Persönlichkeitsmerkmale in den Kulturlandschaften
In den nachfolgenden Übersichtskarten sind die vom Land Nordrhein-Westfalen gebildeten Kulturlandschaften abgebildet.
Kulturlandschaften sind definiert als durch die Zeitgeschehnisse und die Raumnutzung entstandene funktionale und in ihrem Erscheinungsbild verschiedene Ebenen der Wahrnehmung, die als solche erkannt und gedeutet werden. Die Erfassung ihrer Veränderungen im Laufe der Zeit erfordert die Kenntnis der geschichtlichen Ursprünge. Die einzelnen Elemente der Kulturlandschaften beziehen hieraus ihren Wert für die Gegenwart. Sie stellen keine Ansammlung zusammenhangloser Teile dar, sondern sie bilden zeitliche und funktionale Schichten, wie sie auch aus der Archäologie bekannt sind.
Bereits aus ihrer Definition wird sichtbar, dass hier Zusammenhänge zwischen dem Leben und Verhalten der früheren und gegenwärtigen Bewohner der Landschaften und ihrem Lebensraum unterstellt werden. Für die hier interessierenden Fragestellungen ist die Vorgabe der räumlichen Abgrenzungen selbst als zu überprüfende Hypothese aufzufassen. Die Ergebnisse der hier dargestellten Charaktereigenschaften und Wertesysteme ergeben also in der Rückspiegelung auf die zu Grunde liegenden Raumeinheiten neue Gesichtspunkte für deren Abgrenzungen.
Zu der Abgrenzung der Kulturlandschaften ist zu bemerken, dass die Landschaftseinheiten im westfälischen Teil des Landes wesentlich großflächiger sind als im rheinischen Landesteil. Der Hauptgrund hierfür liegt in der prägenden Wirkung des Rheins, der in Westfalen keine gleichgewichtige Entsprechung hat. Eine Besonderheit ist das Ruhrgebiet, das mit der Nummer 14 als industriell bestimmte Raumeinheit von vornherein eine wirtschaftsgeschichtliche Überprägung aufweist, die nicht durch naturgegebene Landschaftselemente aufgelöst wurde. Aus diesen vorgegebenen Unterschieden ergeben sich für die Auswertung der nachfolgend dargestellten Daten Fragestellungen, die sich auf die Einheit von Raum und Kultur beziehen und eventuell weiteren Aufklärungsbedarf signalisieren.
In der folgenden Tabelle sind die repräsentierenden Städte für die einzelnen Kulturlandschaften aufgelistet:
lfd. Nr. | Name | Landesteil | Städte |
1 | Tecklenburger Land | Westfalen | Tecklenburg, Ibbenbüren |
2 | Minden-Lübbecker Land | (Ost-)Westfalen | Minden, Lübbecke |
3 | Ravensberger Land | (Ost-)Westfalen | Herford, Bielefeld |
4 | Westmünsterland | Westfalen | Borken, Haltern |
5 | Kernmünsterland | Westfalen | Münster, Coesfeld |
6 | Ostmünsterland | Westfalen | Warendorf, Gütersloh |
7 | Paderborn-Delbrücker Land | (Ost-)Westfalen | Paderborn, Rietberg |
8 | Lipper Land | Westfalen (-Lippe) | Detmold, Blomberg |
9 | Weserbergland – Höxter | (Ost-)Westfalen | Höxter, Warburg |
10 | Unterer Niederrhein | Rheinland | Wesel, Emmerich |
11 | Niederrheinische Höhen | Rheinland | Goch, Sonsbeck |
12 | Niersniederung | Rheinland | Viersen, Geldern |
13 | Maasterrassen | Rheinland | Kevelaer, Weeze |
14 | Ruhrgebiet | Westfalen u. Rheinland | Hamm, Gelsenkirchen, Dortmund |
15 | Hellwegbörden | Westfalen | Soest, Lippstadt |
16 | Paderborner Hochfläche – Mittleres Diemeltal | (Ost-)Westfalen | Lichtenau, Wünnenberg |
17 | Schwalm-Nette | Rheinland | Mönchengladbach, Nettetal |
