Biblisches Israel und Deutsche Charaktere (I)

Nachfolgend gebe ich zu den vier Typen die allgemeinen Merkmale nach dem Buch „Das Enneagramm: Die neun Gesichter der Seele“ von Richard Rohr und Andreas Ebert an;

Typ 3

Die besonderen Begabungen der DREIER fiihren dazu, dass sie häufig eine vertrauenerweckende uncl sichere Leichtigkeit ausstrahlen, die ihnen erlaubt, eine gute Atmosphäre zu verbreiten. Es fällt ihnen leicht, Auf’gaben effektiv und kompetent zu erledigen, sich persönliche Ziele zu stecken und sie auch zu erreichen, sowie andere Menschen zu begeistern, zu motivieren uncl zu befähigen, ebenfalls voranzukommen.

DREIER haben einen ,,sechsten Sinn“ für die Einschätzung von Aufgaben und fiir die Dynamik von Arbeitsgruppen. Sie identifizieren sich mit der Firma (Gemeinschaft, Orsanisation), für die sie tätig sind und haben die Gabe, für ein gutes Betriebsklima zu sorgen und den Laden zusammenzuhalten. Die Verbindung und Vernetzung der Gruppenmitglieder liegen ihnen am Herzen. DREIER können clurch ihre überzeugende Ausstrahlung und durch die Kraft ihrer Argurnente großen Einfluß gewinnen und Projekte, an die sie glauben, zum Erfolg führen. …

Als Kinder wurden DREIER oft nicht um ihrer selbst willen geliebt, aber gelobt und belohnt, wenn sie erfolgreich waren und besondere Leistungen vorweisen konnten. Wenn sie mit guten Noten heimkamen oder ein Fußballspiel gewonnen hatten, hat die Mutter oder der Vater gesagt: ,,Du bist ein guter Junge. Wir sind stolz auf’dich.“ Nach und nach haben sie Sieg und Erfolg idealisiert und das Leitmotto entwickelt: ,,Ich bin gut, wenn ich gewinne.“

Die DREI bezieht ihre Lebensenergie aus ihren Erlolgen. DREIER sind Selbstdarsteller, Leistungsmenschen, Karrieristen, Statussucher und kommen mit ihrer jeweiligen Rolle besser zurecht als mit ihrem wahren Selbst, das sie kaum kennen. Sie können in fast jede Maske schlüpf’en und sie in Vollendung darstellen. Die Rolle schützt und motiviert sie.

Das Leben der DREI ist ein Konkurrenzkampf; es geht um gewinnen oder verlieren. DREIER wollen Sieger sein und bringen es deswegen oft auch wirklich weit….

DREIER haben die Neigung, das, womit sie sich identifizieren, übertrieben positiv wahrzunehmen und die problematischen Seiten eines Projekts auszublenden. Wenn sie meinen, es sei ihnen etwas gelungen, können sie „Werbespotsfür sich selbst aussenden, um Lob, Anerkennung und Bewunderung einzuheimsen. Sie reden gerne von ihren Erfolgserlebnissen, zählen Menschen auf, die sie beeinflussen konnten, Projekte, die sie durchgezogen, Auszeichnungen, die sie errungen haben. DREIER können nicht genug gelobt werden; sie saugen Bestätigungen auf wie ein ausgetrockneter Schwamm. Leider bleibt dieses Lob häufig aus, weil DREIER in der Regel so selbstbewußt und stark wirken, daß andere kaum auf den Gedanken kommen, dieser erfolgreiche Mensch sei auf Komplimente angewiesen….

Der Erfolgsdruck, unter dem DREIER (und DRElER-Gesellschaften) stehen, führt zu ihrer Wurzelsünde, der Lüge oder dem Betrug…Die unerlöste DREI betrügt zuerst und zunächst sich selbst. Deswegen sind ihre Lügen nicht einmal für sie selbst leicht zu durchschauen. Zuerst überzeugt sich die DREI, daß die Lüge Wahrheit ist. Dann kann zum Beispiel ein amerikanischer Politiker strahlend und aufrecht vor die Mikrophone der Presse treten und erklären, daß alles in Ordnung ist – und es selbst glauben!…

Unerlöste DREIER haben keine Sehnsucht nach Tiefgang. Wozu Tiefe, wenn Oberflächlichkeit funktioniert und wenn Verpackungen ohne Inhalt gekauft werden? Die auf sich selbst zurückgeworfene DREI ist äußerst pragmatisch, wahr ist, was funktioniert. Objektive Wahrheit wird gar nicht erst zum Thema.

