Am 24. Oktober 1648 wurde der Westfälische Frieden in den Städten Münster und Osnabrück geschlossen. In Osnabrück verhandelten die Protestanten, geführt von ihrer protestantischen Führungsmacht Schweden, mit dem Kaiser und dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. In Münster konferierte das Reich mit den Katholiken, also den Franzosen und Spaniern, dazu kamen die Gesandten der Niederlande, die speziell mit den Spaniern zu tun hatten.
In diesen Tagen wird an dieses Ereignis nach 375 Jahren in einer Zeit gedacht, in der Trost über gewalttätige Ereignisse vielfacher Art dringender denn je benötigt wird und es stellt sich die Frage, ob dieser Friedensschluss für die aktuellen Kriege in der Ukraine und Israel/Palästina Lehren beinhaltet, die in den gegenwärtigen Krisen hilfreich sein können. Hierzu hat die Historikerin Sigrid Westphal in einem Interview mit der Zeitschrift Publik-Forum Stellung genommen.
Zunächst weist sie darauf hin, dass es sich bei dem Krieg, der ganz Europa in Mitleidenschaft zog um eine sehr komplexe Gemengelage handelte, die nur mit vielen Verhandlungen entwirrt werden konnte und sich über fünf Jahre hinzog. Davon dienten allein zwei Jahre dazu, die Rahmenbedingungen für die Verhandlungen zu schaffen. Wie später bei dem Wiener Kongress – „der Kongress tanzt“ – zur Neuordnung Europas nach den Koalitionskriegen spielten auch hier die Bedingungen des Aufenthalts an den Verhandlungsorten eine große Rolle. Westphal vermutet, dass man aus Erschöpfung schließlich die Flucht zu ernsten Gesprächen gesucht habe. Weitere Grundbedingungen waren
- nicht alles auf einmal verhandeln,
- den Waffenstillstand nicht zur Vorbedingung für Verhandlungen machen,
- die Wahrung des Gesichts ermöglichen,
- die Ehre der Verhandlungspartner bewahren.
Diese Verhaltensregeln haben im konkreten Fall zur Entwicklung von Vertrauensverhältnissen geführt, die es ermöglichten, dass die Verhandlungsparteien auf die jeweiligen Gegenüber eingingen. Dabei war es hilfreich, ergebnisoffen zu verhandeln und sich nicht sklavisch an die anfänglichen Ziele zu halten. Besonders wichtig sei in diesen Gesprächen die Übersetzung der Denkhaltungen der Verhandlungspartner in metaphorische Begriffe wie „gerechter Friede„, „Souveränität„, „Schmach“ und – vor allem – „Ehre“ gewesen. Letztlich habe die Kenntnis der Wertehaltungen dieses ermöglicht.
Trotzdem kann das Verhandlungsklima – nicht zuletzt wegen der fortdauernden Kampfhandlungen – nicht als harmonisch bezeichnet werden, sondern eher als von Erpressungen gekennzeichnet. Das es trotzdem nicht zum Scheitern der Verhandlungen gekommen ist, kann vermutlich damit erklärt werden, dass die fortgesetzten Kampfhandlungen und die Auflösung der Komplexität in Teillösungen auch die Verhandlungen in Gang gehalten haben.
In der damaligen Zeit war es ein besonders hilfreiches Ergebnis von Friedensverhandlungen, Verzichtserklärungen bezüglich der Regulierung von Kriegsfolgen abzugeben. Diese gegenseitigen Verzichte sollten späteren Rachegelüsten und Rechtsansprüchen vorbeugen und sind heute durch ein neues Verständnis vom Umgang mit Kriegsverbrechen und Reparationsleistungen gegenstandslos geworden.
Trotz dieser Erfahrungen und Fortschritte in der Bewältigung des Krieges sind gegenwärtig mehr denn je Friedenswille und die Wahrung grundlegender Interessen vermeintlicher oder offensichtlicher Kriegsschuldner übergeordnete Bedingungen für eine dauerhafte Beendigung der Kampfhandlungen. Hieran hat es bei der vertraglichen Bewältigung des ersten Weltkriegs, den Friedensgesprächen zur Beilegung des Nahostkonflikts und der Minsker Protokolle von 2014 gefehlt. Solcher Art Friedensvereinbarungen kommen oft unter Einfluss übermächtiger „Vermittler“ oder nach Zerstörung der Existenzgrundlagen von Staaten durch die Sieger zustande und können als Diktatfrieden bezeichnet werden.
Im folgenden Abschnitten werde ich auf den gegenwärtigen Konflikt in Israel näher eingehen.
Die Mutter aller Konflikte?
Der als Nahostkonflikt bezeichnete Konflikt hat eine lange Geschichte, die bis zum Jahr 1919 zurückreicht. Er führte wiederholt zu Kriegen zwischen dem am 14. Mai 1948 gegründeten Staat Israel und einigen seiner Nachbarstaaten (israelisch-arabischer Konflikt) sowie zu zahlreichen bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Israelis und Palästinensern (Israelisch-Palästinensischer Konflikt). Der internationale Konflikt in der Region dauert bis heute an. Seine Vorgeschichte reicht bis zur Pariser Friedenskonferenz 1919 zurück und ist seit dem 7. Oktober 2023 durch den von der islamistischen Hamas ausgeführten Terrorangriff auf Israel in eine neue Phase eingetreten, die hoch komplex ist und eine große Gefahr für den Weltfrieden bedeutet.
