünden unerkannt blieben, gehe von ihnen eine große Gefahr für unsere Gesellschaft aus.

Der Hauptgrund für die Dominanz der SECHSER ist darin zu sehen, dass sie leicht von Selbstzweifeln befallen werden. Das macht sie vorsichtig, furchtsam und mißtrauisch. Sie wittern ständig Gefahr und sind deshalb der Grund für den in Deutschland oft gehörten Begriff „Bedenkenträger„, wenn es um Neuerungen geht. Bezüglich dieser Zerrissenheit zitieren Rohr und Ebert den Enneagramm-Experten Don Richard Riso:Sie sind emotional von anderen abhängig, aber offenbar nicht so sehr von sich selbst. Sie möchten anderen nahe sein, aber stellen sie erst auf die Probe, um zu sehen, ob man ihnen vertrauen kann. Sie beten Autorität an und fürchten sie zugleich. Sie sind gehorsam und gleichzeitig ungehorsam. Sie fürchten sich vor Aggressionen anderer und sind doch bisweilen selbst höchst aggressiv. Sie suchen nach Sicherheit und fühlen sich doch unsicher. Sie sind liebenswürdig und angepaßt und können plötzlich gemein und haßerfüllt sein. Sie glauben an traditionelle Werte und können diese Werte dennoch plötzlich unterlaufen. Sie wollen der Strafe entgehen und bringen sie womöglich selbst über ihr Haupt.“

Manche SECHSER berichten, daß sie kein Urvertrauen entwickeln konnten, weil sie unbeherrschte, unberechenbare, gewalttätige oder gefühlskalte Eltern hatten. Viele wurden ohne ersichtlichen Grund bestraft oder geschlagen, weil die Eltern auf diese Weise ihre eigenen Konflikte abreagiert haben. Das hatte mehrere mögliche Konsequenzen: diese Kinder mußten entweder nach einem Beschützer Ausschau halten, dem sie vertrauen konnten; oder sie mußten lernen, die kleinsten Anzeichen nahender Gefahr zu wittern, um rechtzeitig Deckung zu suchen; oder sie mußen der drohenden Gewalt aggressiv zuvorkommen.

Im ersten Fall führt der Mangel an echtem Selbstvertrauen dazu, daß sich die SECHS nach Autoritäten umsieht, nach jemandem, der Sicherheit bietet, berühmt ist oder eine Machtposition innehat und der SECHS sagen kann, wo es langgeht. Die SECHS braucht in diesem Fall eine Institution (zum Beispiel die Kirche, die Partei, den Staat, die  Wissenschaft) oder ein Buch (zum Beispiel die Bibel, das Kirchen- oder Strafrecht, den Koran, ,,Mein Kampf‘, ,,Das Kapital“) mit unfehlbaren Antworten. SECHSER sehnen sich nach Sicherheit. Sie wollen sich nicht mit undurchsichtigen Schatten und Grautönen auseinandersetzen; sie wollen eine Welt, die in schwarz und weiß aufgeteilt ist und eine Wahrheit, die sie schwarz auf weiß nach Hause tragen können. Im schlimmsten Fall produziert die Energie der SECHS den Nazi-Typus,  jenen Menschen, der auf totalitäre und selbstgerechte Weise verlangt, daß die Wirklichkeit so ist, wie er sie braucht und der bereit ist,  jeden Befehl auszuführen, der ,,von oben“ kommt – Adolf Eichmann sagte bei seiner Vernehmung in Israel sinngemäß: ,,Ich gehörte zu den Menschen, die sich kein eigenes Urteil bildeten. Führerworte hatten Gesetzeskraft. Ich habe gehorcht. Egal, was man mir befohlen hätte, ich hätte gehorcht, denn Eid ist Eid.“

Viele SECHSER berichten von Brüchen in ihrer Lebensgeschichte; sie konnten das Studium oder die Ausbildung nicht zu Ende führen. Oft werden sie kurz vor der Prüfung von einer lähmenden Versagensangst überfallen oder sie kommen beim Lernen nicht voran, weil sie jedes Detail genau überprüfen und alle Widersprüche ausschalten müssen. Die eigene Position stellen sie eher in Frage als sie mit innerer Gewißheit zu vertreten. Die Sisyphusarbeit, die eigene Meinung wasserdicht abzusichern, kann schließlich zum tatsächlichen Scheitern führen.