Die Autoren Rohr und Ebert weisen auf den biblischen Jakob – den Namensgeber für den heutigen Staat Israel – hin und zitieren ihn als Jakob den Betrüger und nennen ihn den biblischen Stammvater aller DREIER. Ich gebe die biblische Geschichte von Jakob – dem Betrüger – und seinem Zwillingsbruder Esau in der Version von Rohr und Ebert wörtlich wieder. Lediglich an einigen Stellen gibt es Auslassungen, die Hinweise der Autoren enthalten.:

Schon im Mutterleib kämpft er (Anm. Jakob) mit seinem Zwillingsbruder Esau, der als erster zur Welt kommt. Jakob ist der Liebling seiner Mutter Rebekka, ein ‚gesitteter Mann‘, während der Vater Isaak den rauhen Jäger Esau vorzieht. Eines Abends nützt Jakob die Müdigkeit und den Hunger seines Bruders aus, um ihm für ein Linsengericht das Erstgeburtsrecht abzukaufen, an dem im damaligen Orient alles hing. Als der erblindete Vater später auf dem Sterbebett liegt, erschwindelt sich Jakob mit Rebekkas Hilfe tatsächlich den Segen des Vaters: Er gibt sich als Esau aus. AIs sein Bruder nach Hause kommt, ist der Segen schon vergeben. Jakob muß vor Esaus Zorn zu seinem Onkel Laban nach Haran fliehen. Während der Flucht hat er einen Traum, in dem er den Himmel offen sieht und erlebt, wie Gottes Engel auf- und niedersteigen (Anm.: Motiv der Jakobsleiter)….

In Haran verliebt er sich in seine Kusine Rahel, die ,,schön von Gestalt und Antlitz“ ist. Er soll seinem Onkel sieben Jahre lang dienen, um sie zur Frau zu bekommen. Diesmal ist er der Betrogene: Am Morgen nach der Hochzeitsnacht merkt er, daß man ihm die falsche Frau ins Bett gelegt hat, nämlich die ältere Lea, derer ,,Augen ohne Glanz“ sind. Aber Jakob gibt nicht auf. Er dient seinem Onkel nochmals sieben Jahre und bekommt schließlich auch Rahel. Laban ist mittlerweile durch Jakobs Hilfe ein reicher Mann geworden. Aber Jakob zieht es heimwärts. Trotz aller Ängste will er zurück, um sich mit seinem Bruder zu versöhnen….Als Lohn für den langjährigen Dienst darf er einen Teil der Herden mitnehmen. Durch einen weiteren raffinierten Trick sorgt er dafür, daß er ,,über die Maßen reich wird“ und ,,viele Schafe, Sklavinnen und Sklaven, Kamele und Esel“ bekommt.

Er schickt Boten mit üppigen Geschenken vor sich her, die bei Esau für gute Stimmung sorgen sollen. Die Nacht vor der Begegnung verbringt Jakob allein am Fluß Jabbok, während die Seinen schon über die Furt gezogen sind. Ein unbekannter Mann kommt und ringt mit ihm. Aber Jakob läßt sich nicht bezwingen. Erst durch einen unfairen Schlag in die Hüfte kann ihn der Fremde mattsetzen. Aber auch der angeschlagene Jakob gibt sich nicht vollig geschlagen. Als sich der Fremde bei Morgengrauen davonmachen will, hält er ihn fest und sagt: ,Jch lasse dich nicht los, wenn du mich nicht vorher segnest (!).“ Der Fremde gibt Jakob (Betrüger) einen neuen Namen: Israel (Gotteskämpfer), denn“, sagt er, „du hast mit Gott und mit Menschen gekämpft und nicht verloren.“ Am Ende kommt es tatsächlich zur Aussöhnung zwischen den beiden Brüdern (1. Mose/Genesis 25-33).

