Sympathiebeweise
Neben den Persönlichkeitsmerkmalen wurden auch drei Verhaltensmerkmale abgefragt, die häufig für eine oberflächliche Kennzeichnung der Menschen in einem Landstrich genannt werden. Gegenüber den Persönlichkeitsmerkmalen haben diese Kriterien ein wesentlich größeres Gewicht in der Umgangssprache. Die Neugier ist ein Verhalten, das die Nachbarn für einen Zugezogenen sehr bald zu unerwünschten Personen werden lassen kann. In Maßen ist sie jedoch auch Zeichen der Anteilnahme und der Empathie. Grundsätzlich setzt Neugier Offenheit für neue Eindrücke voraus, andernfalls müsste sie als Stalking bezeichnet werden. Neugier kann aber auch ausgerichtet sein auf permanent wechselnde Ereignisse, um dadurch eine Lust an Sensationen befriedigen zu können.
In der oben stehenden räumlichen Verteilung der Neugier in NRW zeichnen sich fünf hervorstechende Bereiche ab: Die Rheinschiene (Düsseldorf und Köln) und das Niederbergisch-Märkisches Land (Mettmann und Wuppertal), das Aachener Land (Aachen und Stolberg), das Kernmünsterland (Münster und Coesfeld) und die Niederrheinischen Höhen (Goch und Sonsbeck). Mit Ausnahme des letzgenannten Bereichs handelt es sich um große und bedeutende Hochschulstandorte, so dass dieser Umstand die starke Ausprägung der Neugier – die dann als wissenschaftliche Neugier zu bezeichnen ist – erklären kann. Darüber hinaus ist festzustellen, dass die Neugier ein großflächiges Verhaltensmuster ist, das lediglich an den Landesgrenzen isolierte Ausprägungen erfahren hat. Die Ursache hierfür kann neben einer isolierten Entwicklung auch in der Orientierung auf die benachbarten Grenzbereiche in benachbarten Bundesländern zu suchen sein.
Eine durch politische Ereignisse der letzten Jahre in den Vordergrund gerückte Eigenschaft ist die Hilfsbereitschaft. Hilfe im Sinne der Hilfsbereitschaft ist ein Teil der Kooperation in den zwischenmenschlichen Beziehungen. Sie dient dazu, einen erkannten Mangel oder eine ungerechte Situation oder eine Notlage zu verbessern. Der Hilfe geht entweder eine Bitte des Hilfebedürftigen, eine von ihm unabhängige Entscheidung durch verantwortungsbewusste Menschen oder durch hierzu beauftragte Stellen voraus. Die psycho-sozialen Wirkungen von Hilfeleistungen können von der Rettung von Menschenleben und grenzenloser Dankbarkeit dafür bis zur Entmündigung und Unterdrückung durch Hilfsregime reichen. Hilfeersuchen und Hilfsersuchen haben deshalb auf zwischenstaatlicher Ebene große politische Bedeutung erlangt. Das gilt neben der Außenpolitik auch für die Innenpolitik. Die Beschneidung sozialstaatlicher Leistungen im Rahmen des Neoliberalismus hat sich die Hilfsbereitschaft der Menschen zu Nutze gemacht und zu einer Demotivation hilfsbereiter Menschen beigetragen. Hinzu kommt, dass der Kreis der materiell leistungsfähigen Menschen auf Grund der verschlechterten Einkommenssituation schlechter geworden ist.
In der regionalen Verteilung sind drei große zusammenhängende Bereiche erkennbar. Einer rheinischen Zone geringer Hilfsbereitschaft mit der Rheinschiene (Köln und Düsseldorf) und einigen linksrheinischen Kulturlandschaften steht eine große westfälische Zone, die vom Kernmünsterland (Münster und Coesfeld) bis zum Ravensberger Land (Bielefeld und Herford) und zum Weserbergland – Höxter (Höxter und Warburg) reicht mit ebenso geringen Werten gegenüber. Eine größere Hilfsbereitschaft zeigt sich dagegen in einer Zone, die sich vom Niederrhein über das Ruhrgebiet bis zum Sauerland erstreckt. Bezeichnend an dieser Struktur ist, dass es gerade die wirtschaftlich prosperierenden Bereiche zu sein scheinen, die im Bezug auf Hilfeleistungen zurückhaltender sind. Den Spitzenwert erreicht die Paderborner Hochfläche – Mittleres Diemeltal (Lichtenau und Wünnenberg) zusammen mit den Maasterrassen (Kevelaer und Weeze). Auch hier bestätigt sich die isolierte Entwicklung im Aachener Land (Aachen und Stolberg) und in den Randbereichen des Landes.
Als drittes Verhaltensmuster wurde die Zuschreibung von Sparsamkeit an die Kulturlandschaften ermittelt. Als Sparsamkeit wird eine Tugend bezeichnet, die einen maßvollen Umgang mit Geld und wirtschaftlichen Gütern zum Gegenstand hat. Ihre soziale Funktion besteht – wie bei allen bürgerlichen Tugenden – in der praktischen Bewältigung des Alltags auf der Grundlage gesicherter und geordneter wirtschaftlicher Verhältnisse. Die positive Gegentugend zur Sparsamkeit ist die Großzügigkeit, ihre Verfallsform ist der Geiz, ihr negativer Gegensatz die Verschwendung. Ebenso wie bei der Sparsamkeit können auch die anderen zwei Eigenschaften zu negativen Wirkungen führen, wenn sie in Extreme geführt werden.
Die in Deutschland traditionell hoch geachtete Tugend der Sparsamkeit genießt offensichtlich nur noch in wenigen Bereichen einen hohen Stellenwert. Hierzu gehören das Sauerland (Lüdenscheid, Olpe und Meschede), das Siegerland (Siegen und Kreuztal), das Lipper Land (Detmold und Blomberg) und das Tecklenburger Land (Tecklenburg und Ibbenbüren). Bereiche wie die Rheinschiene (Düsseldorf und Köln) und das Kernmünsterland mit guten Wirtschaftsdaten gehören zu den wenigen Kulturlandschaften, die als einzelne Bereiche in das Gesamtbild eingestreut sind und als weniger sparsam eingeschätzt werden. Insgesamt ist das Bild im Vergleich zu anderen Kriterien von größerer Kleinteiligkeit gekennzeichnet. Ursache hierfür sind vermutlich unterschiedliche örtliche Wirtschaftsbedingungen, die zu Sparsamkeit zwingen, bzw. größere finanzielle Spielräume eröffnen (siehe Rheinschiene und Kernmünsterland).