Viele SECHSER produzieren Situationen in denen sie am Ende verlieren. Sie sind Pessimisten und haben Angst vor Erfolg. Wenn sie erfolglos sind, ist die Gefahr nicht so groß, daß Neider oder Konkurrenten auf den Plan treten. Deswegen ,,umgehen“ SECHSER Erfolge, spielen sie anderen zu oder setzen sich so unerreichbare und größenwahnsinnige Ziele, daß der Mißerfolg vorprogrammiert ist. SECHSER kämpfen um ihr Überleben, aber nie um Erfolg, der ja nur neue Gefahren in sich birgt. Falls sie doch einmal Erfolg haben, vergessen sie ihn meistens sofort. Jede neue Situation ist für sie so bedrohlich, daß die Erinnerung an frühere Siege unnütz ist.

Wenn DREIER notorische Sieger sind, dann sind SECHSER notorische Verlierer. Diese ,,Lust am Verlieren“ kann masochistische Züge annehmen. Woody Allen hat in vielen seiner Filme diesen ,,loser“-Typ verkörpert.

Die meisten SECHSER können nur schwer Lob annehmen. Sie vermuten dahinter einen Trick, mit dem sie geködert werden sollen. Wer bei einer SECHS ankommen will, sollte in sein Lob ein Minimum an konstruktiver Kritik einbauen; dadurch wird das Lob glaubwürdiger.

Um Typ SECHS zu verstehen, muß man unterscheiden lernen zwischen phobischen (furchtsamen) und kontraphobischen SECHSern. Beide sehen so verschieden aus, daß diese Unterscheidung sehr wichtig ist.

Die phobische SECHS ist von Natur aus vorsichtig, zögernd und mißtrauisch. Sie tut sich schwer, sich selbst und ihren ,,Instinkten“ zu trauen. Der Gefahr weicht sie in der Regel aus. Solche Menschen sind für ihre Umgebung in gewisser Weise sehr,,pflegeleicht„. Wenn sie an einen vertrauenswürdigen Seelsorger oder Therapeuten geraten, sind sie bereit, sich Schritt für Schritt führen zu lassen und langsam ihren Ängsten ins Auge zu sehen, so daß sie gute Chancen haben, immer lockerer, selbständiger und freier zu werden.

Die kontraphobischen SECHSER dagegen können sich und anderen Menschen großen Schaden zufügen. Sie werden im extremsten Fall Anhänger des Ku-Klux-Klan, Rechtsextreme, Neo-Nazis, Mitglieder von Motorradbanden und Schlägertrupps. Kontraphobische SECHSer suchen riskante Situationen und engagieren sich bei gefährlichen Sportarten wie Bergsteigen oder Autorennen, weil sie lieber die ,,Flucht nach vorn“ antreten, als sich ständig mit ihren Ängsten zu quälen.

Sie überspielen die Furcht, die der eigentliche Hauptmotor ihrer Handlungen ist und kompensieren sie durch aufgesetzte Härte, Stärke und Waghalsigkeit. Kontraphobiker haben keinen Zugang zu der Furcht, die sie beherrscht. Solche Leute brauchen kaum einen Anlaß, um aufzubrausen; im Extremfall können sie schreien, schimpfen, lügen oder handgreiflich werden. Sie vertragen wenig Kritik oder Abweichung von dem, was sie für richtig halten und verteidigen ihre Anliegen verbissen und mit allen Mitteln. Das kann zu völlig unverhältnismäßigen Verhaltensweisen führen.

Watzlawicks berühmte ,,Geschichte mit dem Hammer“ schildert in eindrucksvoller Weise den Mechanismus, der bei kontraphobischen SECHSERn abläuft.

Biblischer Repräsentant der phobischen SECHS ist der Paulusschüler Timotheus. Patron der kontraphobischen SECHS ist der Apostel Petrus.