Diese Geschichte trifft wie kaum eine andere den Chrakter eines Enneagramm-Typs. Sie umfasst das ganze Drama des Menschseins das zwischen geistiger Erkenntnis und Mühen des irdischen Daseins aufgespannt ist. Die zwielichtige Gestalt des Jakob fällt trotz seiner eigensüchtigen Verhaltens keineswegs der Verdammnis zum Opfer, sondern bekommt Gottes Segen. Er kämpft mit Gott und mit Menschen – und mit allen Tricks. Erstaunlicherweise verweigert Gott dieser zwiespältigen Gestalt nicht den Segen. Das Volk Israel hat sich mit diesem Ringen zwischen Mensch und Gott bis heute identifiziert. Entscheidend hierfür muss die Erkenntnis von Aufstieg und Abstieg der Engel gelten, die zur Versöhnung der Brüder führt. Hierzu passt die Stelle aus dem Buch der Sprüche nach der Lutherbibel: Ich spielte auf seinem Erdkreis und hatte meine Lust an den Menschenkindern. So hört nun auf mich, meine Söhne! Wohl denen, die meine Wege einhalten! Hört die Zucht und werdet weise. (Sprüche 8,31-33)

Der biblische Stammvater Jakob hat der abendländischen Kunst drei Motive geliefert, die seit dem Altertum die Bibelinterpretationen gefördert haben.

Bild 1 zeigt eine mittelalterliche Deutung von Jakobs Traum der Engelsleiter.  Eine Leiter zeigt die 30 Stufen mönchischen Aufstiegs zum Himmel an. Christus heißt die Siegreichen willkommen; Teufel ziehen andere in den Schlund der Hölle. Das besondere an dieser Darstellung ist die Darstellung von Menschen statt Geistwesen, die dem Himmel zustreben und von teuflischen Geistwesen (Dämonen) daran gehindert werden. In späteren Darstellungen dieses Motivs sind dagegen nur aufsteigende Engel zu sehen. In der Einheitsübersetzung der Bibel heißt es denn auch: Er kam an einen bestimmten Ort, wo er übernachtete, denn die Sonne war untergegangen. Er nahm einen von den Steinen dieses Ortes, legte ihn unter seinen Kopf und schlief dort ein. Da hatte er einen Traum: Er sah eine Treppe, die auf der Erde stand und bis zum Himmel reichte. Auf ihr stiegen Engel Gottes auf und nieder. Und siehe, der Herr stand oben und sprach: Ich bin der Herr, der Gott deines Vaters Abraham und der Gott Isaaks. Das Land, auf dem du liegst, will ich dir und deinen Nachkommen geben. Deine Nachkommen werden zahlreich sein wie der Staub auf der Erde. Du wirst dich unaufhaltsam ausbreiten nach Westen und Osten, nach Norden und Süden und durch dich und deine Nachkommen werden alle Geschlechter der Erde Segen erlangen. Ich bin mit dir, ich behüte dich, wohin du auch gehst, und bringe dich zurück in dieses Land. Denn ich verlasse dich nicht, bis ich vollbringe, was ich dir versprochen habe. Jakob erwachte aus seinem Schlaf und sagte: Wirklich, der Herr ist an diesem Ort und ich wusste es nicht. (Gen 28,11-16) Das Motiv der Treppe oder Leiter kommt in vielen Kulturen vor. Die Wandlung des Traumbildes mit geistartigen Engeln zu leibhaftigen Mönchen ist dem Zweck dieser Darstellung geschuldet. Es geht auf den Abt des Katharinen-Klosters auf dem Sinai und langjährigen Einsiedler Johannes „Klimakos“ zurück, der den Traum der Himmelsleiter mit seinem berühmten Werk Klimax tou Paradeiso (die Leiter zum Paradies) verband. In 30 Sprossen, d. h. Kapiteln, – entsprechend den 30 Lebensjahren Christi – beschrieb er den Erwerb von Tugenden und die Bekämpfung der Laster als Weg zum Paradies und zur Freiheit von Leiden; die in dem Werk beschriebenen Praktiken wurden zu einer wichtigen Grundlage für den mittelalterlichen Hesychasmus.

