Trumps „Revolution“ verstehen und Handeln – Ein Dialog mit Nietzsches Philosophie

Die Spannung zwischen hybrider Selbstüberhöhung und dem echten Bedürfnis nach sozialer Anerkennung ist ein zentrales Dilemma des schöpferischen Menschen. Nietzsche selbst kämpfte damit – verehrt und verachtet zugleich. Doch seine Philosophie (und ihre Weiterentwicklungen) bieten Wege, dieses Paradox zu lösen:
1. Vom „Ego“ zum „Werden“: Der schöpferische Selbstentwurf

Nietzsche lehnt feste Identitäten ab – das „Ego“ ist kein unveränderlicher Kern, sondern ein Prozess.

  • „Werde, der du bist“ (Also sprach Zarathustra): Nicht das Ego behaupten, sondern es immer wieder überschreiten.
  • Praxis: Betrachte dich nicht als „Genie“ oder „Versager“, sondern als Werk in Arbeit. Beispiel: David Bowie erfand sich stets neu – nicht aus Ego, sondern aus schöpferischer Neugier.
  • Gefahr: Hybris entsteht, wenn man sich für ein fertiges Meisterwerk hält – nicht, wenn man sich als ewiger Anfänger begreift.
2. Anerkennung durch Wertschöpfung – nicht durch Schmeichelei

Soziale Resonanz ist wichtig, aber sie muss verdient werden – nicht erbettelt.

  • Nietzsches „Gabe“-Ethik: Der Schaffende gibt erst, was andere noch nicht kennen (Kunst, Ideen, Lösungen) – Anerkennung folgt als Nebenwirkung.
  • Beispiel: Van Gogh malte, ohne Publikum – doch seine Echtheit zog später Millionen an.
  • Moderne Parallele: Open-Source-Entwickler wie Linus Torvalds gewinnen Respekt durch Beitrag, nicht Selbstvermarktung.
  • Warnung: Social Media belohnt Selbstdarsteller – doch echte Anerkennung braucht Tiefenwirkung.
3. Die „große Liebe“ zum Umfeld – jenseits von Lob

Nietzsche fordert „Liebe zum Fernsten“ (Zarathustra) – nicht zum Echo der Menge.

  • Dienst an einer Sache: Ein Wissenschaftler forscht für die Wahrheit, ein Handwerker für das perfekte Werk – nicht für Applaus.
  • Gemeinschaft stiften: Statt Anerkennung zu fordern, schaffe Räume, in denen andere wachsen (Mentoring, Kollaboration).
  • Beispiel: Die Bauhaus-Meister (Klee, Gropius) wurden verehrt, weil sie Schulen des Sehens schufen – nicht weil sie um Beifall buhlten.
4. Demut vor dem Werk – Der Künstler als Medium

Die größten Schöpfer verstehen sich oft als Durchgang für etwas Größeres.

  • „Der Mensch ist ein Seil, geknüpft zwischen Tier und Übermensch“ (Zarathustra): Das Ego ist nur der Träger, nicht der Ursprung des Schaffens.
  • Beispiele:
    • Rilke schrieb über die „Engel“, die durch ihn dichteten.
    • Einstein sah sich als „Kind“, das die universellen Gesetze staunend entdeckte.
  • Praxis: Frage nicht „Wie werde ich bewundert?“, sondern „Wozu bin ich Werkzeug?“
5. Der lachende Weise – Hybris durch Humor brechen

Nietzsches „fröhliche Wissenschaft“ lehrt: Wer über sich lachen kann, entmachtet die Hybris.

  • Selbstironie: Der Komiker Stewart Lee demontiert sein Ego, indem er es auf der Bühne lächerlich macht – und gewinnt so Echtheit.
  • Zen-Prinzip: „Vor dem Erleuchtung Holz hacken, nach der Erleuchtung Holz hacken“ – Das Schöpferische liegt im Tun, nicht im Image.
  • Übung: Erzähle eine peinliche Geschichte über dich – wenn du darüber lachen kannst, verliert das Ego seine Macht.
Fazit: Die Synthese von Stolz und Demut

  1. Schaffe nicht für Lob, aber akzeptiere Dank als Geschenk.
  2. Verstehe dich als „Werkzeug des Werdens“ – nicht als fertiges Monument.
  3. Lerne, das Urteil der anderen zu ertragen – ohne dich daran zu ketten.

Nietzsche würde sagen: „Der freie Geist ist der, der sich selbst überwindet – und doch ganz bei den Menschen bleibt.“
Die wahre Meisterschaft liegt darin, leidenschaftlich zu schaffen – und gleichzeitig gelassen zu verschwinden.

Wo gibt es Berührungspunkte zwischen Ken Wilber und Nietzsche?

Über Fidelio

Ich bin 1949 geboren und war in meiner berufstätigen Zeit als Stadtplaner in einer mittelgroßen kommune tätig. Seit meiner Studienzeit habe ich mich für die Entwicklung eines erweiterten geistigen Horizonts interessiert und einige Anstrengungen unternommen, mich persönlich in diesem Sinne zu entwickeln. Aufgrund meiner katholischen Erziehung habe ich in den 1960-er Jahren begonnen, mich intensiver mit dem modernen Mystiker Teilhard de Chardin zu befassen und bin so zur Gedankenwelt von Ken Wilber gekommen, die ich in diesem Projekt nutzbar zu machen versuche.
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