Timotheus wird in der Apostelgeschichte und in den Paulusbriefen oft erwähnt. Als relativ junger Mann erhält er von seinem Mentor Paulus den Auftrag, die Gemeinde von Ephesus zu leiten. Es ist umstritten, ob die beiden neutestamentlichen Timotheusbriefe von Paulus selber stammen oder unter Berufung auf seinen Namen abgefaßt wurden. In ihnen finden sich jedenfalls erste Ansätze einer hierarchisch strukturierten Kirchenordnung. Große Teile lesen sich wie Anweisungen eines Vorgesetzten an einen Untergebenen. Während die ersten Gemeinden des Paulus offensichtlich viel ,,charismatischer“ und ,,basisdemokratischer“ organisiert waren, tritt mit Timotheus erstmals eine Art ,,Pfarrer“ oder Amtsträger auf. Der Name Timotheus bedeutet,,der Gottesfürchtige„. Er hat die Gemeindeleitung durch Handauflegung übertragen bekommen (1. Timotheus 4, 14) und soll für die reine Lehre sorgen ( l. Tim. l, 3 -7). Immer wieder wird er zu untadeliger Amtsführung ermahnt (1. Tim. 1, 18-20). Das Amt des Bischofs wird erstmals erwähnt (1.Tim. 3, 1-7). Mit Recht spricht man in der Theologie davon, daß diese ,,Pastoralbriefe“ die frühkatholische Kirche widerspiegeln, die sich immer mehr von einer Bewegung zur Institution verwandelt.

Petrus ist eine kontraphobische SECHS. Er ist seinem Meister ergeben und bereit, für ihn in den Tod zu gehen (Matthäus 26, 35). In Augenblicken der Gefahr tritt er die Flucht nach vorn an: bei der Gefangennahme Jesu zückt er das Schwert und schlägt einem Sklaven des Hohenpriesters das Ohr ab (Matthäus 26, 51). Aber kurz danach versagt er kläglich, indem er Jesus aus Furcht vor Spott verleugnet (Matthäus 26, 69 – 7 5)….

Petrus war nicht immer feige. Es gibt zahlreiche Hinweise darauf, daß er in sehr gefährlichen Situationen auch sehr tapfer sein konnte und – wie die meisten SECHSER – eine sehr mutige Seite hatte. Als ihn der Hohe Rat auffordert, nicht mehr über Jesus zu reden, sagt er: ,,Urteilt selbst, ob es recht ist, daß wir euch mchr gehorchen als Gott. Wir können nicht von dem schweigen, was wir gesehen und gehört haben“ (Apostelgeschichte 4, 19f.). Später wiederholt er: „Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen!“ (Apostelgeschichte 5, 29). Schließlich hat Petrus den Märtyrertod für seinen Glauben erlitten.

Das vermutlich um 1624 entstandene Bild Caravaggios zeigt eine Begebenheit bei der Verhaftung Jesus‘, die von allen vier Evangelisten ausführlich beschrieben wurde. Nach dcr Gcfangennahme wurde Christus zum Verhör vor dem Hohen Rat in den Palast des
Hohcpriesters gebracht. Petrus folgte seinem Herrn und mischte sich im Hof des Palastes untcr Dicncr und Knechte. Von einer Magd gefragt, ob er nicht zu den Jüngern gehöre, lcugnete er dies drcimal, genau so, wie es Christus am Ölberg vorausgesagt hatte.  Caravaggio hat sich in seiner Darstellung eng an die  biblische Erzählung angelehnt und hat diese zugleich zugespitzt, um damit die Verkettung der Ereignisse anzudeuten. Ich zitiere die Bildinterpretation des Kunsthistorikers Sebastian Schütze aus seiner Caravaggio-Monografie aus dem Verlag Taschen (Caravaggio. Das vollständige Werk, Köln 2009):