Die aktuelle Situation ist durch die Geiselnahme der Hamas-Kämpfer an jenem 7. Oktober aus israelischen Wohnsiedlungen nahe des Grenzzaunes zum Gaza-Streifen – dem Herrschaftsbereich der Hamas – gekennzeichnet. Über 200 Zivilisten wurden nach einem Massaker an den Bewohnern ohne Ansehen der Person in den umzeunten Gaza-Streifen entführt. Gleichzeitig wurden israelische Städte mit Raketen beschossen, die ebenfalls Tod und Verzweiflung verursachten und bisher zu mehr als 1000 Opfern unter der Zivilbevölkerung Israels führten. Diese Angriffe wurden von Israel mit Bomben auf die Wohnsiedlungen im Gaza-Streifen beantwortet, die ebenfalls zu vielen Toten und Verletzten Zivilisten unter der palästinensischen Bevölkerung führten und eine Fluchtbewegung von Hunderttausenden in den südlichen Teil des Gazastreifens auslösten.
Nach anfänglicher Einstellung der Wasser- und Stromversorgung durch Israel kamen zu der unmittelbaren Bedrohung des Lebens durch Waffengewalt die Gefahren durch Krankheiten und Blockaden der Lebensmittelversorgung hinzu, die vor allem die Kinder bedrohten. Nach vielen diplomatischen Bemühungen und Protesten ist es nun nach mehr als 10 Tagen Auszehrung zu ersten Lieferung von medizinischen Gütern und Nahrungsmitteln über ägyptisches Territorium gekommen.
Diese Entwicklungen laufen parallel mit sporadischem Beschuss Israels mit Raketen durch die auf libanesischem Gebiet befindliche Hisbollah-Miliz, die jeweils zu Gegenmaßnahmen durch Israel führen, ohne jedoch bisher zu einem systematischen Kriegsgeschehen zu führen. Sie stellen bisher eine wechselseitige Warnung an die Konfliktparteien dar, die Auseinandersetzungen weiter eskalieren zu lassen. In diesem Sinne ist auch die Entsendung von zwei Flugzeugträgern in die Nähe der Insel Zypern zu werten, die einerseits vor der Eskalation des Krieges warnen, andererseits aber auch auf die Unterstützung Israels durch die USA hinweisen.
Dem Leiden der palästinensischen Bevölkerung im Gaza-Streifen steht neben der unmittelbaren Bedrohung von Leben und Gesundheit die Erschütterung des Vertrauens in die Schutzversprechen des israelischen Staates gegenüber, die mit dem Versagen der Regierung zu erklären seien. Etwa eine Woche nach Beginn der Angriffe haben der israelische Inlandsgeheimdienst und der Militärgeheimdienst die volle Verantwortung für die mangelhafte Aufklärung der Aktivitäten bei der Hamas übernommen. Entsprechende Reaktionen der verantwortlichen Politiker sind bisher nicht bekannt.
Berichte über die öffentlichen Meinungen im politischen Spektrum Israels vermitteln den Eindruck, dass sich Tauben und Falken in der Frage, wie man in Zukunft mit der Hamas umgehen soll, stark annähern. In der Ausgabe Nr. 44 der Wochenzeitung DIE ZEIT wird eine engagierte Gegnerin der Regierung Netanjahu zitiert:»Das Spiel hat sich verändert«, auch sie habe, wie die Militärstrategen und Geheimdienstler, das Gefühl einer Zeitenwende. Für Sharon bedeutet das Umdenken den schmerzhaften Abschied von bisherigen Versöhnungshoffnungen. »Es ist religiöses Zeug, es ist nicht politisch«, bemerkt sie über den ideologischen Fanatismus der Hamas, der ihr durch das Massaker klar geworden ist. »Sie wollen keinen Frieden, sie wollen keine Grenzen. Wir haben ihnen das Gebiet gegeben, wir haben ihnen Gaza gegeben.« Die Zeit der Ausgleichsversuche ist in ihren Augen vorbei: »Man kann hier nichts verstehen, man kann nicht verhandeln.« Solche Äußerungen werden der historischen Entwicklung der Konflikte um den Gaza-Streifen nicht gerecht und belegen die verkürzende Wirkung aufgepeitschter Emotionen. Andererseits fördern sie jedoch auch tieferliegende Ängste zutage, die häufig bei linken Intellektuellen festzustellen sind und sich in der Ablehnung spiritueller Motive äußert, indem sie der Gegenseite unterstellt werden, obwohl die Hamas ihrem Verhalten nach kaum in diesen „Verdacht“ geraten kann.
Die in der gegenwärtigen Auseinandersetzung häufig berichteten Gräueltaten, die an die Selbstinszenierungen des Islamischen Staats erinnern und von Enthauptungen bis zur Tötung von Babys reichen, müssen in den Bereich archaischer und magisch-animistischer Praktiken eingeordnet werden und haben mit einer modernen Religiosität oder Spiritualität nichts zu tun. Dennoch sind sie geeignet, als Symbole tieferliegende Schichten des Bewusstseins aufgeklärter Menschen zu erreichen und so eine gewisse Vertrautheit zu bewirken. Deshalb haben sie auch tyrannischen Herrschern – aber nicht nur diesen! – als Instrumente des Strafvollzugs gedient. Nach der Wikipedia wurde sie innerhalb Europas noch „in Britannien bis 1747, in Finnland bis 1825, in Dänemark bis 1892 und in Norwegen bis 1905“ als offizielle Hinrichtungsart von Hand angewandt. „Die Hinrichtung durch die Guillotine wurde in Algerien, Belgien, Griechenland, Italien bis 1875, in Luxemburg, Monaco, und der Schweiz bis 1940, in Schweden, Tunesien und Vietnam bis 1960 angewandt„.