18 | Krefeld-Grevenbroicher Ackerterrassen | Rheinland | Krefeld, Grevenbroich |
19 | Rheinschiene | Rheinland | Düsseldorf, Köln |
20 | Niederbergisch-Märkisches Land | Rheinland | Mettmann, Wuppertal |
21 | Sauerland | Westfalen | Lüdenscheid, Olpe, Meschede |
22 | Bergisches Land | Rheinland | Gummersbach, Wipperfürth |
23 | Medebacher Bucht | Westfalen | Medebach, Hallenberg |
24 | Jülicher Börde – Selfkant | Rheinland | Heinsberg, Geilenkirchen |
25 | Rheinische Börde | Rheinland | Düren, Euskirchen |
26 | Ville | Rheinland | Brühl, Bergheim |
27 | Aachener Land | Rheinland | Aachen, Stolberg |
28 | Eifel | Rheinland | Monschau, Nettersheim |
29 | Mittelrheinische Pforte | Rheinland | Königswinter, Wachtberg |
30 | Nutscheid – Sieg | Rheinland | Eitorf, Windeck |
31 | Siegerland | Westfalen | Siegen, Kreuztal |
32 | Wittgenstein | Westfalen | Bad Berleburg, Bad Laasphe |
In der folgenden Galerie sind die 11 Persönlichkeitswerte als Gesamtübersichten der 32 Kulturlandschaften zusammengestellt:
- Persönlichkeitsmerkmale in den Kulturlandschaften Nordrhein-Westfalens
Die Abfrage zum Merkmal „Ermüdbarkeit“ wurde so formuliert, das sie aus der Umgangssprache abgeschöpft werden kann. Hierdurch ist eine tiefe Durchdringung der Informationsbasis gewährleistet. Dennoch fielen die Nennungen im Vergleich zu den übrigen Merkmalen gering aus. So ist der scharfe Kontrast zu erklären, der zwischen der großen Mehrzahl der Kulturlandschaften und den auffälligen Landschaften besteht. Den höchsten Wert erreicht hier die Rheinschiene mit den Städten Köln und Düsseldorf, gefolgt vom Ruhrgebiet und dem Kernmünsterland. Mit größerem Abstand folgen das Ravensberger Land (Bielefeld und Herford), das Aachener Land (Aachen und Stolberg), Schwalm-Nette (Mönchengladbach und Nettetal, das Westmünsterland (Haltern und Borken) sowie der untere Niederrhein (Wesel und Emmerich). Bei der Mehrzahl der Regionen handelt es sich um Großstädte und Stadtregionen, die neben ihrem umfangreichen Angebot an Konsum- Arbeits- und Freizeitmöglichkeiten auch bedeutende und beliebte Hochschulstandorte sind. Insgesamt lässt das räumliche Verteilungsmuster den Schluss zu, dass der Aufforderungscharakter des jeweiligen Ortes – sei er durch das typische Angebot einer pulsierenden Großstadt geprägt oder durch das Naherholungsangebot am Rande der Ballungsräume, wie im Fall von Haltern und Wesel – eine Erwartungshaltung bei den Bewohnern und Besuchern der Städte erzeugt, die auf Grund der überwältigenden Vielzahl und Ausmaße in erheblichem Umfang zu Freizeitstress und Erschöpfungen führt.

Von besonderem Interesse muss im Bezug auf die Ausdauer auch die schwache Ausprägung dieses Persönlichkeitsmerkmals sein. Sehr geringe Werte erreicht die Kulturlandschaft Maasterrassen (Kevelaer und Weeze), gefolgt von den Niederrheinischen Höhen (Goch und Sonsbeck), der Ville (Brühl und Bergheim), Nutscheid – Sieg (Eitorf und Windeck), Tecklenburger Land (Tecklenburg und Ibbenbüren) und 16 Paderborner Hochfläche – Mittleres Diemeltal (Lichtenau und Wünnenberg). Worin die Ursachen für diese schwachen Werte zu suchen sind, kann an dieser Stelle nicht geklärt werden. Ein möglicher Erklärungsansatz, der möglicherweise neben anderen Ursachen eine Rolle spielt, ist in der peripheren Lage einiger der genannten Raumeinheiten zu sehen.