Nach dem „Buch der Symbole“ (Verlag Taschen) bedeutet über eine Leiter zu steigen, jeweils einen Schritt in einer Senkrechten nach oben oder nach unten zu machen, und jeder dieser Schritte bringt eine zeitweilige Verunsicherung und ein Wiederfinden des Gleichgewichts mit sich. Christentum, Islam, Mithraskult und Orphismus sahen in der Leiter Abstufungen spiritueller Entwicklung, mystischen Aufstiegs und der Errettung. Darstellungen eines mythischen Tages des Jüngsten Gerichts zeigen rechtschaffene Seelen, die eine Leiter hinauf zu einem himmlischen Hausherrn steigen, während Dämonen dafür sorgen, dass Sünder hinabfallen. Die Alchemie verwandte das Bild der Leiter für die Stadien der Reise durch die planetarischen Sphären des Opus. Die geträumte Leiter als psychischer Prozess bewirkt Sublimierung und Fundament, das Vergeistigen von Materie und die Erdung des Geistes, affektive Schwankungen und das Risiko von Selbstüberschätzung und Fall. Als ein Werkzeug der Menschen verweist die Leiter auf die Phasen bewusster Entwicklung, die zu praktischer Anwendung, Meisterschaft und Vollendung führen. Doch darüber hinaus bedeutet eine Leiter noch sehr viel mehr, sie verkörpert die symbolischen Stufen der Kontinuität zwischen bewussten und jenseitigen Bereichen – ein Fundament, das einst Ausgangspunkt war, kann das vorgestellte Gleichgewicht zutiefst erschüttern.

Die Darstellung in Bild 1 weist auf die einseitige Spiritualität hin, wie sie vor allem im Frühchristentum der Einsiedler in den Wüsten Nordafrikas entstand. Diese von Ken Wilber als aufsteigender Pfad bezeichnete Spiritualität ist rein transzendent und jenseitig. Sie ist meist puritanisch, asketisch, yogisch und neigt zur Abwertung oder sogar Leugnung des Körpers, der Sinne, der Sexualität, der Erde, des Fleisches. Er sucht die Erlösung in einem Reich, das nicht von dieser Welt ist; er betrachtet Manifestation als böse oder illusorisch und versucht, vom Rad des Daseins ganz abzuspringen. Der aufsteigende Pfad verherrlicht das Eine, nicht das Viele, Leerheit, nicht die Form, den Himmel, nicht die Erde. Damit steht er vollkommen konträr zur heutigen Wirklichkeit abendländischer Entwicklung und ist eine der Ursachen für die Ablehnung des westlichen Wegs des Fortschritts durch stark jenseitig orientierte Religionen wie Hinduismus, Buddhismus und Islam.

Der absteigende Pfad vertritt die genaue Gegenposition. Er ist bis ins Innerste diesseitig und verherrlicht das Viele, nicht das Eine. Er feiert die Erde, den Körper, die Sinne und oft auch die Sexualität. Er setzt sogar den GEIST mit der sinnlichen Welt gleich, mit Gaia, mit der Manifestation und sieht in jedem Sonnenaufgang, jedem Mondaufgang all den GEIST, nach dem ein Mensch nur streben könnte. Er ist rein immanent und verachtet alles Transzendente. Die Anhänger des absteigenden Pfades betrachten jegliche Form eines Aufstiegs als böse. Wer sich dem Fortschritt auf dem absteigenden Weg entzieht oder gar entgegenstellt wird entweder an den Rand der Gesellschaft gedrängt oder ignoriert. Selbst die Flucht in die Religion ist in westlichen Ländern nur noch selten möglich, da die Kirchen und Religionen sich dem wissenschaftlichen Paradigma unterworfen haben. Das verbliebene Restbedürfnis an Gott wird deshalb durch sinnlich und emotional erfahrbare Formen des Göttlichen befriedigt. Wir Flachländer, ob wir uns als spirituell betrachten oder nicht, beten am Altar des bloß abgestiegenen Gottes, der sinnenhaften Göttin, der sinnlichen Welt, der monochromen Welt des einfachen Orts, der Welt, auf die man den Finger legen kann. Es gibt für uns nichts Höheres oder Tieferes als den Gott, der in unserem Gesichtsfeld herumfuhrwerkt. (Zitat: Ken Wilber)