Die Symbolik des Kopfes reicht von der Urzeit bis in die Gegenwart hinein und hängt eng mit den funktionellen Zuschreibungen des Schädels als Behältnis zusammen. Dieser oberste Teil des Körpers enthält das Gehirn, zu ihm gehören die Augen, Ohren, Nase und Mund, alles wesentliche Elemente für Wahrnehmung, Inspiration und Ausdruck eines Menschen. Die meisten alten Völker lokalisierten im Kopf die Seele, Vitalität und Kraft sowie einen Dämon oder göttlichen Geist. Hier lagen also alle Repräsentationen des Menschseins auf engem Raum beisammen und man könnte – in Abhängigkeit vom jeweiligen Gottesbild – durchaus auf die Idee kommen, in ihm ein Modell des Kosmos zu besitzen.
Viele Praktiken sind auf diesen Symbolismus zurückzuführen, zum Beispiel den Kopf zu verschleiern oder zu bedecken, um ihn zu schützen. Durch das Niesen, so glaubte man, verlöre man etwas von der göttlichen Essenz im Kopf, deshalb sagen wir, wenn jemand niest, ,,Helf dir Gott„. Zum Segnen werden Hände auf den Kopf gelegt. Die Phrenologie, eine Theorie mit der man versuchte, die Persönlichkeit eines Menschen nach der Form und den Ausbuchtungen seines Kopfes zu analysieren, wurde im 19. Jahrhundert als Wissenschaft angesehen.
Der starke Zauber, der mit dem Kopf verbunden wird, zeigt sich in den weltweit verbreiteten Praktiken der Kopfjägerei und Enthauptungen. Da man meinte, der Kopf enthalte den Geist und die Macht einer Person, eroberte man sich diese Macht mit dem Abschlagen des Kopfes und seinem rituellen Gebrauch, die damit auf den Köpfenden, dessen Gemeinschaft, das Land und die Macht der Götter überging.
Erst seit dem Zeitalter der Wissenschaften, also noch nicht allzu lange, repräsentierte der Kopf Vernunft und Geist. Die alten Völker meinten, diese wohnten im Herzen oder in der Brust, während der Kopf die Psyche, fruchtbare Essenz und unzerstörbares Leben enthalte. Symbolisch gilt diese überlieferte Ansicht im Unbewussten der modernen Menschen noch immer. Dadaistisch und surrealistisch arbeitende Künstler nahmen am Anfang des 20. Jahrhunderts die analytische Deutung der Psyche im Sinne Sigmund Freuds auf und stellten den bizarren (ungewöhnlichen) Aspekt des linearen und schematischen Bewusstseins des 20. Jahrhunderts in ihren Bildern dar.
Einer der bedeutendsten Maler des Dadaismus war Max Ernst. Sein Bild „Dada Gauguin“ aus dem Jahr 1920 nimmt diese Erkenntnisse der Psychoanalyse auf und verwendet hier u. a. die Symbolik der Höhle. Das Bild stellt die dreimal wiederkehrenden Umrisse einer als manipulierbare Puppe zu erkennenden Figur dar, die auf die technisch hergestellte Reinheit der Moderne hinweist, die von den symbolisch dargestellten Kräften des Geschlechtlichen durchbrochen und gestört wird. Die hier verwendete Symbolik verweist auf die Urfunktionen des Lebens, die in der Höhle ihren gemeinsamen Ort haben und darüber hinaus – darauf hat Oswald Spengler hingewiesen – Eingang in die Symbolik der Architektur gefunden hat. Spengler schreibt:“Denn es gibt weder eine spätantike noch eine altchristliche noch eine islamische Kunst in dem Sinne, dass die Gemeinschaft der Bekenner in ihrer Mitte einen eignen Stil ausgebildet hätte. Vielmehr besitzt die Gesamtheit dieser Religionen von Armenien bis nach Südarabien und Axum und von Persien bis Byzanz und Alexandria hin trotz aller Gegensätze im einzelnen einen künstlerischen Ausdruck von großer Einheitlichkeit. Alle diese Religionen, die christliche, jüdische, persische, manichäische, synkretistische besaßen Kultbauten und, zum wenigsten in der Schrift, ein Ornament vom höchsten Range; und mochten ihre Lehren im einzelnen noch so verschieden sein, so geht doch eine gleichartige Religiosität durch alle hindurch und fand in einem gleichartigen Tiefenerlebnis mit daraus folgender Raumsymbolik ihren Ausdruck. Es gibt etwas in den Basiliken der Christen, hellenistischen Juden und Baalskulte, in den Mithräen, mazdaischen Feuertempeln und Moscheen, was von einem gleichen Seelentum spricht: das Höhlengefühl.“ Äußeres Zeichen dieser Symbolkraft sind die gewaltigen Kuppelbauten, die es aufgrund dieser Gemeinsamkeit in der Symbolik zulassen, dass aus der einst mächtigsten Kirche der Christenheit – der Hagia Sophia – nach dem Sieg des Islam eine Moschee und später ein Museum und schließlich wieder eine Moschee werden konnte.