Das dritte Persönlichkeitsmerkmal in dieser Darstellung ist die Reizbarkeit. Losgelöst von seiner umgangssprachlichen Bedeutung als Hinweis auf ein aufbrausendes Temperament ist ein Durchgriff auf die davor liegenden physiologischen Wirkungen notwendig. Diese deuten auf erhöhte Aufmerksamkeit und Wachheit hin und sind als wichtige Qualitäten der Persönlichkeit zu gewichten. Innerhalb des Gesamtspektrums der untersuchten Persönlichkeitsmerkmale nimmt die Reizbarkeit einen mittleren Rang ein. Auch hier heben sich eine Reihe von Kulturlandschaften deutlich vom Grundniveau ab. Spitzenwerte werden im Tecklenburger Land (Tecklenburg und Ibbenbüren) und im Minden-Lübbecker Land (Minden und Lübbecke) erreicht. Mögliche Ursache im ersteren Fall ist vermutlich die eingeleitete Schließung der Steinkohlenzeche in Ibbenbüren, auf die sich die Aufmerksamkeit großer Bevölkerungsteile richtet. Ein Erklärungsvorschlag für das Minden-Lübbecker Land kann an dieser Stelle nicht beigefügt werden. Weitere Hervorhebungen ergeben sich für den Unteren Niederrhein (Wesel und Emmerich), die Hellwegbörden (Soest und Lippstadt), das Sauerland (Lüdenscheid, Olpe und Meschede), das Bergische Land (Gummersbach und Wipperfürth), das Lipper Land (Detmold und Blomberg), das Weserbergland (Höxter und Warburg), die Ville (Brühl und Bergheim), Jülicher Börde – Selfkant (Heinsberg und Geilenkirchen) und das Ravensberger Land (Bielefeld und Herford). Innerhalb dieser Gruppe von Landschaften gibt es keine erklärungsbedürftigen Abweichungen, so dass hierzu allgemein bemerkt werden kann, dass es hier Aktivitäten und Ereignisse im Rahmen regulärer Abläufe zu geben scheint, die in besonderer Weise die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich ziehen.
Geselligkeit ist eine Grundbedingung für die Sozialisation des Menschen. Entsprechend kommt ihr unter den hier dargestellten Persönlichkeitsmerkmalen der höchste Stellenwert zu. Diesem Bild entspricht auch die Abhebung einiger weniger Spitzenwerte, die nur moderat vom Mittelwert abweichen. Die höchsten Werte werden auf der Paderborner Hochfläche – Mittleres Diemeltal (Lichtenau und Wünnenberg), auf den Maasterrassen (Kevelaer und Weeze), in der Medebacher Bucht (Medebach und Hallenberg) und im Siegerland (Siegen und Kreuztal) erreicht. Eine Notwendigkeit zu Erklärungen der Ergebnisse sind über den Hinweis auf das zu erwartende Schwankungsmaß für statistische Erhebungen hinaus für diese Ergebnisse nicht erforderlich. Dennoch möchte ich bezüglich der Paderborner Hochfläche anmerken, dass der in der Gemeinde Lichtenau betriebene gemeinschaftliche Windpark möglicherweise der Geselligkeit zuträglich ist.
Auch im Bezug auf die Geselligkeit sind unterdurchschnittliche Ausprägungen von Interesse. Solche Ergebnisse sind für die Rheinische Börde (Düren und Euskirchen), Schwalm-Nette (Mönchengladbach und Nettetal) und das Lipper Land (Detmold und Blomberg) ablesbar. Die Ursachen hierfür können so vielschichtig sein, wie es Kulturlandschaften definitionsgemäss sind. Eher noch als die positiv herausragenden Abweichungen können diese Extremwerte als Charakteristika dem jeweiligen Einfluss der Landschaften zugerechnet werden, da ihnen im Unterschied zu ersteren ein geringeres Maß an Beeinflussung durch Siedlungen anhaftet und sie somit eher tradierte Verhaltensweisen zum Ausdruck bringen – sie sind selbstreferenziell.