Die halbfigurigen Protagonisten, der rechts stehende Petrus, die Magd und der behelmte Soldat, sind in vorderster Bildebene zusammengedrängt, das nächtliche Dunkel ist vom flackernden Licht nur spärlich erleuchtet. Im Hintergrund sind mit wcnigen Pinselstrichen ein schwachcr Feuerschein und fliegcndc Funken angedeuret, die daran erinnern, dass Pctrus sich mit Diencrn und Knechten im Hof dcs Palastes an eincm Feuer wärmte. Dic Magd vcrweist mit der linken Hand auf Petrus und wendet sich zugleich dem vor ihr stehenden Soldaten zu. Petrus hat bcidc Hände vor die Brust gelegt und scheint mit seinem Zeigegestus die Frage der Magd anschaulich auf sich zu beziehen. Thcmatisiert ist damit nicht allein die an Petrus gerichtetc Frage, ob er zu den Jüngern Christi gehöre, sondern vor allem dic akute Gefahr, die ihm drohtc,  hätte er sich als solcher zu erkennen gegcben. Der erregte Ausdruck des Soldaten und dic Geste seincr erhobenen rechtcn Hand lassen crahnen, dass er im Bcgriff war, Petrus zu identifizieren. Nur durch die dreimalige Verleugnung konnte sich dieser einer Verhaftung entziehen. Die Präsenz des Soldatcn wird im biblischcn Bericht so nicht crwähnt. Sie erschcint dadurch noch bedrohlicher, dass er fast vollständig in Dunkel gehüllt ist und seine Reaktion sich nur erahnen lässt. Excmplarisch werden in dcr Verlcugnung des heiligen Petrus menschliche Schwäche und Anfechtungen des Glaubens vcranschaulicht. Das ganze Drama spiegclt sich im verzweifelten Antlitz dcs Heiligen, der sich, nachdem cr Christus zum dritten Mal verleugnet hat, an dessen Prophezeiung am Ölberg erinncrt, wobei ihm schlagartig bewusst wird, dass er den Prüfungen des Glaubens nicht gewachsen ist. Laut biblischem Bericht verließ Petrus darauf den Hof des Palastes und weinte bitterlich. Die Geste seiner Hände kann hier auch als demütige Selbstanklage gclesen werden. Demut und Buße aber eröffnen durch die Barmherzigkeit Gottes auch dem reuigen Sünder den Weg zur Erlösung. Nicht der heroische Märtyrer oder der Begründcr der Kirche ist hier thematisiert. Caravaggio hat Petrus mit seltener Eindringlichkeit in seiner allzumeschlichen Schwächc dargestellt und gerade dadurch als Modell christlichen Glaubens vorgeführt. Kunstvoll hat der Maler vier crzählerische Momente – die Frage der Magd und die verleugnende Antwort, die drohende Verhaftung und das Erkennen der cigencn Unzulänglichkeit – mitcinander verwoben. Die malerischen Mittel sind extrem reduziert und expressiv gesteigert. Mit wenigcn aufgesetzten Lichtcrn lässt Caravaggio die Magd und den Soldaten im Dunkel aufscheincn. Die ausdrucksvollen Hände und das von tiefen Falten durchzogcne Antlitz des heiligen Petrus sind mit breiten, kraftvollen Pinselstrichcnvon fast skulpturalcr Präsenz modelliert.“

So groß die Spanne zwischen phobischer und kontraphobischer Ausprägung dieses Charakters sind, so breit ist die Symbolik hierzu angelegt. Sie reicht im Tierreich vom flüchtigen und hakenschlagenden Hasen bis zum Wolfsrudel. Unter anderem drückt sich hierin auch die besondere Stellung des Menschen in der Evolution auch im Verhältnis zu Tieren aus.

Symboltiere des phobischen Enneagramm-Typs Sechs:

Symboltiere des kontraph obischen Typs Sechs:

Im phobischen Typ kommt der Hase zur Geltung, der durch seine plötzlichen Richtungsänderungen – den sprichwörtlichen Haken – und seiner damit verbundenen Angst zum Sprachsymbol des „Angsthasen“ mutiert ist. Sein ausgeprägtes Fluchtverhalten gibt für diesen Typ, wie auch für die grau getarnte Maus Sinn. Ganz andere Aspekte treten mit dem auffälligeren Reh in Erscheinung. Vom Paläolithikum bis zum Industriezeitalter diente das Reh den Menschen als Grundnahrungsmittel, war ihnen zur Herstellung von Kleidung und Werkzeugen nützlich. Die ausgedehnte Verfolgung dieses sanftmütigen Tieres erweckte bei den Jägern ein intuitives Gefühl nicht nur fur die Wege des Rehs, sondern auch für den sie umgebenden Wald. Frühere Jägergesellschaften erwarben eine so gründliche Erfahrung im Hinblick auf die Bewegungen des Rehs, dass der Glaube entstand, dieses Wesen könne mit einem anmutigen Sprung von einer Welt in eine andere wechseln. Damit symbolisiert es auch die Fähigkeit, die Furcht in Zeiten der Krise – leichter als irgend jemand sonst – zu überwinden und in heroischer Weise über sich hinauswachsen.