In Bild 2 ist das zentrale Motiv des Kampfes zwischen Jakob und dem Fremden in der eigenwilligen Auffassung des von der anbrechenden Moderne erfassten Malers Gauguin wiedergegeben. Das zu Ende gehende Jahrhundert des Fortschritts hatte an Schwung verloren und der avantgardistische Stil des Impressionismus befriedigte in seinen Möglichkeiten immer weniger Maler. An der achten und letzten Impressionisten-
Ausstellung, die am 15. Mai 1886 in Paris eröffnet wurde, nahmen nur noch wenige Künstler aus dem ursprünglichen Kreis teil. Um die Jahrhundertwende entstanden so viele neue Stilrichtungen neben- oder nacheinander und auch Gauguin erprobte neue Techniken, die sich in dem obigen Bild aus dem Repertoire der Volkskunst, der christlichen Kunst und der japanischen Kunst bedient. Seine Absicht war es mit den abgebildeten Figuren nur Andeutungen zu geben und damit bei dem Betrachter eine Gefühlslage hervorzurufen, die das Bild mit seinem Thema gemeinsam hat: Eine Vision zu zeigen, die den Anspruch hat, selbst eine Vision zu sein. Mit Gauguins Gemälde „Die Vision nach der Predigt“ tauchen erstmals symbolistische Elemente auf, die sich in seinem weiteren künstlerischen Schaffen durch religiöse Symbolik zeigt und seinen Bildern einen übergeordneten Sinn verleiht. Für das hier besprochene Bild ergibt sich der Sinn aus der oben zitierten Widergabe der Jakobsgeschichte von Rohr und Ebert   bezüglich des Kampfes mit dem Fremden. (Gen. 32,23-33)

 Das von dem flämischen Maler Peter Paul Rubens gemalte Bild 3 stellt das Treffen von Jakob und Esau im Stil des Barock dar. Damit ist es stilistisch der Zeit vor Bild 2 zuzuordnen, in der Motivfolge jedoch steht es am richtigen Platz. Hierin zeigt sich kunsthistorisch ein Charakteristikum der Malerei, die es versteht, Zeit und Raum visionär verfügbar zu machen. So stellen die Darstellungen der Waffen und Rüstungen und das Zaumzeug der Pferde einen Anachronismus dar. Sie gehören zur Verdeutlichung des Charakters von Esau, dem sein Zorn durch den stechenden Blick in das Gesicht geschrieben ist. Demgegenüber strahlt das Gesicht des – symmetrisch hierzu in einer nach unten versetzten Haltung mit dem Christus ähnlichen milden GesichtsausdruckJakob eher Unterwürfigkeit aus. Die eher weltlich als fromm wirkende Szene wird von zwei großen Vögeln am Himmel begleitet – wie sie zur Symbolik biblischer Themen gehören und einen Zug zur Transzendenz, wie sie vor allem in der Architektur des Barock erscheint, bedeutet.

In Bild 3 erscheint das Gegenbild zum Abstiegsdrama der in Bild 1 dargestellten Himmelsleiter. In einer kurzen kunstgeschichtlichen Charakterisierung des Barock heisst es, der Barock „verbindet weltliche Lebensfreude und vornehme Sinnlichkeit, religiöse Geistigkeit und strenge Askese, breite Formenvielfalt und strenge Regelhaftigkeit stehen einander gegenüber. Gleichzeitig dringt mit dem Illusionismus das Bühnenhafte und Theatralische in die Kunst ein. Theater, Zeremonie und höfisches Fest sind nicht nur Ausdruck barocker Vitalität, sondern auch kunstvolle Form zur Bewältigung von Massen.