Die Dichter des Altertums und des Mittelalters beschrieben den Eingang zum Hades oder zur Hölle als eine unüberschaubar weit in die Tiefe reichende Höhle und griffen auf die Mutter-Assoziationen zurück, um einen Ort des Todes, der Wiederkehr, der Initiation und der Wiedergeburt darzustellen.
In der völligen Dunkelheit einer Höhle bekommt das Symbol des Lichts seine dramatische Wirkung, wie sie als hell-dunkel-Kontrast von dem Maler Caravaggio für seine lebendigen Bildszenen genutzt wurde – und seinen Ruhm begründete.
Folgt man dem Handbuch der jungianischen Symboldeutung hat die Höhlensymbolik in Philosophie, Religion und Alchemie großen Einfluss gewonnen. Platon lehrte in seinem Höhlengleichnis, dem Ignoranten, der die von einem himmlischen Licht an die Wände geworfenen Schatten betrachte, sei die ganze Welt eine Höhle, während der Weise dieses Licht direkt wahrnehme. Die Alchemie beschrieb die Höhle als eine Form des alchemistischen vas, und in der religiösen Überlieferung wurde die Höhle als Raum der Wandlung und Gipfelpunkt einer spirituellen Suche betrachtet. Mohammed hörte die Stimme Allahs in einer Höhle widerhallen, und in christlich-orthodoxen Ikonen wird die Geburt des Jesuskinds als Ereignis in einer Höhle dargestellt.
Psychologisch betrachtet, kann das Betreten einer Höhle den Charakter einer Introversion, einer Inkubation, einer Regression zur Quelle, eines psychischen Rückzugs oder eines Winterschlafs haben. Ein Wanderer kann sich in einer Höhle verlieren oder verirren, oder das ,,Höhlenerlebnis“ führt ihm vor Augen, wie sehr ein dauerhaftes Eingeschlossensein zu erdrückenden Selbstzweifeln ftihren kann.
Diese Beispiele lassen die umfassende Bedeutung der Höhlen erkennen, die auch heute noch viele Menschen faszinieren und über die touristischen Attraktionen von Tropfsteinhöhlen und Kalksteinhöhlen hinaus wissenschaftliches Interesse verschiedener Disziplinen weckt. Nicht zuletzt wecken Höhlen auch Interesse bei kranken Menschen, die in ihnen heilende Kräfte vermuten und spirituelle Inspiration suchen.
Mit den vorstehenden Ausführungen zur Symbolik des Kopfes und der Höhle soll keineswegs das zynische Verhalten der Hamas-Kämpfer gerechtfertigt werden. Vielmehr möchte ich damit auf die Verwendung von psychologischen Techniken hinweisen, die ihre Ursprünge in archaischen Kulturen haben und auch in aufgeklärten Gesellschaften neu interpretiert und als Abschreckung sowie auf perfide Weise nutzbar gemacht werden. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass es keine Seltenheit ist, unter Kriegsverbrechern psychologisch geschulte Ärzte zu finden. Als Beispiel ist an den als Kriegsverbrecher verurteilten Radovan Karadzic und die Foltermethoden an den Guantanamo-Gefangenen zu erinnern.
An dieser Stelle kann ebenfalls festgestellt werden, dass die weit in die Vergangenheit zurückreichenden Konflikte, die religiös aufgeladen sind, nicht ohne Einbeziehung religiöser Gesichtspunkte – kulturell, politisch und geschichtlich – gelöst werden können und wegen der Beteiligung der zwei größten Weltreligionen in ihren Entstehungsgebieten weit über den geografisch abgrenzbaren Bereich ausstrahlen und deshalb „Mutter aller Konflikte“ genannt werden können. Damit ist ebenfalls das besondere Engagement der UN und der ehemaligen Weltmächte USA und Russland angesprochen, die bereits direkt oder im Hintergrund an dem Konflikt beteiligt sind.
Die Wertewelten der Kriegsbeteiligten
In den folgenden zwei Abschnitten werde ich die Wertewelten und Quadrantenbilder der Bewusstseinsfelder für die Konfliktbeteiligten darstellen. Dabei muss ich mich auf die räumlich eingegrenzten Akteure, die unmittelbar mit Israel in Kontakt stehen, beschränken, da die Betrachtung sonst zu umfangreich würde und nicht mehr in diesem Projekt geleistet werden könnte. Konkret sind es die Staaten Israel und Palästina, die Vertretungen der Palästinenser als Hamas, Fatah und Hisbollah. Die Datenabfragen erfolgten in hebräisch, arabisch, deutsch und englisch, letzteres als Ergänzung für die Haltung der englischsprachigen Weltgemeinschaft und insbesondere der im Ausland lebenden Juden.