Zu den kontraphobischen Tiersymbolen gehören der Wolf, der treue und gehorsame Deutsche Schäferhund und angriffslustige Ratte, wenn sie in die Ecke getrieben wird. Von diesen Symbolen hat keines größere Aktualität und praktische Bedeutung als der Wolf. Daran sind sicher nicht nur die Schäden an Nutztieren beteiligt, sondern auch die bereits den Kindern vorgelesenen Märchen, in denen der Wolf als die Ausgeburt des Bösen dargestellt wird. Vermutlich hat uns keine andere Kreatur zu einer mystischeren Gemeinschaft mit der Natur oder einer erbärmlicheren Furcht vor ihren dunklen Realitäten bewegt als der Wolf. „Der raue Zauber des Wolfsgeheuls beschwört Traumlandschaften herauf, in denen Wölfe in großer Zahl auf dem Grund einer tiefen Kluft lauern, durch die Wildnis urbaner Straßen streifen oder zu unserem Schrecken vor unserer Tür auftauchen. Diese an der Spitze der Nahrungskette stehenden geschickten Raubtiere evozieren die vitalen und ganz und gar unsentimentalen instinktiven Energien der tierhaften Psyche. Unsere Projektionen, mit denen wir sie bcdcnken, enthüllen unsere Sehnsucht nach einer (Wieder-) Verbindung mit unserer cigencn ticrischen Seele und die Angst, dass eine Begegnung mit ihnen in der Zerstückelung des Ego enden würde“ (Zitat: Buch der Symbole, Verlag Taschen)

Es ist von der Darstellung der Abfrageergebnisse im Internet bis zu dieser Symbolik nahezu zwangsläufig, dass Deutschland nach den Kriterien des Enneagramms dem Ländersymbol der Autoren Rohr und Ebert entspricht. Sie schreiben: „Das stereotype Bild der Deutschen entspricht dieser Energie. Wenn Amerikaner die Deutschen nachäffen, dann schlagen sie die Hacken zusammen und brüllen: ,,Achtung!“ (Wer kennt es nicht aus Nazi- und Kriegsfilmen?) Diese verbissene, akkurate Art symbolisiert die kontraphobische Reaktionsweise, die künstliche Selbstsicherheit, hinter der in Wirklichkeit Unsicherheit steckt. Diese Verdrängung der Angst hat sich in der deutschen Geschichte mehr als einmal gerächt. Die Deutschen tun sich bis heute schwer, dem ins Auge zu sehen, was Deutsche im deutschen Namen und auf deutschen Befehf in den beiden Weltkriegen angerichtet haben, weil sie ,,nur ihre Pflicht“ taten. Das alles ist zu angstbesetzt und zu bedrohlich und muß deshalb verdrängt werden. wenn die Deutschen ihre Geschichte nicht wirklich wahrnehmen und annehmen (das ist es, was in der Bibel mit ,,Umkehr“ gemeint ist), dann sind sie dazu verdammt, sie zu wiederholen.

Über Fidelio

Ich bin 1949 geboren und war in meiner berufstätigen Zeit als Stadtplaner in einer mittelgroßen kommune tätig. Seit meiner Studienzeit habe ich mich für die Entwicklung eines erweiterten geistigen Horizonts interessiert und einige Anstrengungen unternommen, mich persönlich in diesem Sinne zu entwickeln. Aufgrund meiner katholischen Erziehung habe ich in den 1960-er Jahren begonnen, mich intensiver mit dem modernen Mystiker Teilhard de Chardin zu befassen und bin so zur Gedankenwelt von Ken Wilber gekommen, die ich in diesem Projekt nutzbar zu machen versuche.
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2 Antworten zu Biblisches Israel und Deutsche Charaktere (I)

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