In anderen – vor allem älteren – Darstellungen fällt das Urteil eher mit kritischem Grundton aus. Dabei spielt vor allem der Aspekt des höfischen Prunks – wie er in der Barockarchitektur der Fürsten und der katholischen Kirche sichtbar ist – und die Machtentfaltung der Fürsten eine entscheidende Rolle. Zentralistisches Staatswesen, monumentale Architektur und Machtkontrolle bedingten sich gegenseitig und führten in der zeitgenössischen Wahrnehmung des Volkes zu eher ablehnenden Haltungen. Zu dieser Entwicklung hat der Dreißigjährige Krieg von 1618 bis 1848 wesentlich beigetragen. Die nach den Zerstörungen dieses Krieges in dem zersplitterten Staat neu entstandenen „Residenzstädte waren  nicht nur Kultstätten der fürstlichen Repräsentation und Zentren wichtiger politischer Entscheidungen, sondern auch Verwaltungszentren (in zunehmendem Maße besetzt mit bürgerlichem Fachpersonal) und Wirtschaftsfaktoren, denn die vielen hier tätigen Personen (an den Höfen von Wien und München zu Beginn des 18. Jh. je etwa 2000) mussten versorgt werden, hinzu kamen die vielen Dienstleister (Handwerker usw.), welche für die Höfe arbeiteten. Die Hofhaltungen verschlangen nicht selten 20 % bis 30 %, mitunter bis 50 % der Staatsausgaben. Gegen Ende des 18. Jh. wurden die Staatsgeschäfte zunehmend von der Hofhaltung getrennt, sodass die Höfe im 19. Jh. nur noch private Haushalte der Fürsten darstellten. Vorbild für den höfischen Absolutismus und die höfische Lebensart (Hofzeremoniell, höfische Architektur usw.) wurde Frankreich (Hof Ludwigs XIV. in Versailles), dessen politische Vormachtstellung in Europa sich auch auf Deutschland ausgewirkt hatte. Der Zeitgeschmack stand unter französischem Einfluss. Der französische Fürstenkult, die französische Sprache, die französische Literatur und nicht zuletzt die leichte, gegenwartsfreudige Lebensart der Franzosen, welche in der Kunst des Barock ihren Ausdruck fand, wurden zum Leitbild der Herrschenden und der Gebildeten in Deutschland.“ (Naumann, Dr. Günter. Deutsche Geschichte: Das Alte Reich 962-1806 (Marixwissen) . marixverlag. Kindle-Version)

Alle drei Aspekte des biblischen Entstehungsmythos Israels haben zu unterschiedlichen Zeiten jeweils der Zeit entsprechende künstlerische Interpretationen erfahren. Während in Bild 1 der pädagogische Zweck für die Darstellung leitent ist, steht bei Bild 2 die künstlerische und psychologische Innovation im Zentrum, die auf den sozio-kulturellen Wandel durch die Aufklärung angestoßen wurde. In der Darstellung von Rubens sind die Ereignisse schließlich zur Lösung gebracht, die in der Akzeptanz unterschiedlicher Charaktere zu suchen ist und jedem den göttlichen Segen an seinem Platz zubilligt. In diesem Bewusstsein haben die Vielfalt und die Sinnenfreude des Barock auch in einer spirituellen Welt ihre Rechtfertigung.

Über Fidelio

Ich bin 1949 geboren und war in meiner berufstätigen Zeit als Stadtplaner in einer mittelgroßen kommune tätig. Seit meiner Studienzeit habe ich mich für die Entwicklung eines erweiterten geistigen Horizonts interessiert und einige Anstrengungen unternommen, mich persönlich in diesem Sinne zu entwickeln. Aufgrund meiner katholischen Erziehung habe ich in den 1960-er Jahren begonnen, mich intensiver mit dem modernen Mystiker Teilhard de Chardin zu befassen und bin so zur Gedankenwelt von Ken Wilber gekommen, die ich in diesem Projekt nutzbar zu machen versuche.
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