Zunächst gebe ich eine Übersicht über die zeitliche Entwicklung des Konflikts seit 1980. In Grafik 1 sind die Aktivitäten von vier Akteuren der palästinensischen Seite als geglättete Kurven nach Abfragedaten der Suchmaschine Bing dargestellt. Besonders auffällig ist die Entwicklung der blauen Kurve für die Hamas, die in drei Entwicklungsphasen verläuft: Von 1980 bis etwa in die Mitte der 80-er Jahre auf niedrigem Niveau mit abnehmender Tendenz beginnend, gefolgt von einem starken Anstieg bis etwa 2004/2005, dem Zeitraum terroristischer Angriffe auf Israel von Gaza aus und den internationalen Bemühungen um eine Befriedung des Gaza-Streifens, die im Jahr 2005 zum einseitigen Rückzug Israels aus diesem Teil Palästinas führten, der jedoch nach internationalem Recht nicht zur Entbindung Israels von der Verantwortung für dieses Gebiet führte. In dem darauf folgenden Abschnitt bis etwa 2014/2015 blieben die Aktivitäten der Hamas auf gleichem Niveau stehen. Im Juli 2014 unternahm Israel eine Militäroffensive, die zu vielen Toten im Gaza-Streifen führte. Danach kam es zu einem beschleunigten Anstieg der Aktivitätskurve für die Hamas, die bis zum aktuellen Krieg anhält.
Die anderen Kurven zeigen im Vergleich mit der Hamaskurve bis zum Ereignis im Jahr 2014 einen eher ruhigen Verlauf mit einem leichten Abwärtstrend bei der palästinensischen Autonomiebehörde. Letzterer kann als Hinweis auf nachlassende diplomatische Aktivitäten zur Befriedung der vor allem durch israelische Siedler in Gang gehaltenen gewaltsamen Aktionen gewertet werden. Der bei allen Akteuren zu sehende Anstieg der Aktivitäten ab 2014 ist andererseits ein Hinweis auf eine generell wachsende Gewaltbereitschaft der palästinensischen Seite, die sich mit den nun in der arabischen Welt stattfindenden Solidaritätsbezeugungen verbindet.
In den Grafiken 2 und 3 sind zwei Betrachtungsebenen unterschieden, die in Grafik 2 von der staatlichen Integrität Israels ausgehen und in Grafik 3 umstrittene Gebiete bezeichnet, die durch unterschiedliche Gruppen von Akteuren gekennzeichnet sind. Grafik 2 lässt ab 1990 einen starken Anstieg des Interesses am Nahostkonflikt erkennen, der bis etwa 1995 nachwirkt. Es handelt sich um die Zeit des Golfkriegs, in der etwa 450 000 Palästinensische Flüchtlinge aus dem vom Irak angegriffenen Kuweit vertrieben wurden. In der Folgezeit ebbt der Nahostkonflikt nur für jeweils kurze Zeit ab und nimmt die Konflikte im Gaza-Streifen weitgehend auf. Eine selbständige Wahrnehmung des Gazakonflikts hat es lediglich in der Zeit von 1980 bis 1990 gegeben.
Aktivitätsschwerpunkte sind bezüglich des Libanon bis 1989 und darüber hinaus bis 1998 zu sehen. Hierin bildet sich der langjährige Bürgerkrieg im Libanon ab, der bis in die Gegenwart nicht abschließend beigelegt ist. Auffällig ist auch die ab 2006 verstärkte Aktivität im Westjordanland, die durch den Einsatz israelischer Sicherheitskräfte gegen die illegale jüdische Siedlung Amona hervorgerufen wurde.
Insgesamt ergibt sich jedoch aus den Grafiken 2 und 3 ein Bild geringer Zuordnung einzelner Ereignisse zur Erregung der öffentlichen Wahrnehmung. Die Ursache hierfür ist in dem hohen Komplexikationsgrad der Gesamtsituation im nahen Osten zu sehen, der nur unscharfe Begriffszuordnungen zulässt, wie an den aufgeführten Einzelbeispielen zu erkennen ist. Größere Aussagekraft hat dagegen das Verhältnis des Begriffes „Israel“ im Spannungsverhältnis zu den einzelnen Konflikten. In dieser Hinsicht ergibt sich aus Grafik 2 ein Bild potentieller Bedrohung durch die ganz Israel betreffende Durchmischung arabisch stämmiger und überwiegend palästinensischer Bevölkerung, die hier unter dem Begriff „Intifada“ in Erscheinung tritt. Der Einfluss dieses Widerstandes gegen die Repressionen seitens Israels ist besonders groß in den 1980-er Jahren und seit 2015. Dieses Bild wird durch die seit 2006 zunehmende Bedrängung Israels durch die Konflikte im Westjordanland und im Gaza-Streifen nach Grafik 3 ergänzt. Dort ist auch die bereits erwähnte Betonung des Gazakonflikts abzulesen.
Wie bereits aus den Erfahrungen des 30-jährigen Kriegs abgeleitet, spielen grundlegende Kenntnisse über die Werthaltungen der Konfliktbeteiligten eine große Rolle für den Erfolg von Friedensverhandlungen. Eine Anwendung der Methode „Spiral Dynamics“ kann hierbei hilfreich sein. Nachfolgend gebe ich einen groben Überblick über die Wertesysteme und Bewusstseinsfelder der unmittelbar betroffenen Akteure in Israel bzw. Palästina im Spiegel der Internetnutzer – speziell der facebook-Nutzer. Die hierbei zu überwindenden Sprachbarrieren schränken den Kreis der einbezogenen Meinungsträger allerdings ein. Es werden die häufigsten Sprachen Israels berücksichtigt und jeweils separat ausgewertet. Neben der Amtssprache Hebräisch werden die frühere Amtssprache Arabisch und das in Schulen gelehrte Englisch sowie Deutsch verwendet.
Die Abfragen bei facebook haben den Vorteil, dass sie große Datenmengen ergeben, die für die Wertesysteme am unteren und oberen (vorläufigen) Ende der Entwicklungsspirale noch verwertbare Ergebnisse liefern und darüber hinaus ein breites sozio-kulturelles Spektrum abbilden. Letzteres ist in der existenziellen Notlage Israels und Palästinas von besonderer Wichtigkeit, da die Folgen des Krieges von allen Bewohnern dieser Gebiete getragen werden.
In den Grafiken 4 bis 7 sind deutliche Unterschiede in den Ergebnissen abzulesen. Erwartungsgemäß bilden sich hierin die Interessen der jeweiligen Sprecher dieser Sprachen ab. Hierzu werde ich kurze Charakteristiken erstellen:
- In Grafik 4 kommt überwiegend das deutsche Interesse an Israel und die Haltung zu den übrigen Konfliktparteien zum Ausdruck. Das Existenzrecht Israels wurde seitens der Bundesregierung und aller im Bundestag vertretenen Parteien in den letzten Tagen wiederholt betont und seitens der Regierung zur Staatsraison erklärt. Dabei handelt es sich um keinen Rechtsbegriff mit feststehender Definition, sondern um eine dem Staat dienende Haltung, die verschiedenen Situationen gegenüber angepasst werden kann. In der gegenwärtigen Lage Israels wurde Staatsraison von einzelnen Reserveoffizieren und Hochschullehrern der Bundeswehr die Meinung vertreten, die Staatsräson schließe auch die Verpflichtung Deutschlands zur aktiven militärischen Unterstützung Israels durch Soldaten ein. Dem trägt das in Grafik 4 zu sehende Ergebnis mit einem nahezu 100%-igen Interesse der israelischen Sprachgemeinschaft am Überleben (Beige) insoweit Rechnung, als sie diese Garantie durch ihren Staat erwarten. Die Übertragung des alles andere überragenden Lebenswillens auf den Staat ist auch durch verschiedene Beobachter der öffentlichen Meinung bestätigt, die von schweren Vorwürfen gegen die israelische Regierung berichten in der Hinsicht, sie habe das den Menschen gegebene Versprechen, Juden sollten nie wieder Opfer von Verfolgung in diesem Staat sein, nicht eingehalten. Aus der Schuld der Shoa kann sich daher auch die Pflicht zu großen Opfern der deutschen Gesellschaft ergeben – allerdings nicht um den Preis der eigenen Existenz, wie es bei einer aktiven Teilnahme an einem Krieg eintreten kann.
- Das Ergebnis bezüglich Palästina in Grafik 4 zeigt ein differenzierteres Bild, das auf die vier randständigen WMeme begrenzt ist.Die darin zum Ausdruck kommende Charakteristik ist ein Hinweis auf die Wahrnehmung aus deutscher Perspektive unter dem Aspekt der Hilfe für das palästinensische Volk. Am Anfang der Spirale ist ein starkes Beige zu sehen, das jedoch von Purpur deutlich überflügelt ist. Beide zusammen ergeben die prekäre Situation des palästinensischen Volkes, dass seine Identität über die Clanidentitäten und die kulturellen Erzählungen bewahrt. Die in Beige zum Ausdruck kommende existentielle Not ist zum Teil auf die Hilfe der Staatengemeinschaft und durch feste Familien- und Clanverbindungen angwiesen, so dass sich beide Wertesysteme bedingen. Darüber hinaus wird die Not auch erträglicher, wenn die Hoffnung auf Besserung durch die Magie der purpurnen Erzählungen aufrecht erhalten werden kann. Die beiden am Ende der Spirale stehenden Wertesysteme bilden die zweite Ordnung der Entwicklungsspirale und haben keine eigenen materiellen Grundlagen, sondern koordinierende und effizienzfördernde Möglichkeiten, die sich auf die erste Ordnung der Spirale auswirken – jedoch erst in Grafik 6 sichtbar werden.
- Für die Situationen der drei Palästinenser-Organisationen gilt das zuvor Gesagte mit einigen Modifikationen. Bezüglich der Hamas spielt das WMem Beige eine dominante Rolle, die von einem den beiden anderen Oraganisationen vergleichbaren Purpur begleitet wird. Zusätzlich kommt hier ein vergleichsweise schwaches Rot zum Ausdruck, dass im Vergleich zur Fatah und Hisbollah eine geringere Gewaltbereitschaft vermuten lässt. Dieses Ergebnis steht nur scheinbar im Widerspruch zu den derzeitigen Kampfhandlungen im Gaza-Streifen. Die Vorbereitungen von terroristischen Attacken wird durch die Hamas unter strenger Geheimhaltung zum großen Teil in unterirdischen Tunneln und unter der Tarnung ziviler Gebäude durchgeführt und wurde selbst von Israels unmittelbaren Beobachtungen nicht wahrgenommen. Die terroristische Kampfbereitschaft kompensiert zusätzlich den Mangel an politischer Unterstützung durch die Bevölkerung und die Isolierung von der territorialen Nachbarschaft durch einen streng gesicherten Zaun. An dieser Stelle ist nochmals zu betonen, dass es sich hier um eine Außenwahrnehmung handelt und keineswegs um das wahre Gesicht der Hamas.
- Im Profil für die Fatah und die Hisbollah fehlt das WMem Beige. Bezüglich der Fatah erklärt sich das, weil es sich hier um eine politische Gruppierung handelt, die in verschiedenen Palästinenser-Gebieten und in Israel allgemein aktiv ist und der gewaltsamen Durchsetzung ihrer Ziele entsagt hat. Dennoch spielt der Widerstand gegen israelisches Dominanzstreben in Form der Intifada und einzelner Kampfgruppen noch immer eine Rolle. Insgesamt sind die Aktivitäten und insbesondere die Beziehungen zur Hamas nicht fest umrissen. Hierzu gehört auch das Sichtbarwerden von Blau in geringem Maße, womit der Einfluss auf die Bildung staatlicher Strukturen angedeutet wird. Hierauf und auf die Durchmischung mit der israelischen Wirtschaft ist es zurückzuführen, dass Beige hier nicht wahrgenommen wird.
- Im Profil der Hisbollah fehlt ebenfalls Beige, gleichzeitig tritt hier Rot stark hervor. Der Hintergrund hierfür ist in der Existenz geordneter Kampfverbände zu sehen, die von libanesischem Territorium aus eine hochgerüstete Bedrohung Israels darstellen. Als Träger dieser Einheiten gilt der Iran, der die Waffentechnik und die materielle Versorgung der Einheiten sicherstellt. Bemerkenswert ist hier die starke Dominanz von Türkis bei gleichzeitiger Schwäche von Gelb. Daraus ist die koordinierende und religiös untermauerte Beeinflussung der Hisbollah durch das schiitische Regime im Iran abzulesen, wodurch die Bedeutung von Gelb abgeschwächt wird.
- In Grafik 5 ist die Wahrnehmung analog zu Grafik 4 aus der englischsprachigen Sicht ablesbar. Hier stellt sich im Unterschied zur deutschen Sicht das israeliche Profil wesentlich differenzierter dar. Der Hauptgrund hierfür ist vermutlich in der großen Verbreitung der Juden im englischen Sprachraum zu suchen. Allein in den USA leben mehr Juden als in Israel selbst. Im Vergleich mit Deutschland ist der Anteil der hier lebenden Juden an ihrer Gesamtheit marginal. Damit im Zusammenhang steht die geringe Verbreitung von Wissen über die jüdische und israelische Kultur, das zwangsläufig in den USA wesentlich stärker als im deutschen Sprachraum ist. Damit ist bereits der hohe Stellenwert angedeutet, den Israel für die englischsprachige Sicht auf die Gemengelage hat. Das Werteprofil Israels ist daher stark durch die amerikanische Weltsicht beeinflusst. Die Ergebnisse sind also eher als amerikanisch/israelisches Profil zu bezeichnen. Hieraus entspringt ein dominierendes Orange, das für den individuellen Erfolg steht, der charakteristisch für den American Way of Life ist und neben einem ausgeprägten Individualismus und Freiheitsliebe das Streben nach irdischem Glück propagiert. Dementsprechend sind im Werteprofil die individuellen Wertesysteme Rot, Orange und Gelb führend. Stellvertretend für den orangenen Erfolg steht die IT–Branche, die etwa die Hälfte des Exportumsatzes Israels ausmacht und Tel Aviv neben San Francisco und London zu einer Boomtown von Start-ups dieser Branche gemacht hat. In seinem Buch »Die israelische Wirtschaft. Eine Geschichte von Erfolg und Kosten« hat der israelische Ökonom Joseph Zeira (engl.) dargelegt, was Israel die Konflikte mit den Palästinensern und anderen arabischen Ländern kosten. Nach seinen Berechnungen könnte das israelische Bruttoinlandsprodukt ohne diese Konflikte um 30% höher sein. Das im Vergleich zu den anderen Profilen deutlich hervortretende Rot zeigt die Wahrnehmung einer starken Gewaltbereitschaft an, die einerseits als Reaktion auf die Bedrohungslage zu sehen ist, andererseits auch die aggressive Siedlungspolitik Israels in palästinensischen Gebieten zum Ausdruck bringt. Hiermit korrespondiert das noch stärkere Rot im Profil der Fatah, die vor allem die Interessen der Palästinenser im Westjordanland vertritt und Widerstand gegen die illegalen Siedlungen radikaler Juden leistet. Neben Rot tritt das deutlich wahrgenommene Purpur hervor, dass als Hinweis auf alttestamentarische Überlieferungen der jüdischen Schriften gelesen werden kann und für orthodoxe Juden eine Rechtfertigung für die gewaltsame Besetzung palästinensischer Gebiete liefert. Am entgegengesetzten Ende der Spirale imponiert das starke Gelb, das den starken Einfluss von religiösen Persönlichkeiten und amerikanischen oder israelischen Politikern in der Aufrechterhaltung bzw. Lösung der Konflikte darstellt.
- Für die Interpretation der im arabischen Sprachraum beheimateten Gruppen bzw. Gebiete der Grafik 6 ist zu berücksichtigen, dass aufgrund der erheblichen wirtschaftlichen Verflechtungen der erdölexportierenden arabischen Länder mit den westlichen Industriestaaten ein erheblicher Anteil der Kommunikation zwischen diesen Ländern in englisch stattfindet. Ein Test mit dem universell vorkommenden Begriff „Mutter“ ergab für die TLD .sa (Saudi Arabien) einen Anteil von 14% englisch am arabischen Gebrauch. Im Profil der Hamas sticht die Dominanz des WMems Purpur als Kontrast zu den anderen Profilen heraus. Eine schlüssige Erklärung hierfür kann ich nicht finden und vielleicht erklären sich viele Missverständnisse über das Verhalten der Hamas gerade aus dieser Irritation. Denkbar sind. Den arabisch beeinflussten Profilen ist ein starkes Gemeinschaftsgefühl zu eigen, das in starkem Grün zum Ausdruck kommt und für die Hisbollah und Palästina als Ganzes kennzeichnend ist. Wie aus deutscher Perspektive tritt auch hier für die Fatah die Wahrnehmung großer Gewaltbereitschaft zutage. Dagegen stellt sie sich bei der Hamas und der Hisbollah als untergeordnet dar und ist nur leicht erhöht gegenüber westlichen Ländern. Die Ordnungsstrukturen von Blau treten bei der Fatah und der Hisbollah stark in Erscheinung. Sie sind der Hinweis auf den Einfluss der Autonomiebehörde für Palästina, die über die Vergabe von internationalen Hilfsgeldern ordnenden Einfluss ausüben kann bzw. die Aktivitäten des Iran, der im Hintergrund regiert. Die starke Ausprägung von Blau im Vergleich zur deutschen Perspektive ist neben den starken Abweichungen allgemein als Hinweis zu sehen, dass sich die deutsche Sicht auf den Nahostkonflikt deutlich von der Sicht im englischen Sprachraum unterscheidet. An dieser Stelle ist allerdings auch darauf hinzuweisen, dass Großbritannien als Mandatsmacht über Palästina eine historische Mitverantwortung für den Palästinakonflikt trägt. Im Unterschied zur deutschen Sicht zeigen sich hier neben relativ geringen Anteilen von Purpur auch deutliche Spuren von Armut. Der Einfluss des Iran wird ebenfalls im Bezug auf die Hisbollah in starkem Türkis und deutlich ausgeprägtem Orange und Gelb deutlich.
- Die Profile der Grafik 7 in hebräisch stellen die israelische Sicht auf die Konfliktbeteiligten dar. Damit zeigen sie auch das Verständnis von der eigenen Rolle an. Diese ist in hohem Maß von der Ausblendung – also der Vermeidung von Reflexion – der Gesamtsituation Israels gekennzeichnet. Das hierfür stehende Grün ist das Kennzeichen exklusiver Gemeinschaft, das am Ende der Entwicklung der Spirale erster Ordnung auftritt. Hier stellt sich die Notwendigkeit und die Möglichkeit, eine erweiterte Perspektive der Welt zu gewinnen, oder in die Regression zurück zu fallen. Das bereits deutlich am „Horizont“ erscheinende Türkis kann ein Hoffnungsschimmer für ein reflektierendes Bewusstsein in der Gruppe sein. Das Bild von der Hamas – wie auch der weiteren Profile – stellt sich aus jüdischer Sicht unter starkem Einfluss von Grün dar. Dabei weicht das Profil der Fatah deutlich von den anderen Profilen ab. Die Ursache hierfür ist die Spaltung der Palästinenserführung in die Hamas als Vertretung für den Gaza-Streifen und die Fatah als Vertretung für das Westjordanland. Da Israel die Hamas seit der Trennung 2006/2007 nicht als Verhandlungspartner anerkennt und das israelische interesse an der schleichenden Inbesitznahme des Westjordanlandes durch jüdische Siedler groß ist, wurde das Augenmerk des Staates Israel auf das Westjordanland und damit auf die Fatah konzentriert. Diese Politik findet ihren Ausdruck in einem relativ schwachen Grün der Fatah, das einem relativ starken Blau als Ordnungsstruktur gegenüber steht. Diese kollektiven Wertesysteme ermöglichen es einem etwa gleichstarken Orange, individuelle Freiheiten und wirtschaftliche Entwicklung in bescheidenem Maße zu entwickeln. Das gegenüber den anderen drei Profilen deutlich schwächere Rot als Hinweis auf Gewaltbereitschaft kann als Folge dieser Entwicklung gesehen werden. Die im Profil für die Fatah außerordentlich stark hervortretenden WMeme Gelb und Türkis sind Hinweis auf das hohe Maß an systemischen und holistischen Engagements zur Lenkung und Befriedung der permanent und ungeordnet stattfindenden Landnahmen durch jüdische Siedler. Die Entwicklung im Verhältnis von Israel zur Fatah hat vermutlich auch als Modell für die Verbesserung des Verhältnisses zur Hamas im Gaza-Streifen gedient. Hier sind ähnliche Wertestrukturen zu sehen – jedoch auf wesentlich niedrigerem Niveau und bei doppelt so starkem Gewicht von Grün, so dass sich Blau – das heißt staatliche oder quasi-staatliche Ordnung entfalten konnte. Das Resultat von den hieraus entstehenden Missklängen ist in dem relativ starken Rot zu sehen. Dennoch sind mit dem starken Türkis starke Reflektionen angedeutet, die auf die Bemühungen der israelischen Regierung hindeuten können, den Entwicklungsprozess im Gaza-Streifen zu fördern. Die Profile von Hisbollah und Palästina als Ganzheit sind sich sehr ähnlich und können als Kern der von Israel gesehenen Bedrohung durch die arabischen Nachbarn gesehen werden. Demnach gibt es ein ausgeprägtes palästinensisches Gemeinschaftsbewusstsein, das dem israelischen nahe kommt, starke Gewaltbereitschaft und schwache sozio-ökonomische Kräfte, die einer Entwicklung starker individueller Antriebe im Wege stehen. Hinsichtlich der Hisbollah wird auf den im Hintergrund steuernd eingreifenden Iran (s.o.) hingewiesen.
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