„Eine gute Kritik-, Auffassungs-, Reflexions- und Reaktionsfähigkeit sind wichtige Voraussetzungen, um sich inhaltlich richtig und verbal angepasst erfolgreich verteidigen zu können. Wem dazu die Fähigkeit fehlt oder wer hier nicht schnell genug mit passenden Worten, selbstbewusst und schlagfertig reagieren kann, erlebt sich hilflos, reagiert mit Rückzug oder aggressiver Abwehr. Genauso geht es Betroffenen, die bei emotionaler Erregung beginnen zu stammeln oder zu stottern. Wiederholt sich das ständig, kann es die Entwicklung des Sozialverhaltens und des Selbstwertgefühls beeinträchtigen und zum Rückzug mit Sprachverweigerung führen.“ (Aus: Verunsichert, ängstlich, aggressiv – Verhaltensstörungen bei Kindern und Jugendlichen – Ursachen und Folgen, von Dr. med. Helga Simchen, Verlag Kohlhammer 2008).
Stammeln ist ein wichtiger Hinweis auf Störungen des Selbstwertgefühls und des Sozialverhaltens. Unter den untersuchten Persönlichkeitsmerkmalen nimmt es einen mittleren Rang ein und deutet damit auf eine relativ große Bedeutung für den Zustand der nordrhein-westfälichen Gesellschaft hin. In den Ergebnissen ist eine breite Streuung der Werte mit großer Spannweite erkennbar. Die drei höchsten Werte wurden für die Kulturlandschaften Rheinische Börde (Düren und Euskirchen), Eifel (Monschau und Nettersheim) und Jülicher Börde – Selfkant (Heinsberg und Geilenkirchen) ermittelt. In allen genannten Landschaften existieren bedeutende psychiatrische und psychologische Kliniken, die sich teilweise auch auf Sprachstörungen spezialisiert haben. Da der Einzugsbereich dieser Einrichtungen weit über ihre nähere Umgebung hinausreicht, sind die gemessenen Werte nicht in diesen Landschaftseinheiten zu verorten. Weitere Landschaften mit hohen Werten sind die Niederrheinischen Höhen (Goch und Sonsbeck), das Bergische Land (Gummersbach und Wipperfürth), die Ville (Brühl und Bergheim), die Mittelrheinische Pforte (Königswinter und Wachtberg) und Nutscheid – Sieg (Eitorf und Windeck). Auch in diesen Bereichen bestimmen klinische Einrichtungen in unterschiedlichem Maße durch logopädisch tätige Krankenhausabteilungen, Tageskliniken oder auch Arztpraxen das Bild.
Zu den Bereichen mit eher niedrigen Werten gehören insbesondere das Ruhrgebiet (Hamm, Gelsenkirchen und Dortmund), das Ravensberger Land (Bielefeld und Herford), die Rheinschiene (Düsseldorf und Köln), das Kernmünsterland (Münster und Coesfeld), das Lipper Land (Detmold und Blomberg) und das Siegerland (Siegen und Kreuztal). Ein extrem niedrige Wert ergab sich für die Paderborner Hochfläche – Mittleres Diemeltal (Lichtenau und Wünnenberg). Die Ursache liegt einerseits in der geringen Bevölkerungszahl, andererseits aber vermutlich in der Gesamtsituation der Landschaft.
Bezüglich der Entwicklung des Selbstbewusstseins ergibt sich aus den Daten zum Stammeln ein mehrdeutiges Bild. In den großen Ballungsgebieten des Ruhrgebiets, der Rheinschiene mit Köln und Düsseldorf wie auch in den solitären Verdichtungsgebieten um Münster und Bielefeld zeigen sich niedrige Werte, wie sie auch in ländlichen Gebieten in Ostwestfalen, dem Lipper Land und dem Siegerland zu sehen sind. Andererseits gibt es etwas erhöhte Werte in ländlichen Gebieten des Rheinlandes, die offensichtlich nicht auf medizinische Infrastrukturkonzentration zurückzuführen sind. Für die Erklärung dieser Unterschiede können insbesondere eine regional unterschiedliche Versorgung mit medizinischen Angeboten, unterschiedliche Betroffenheit der Bevölkerung in den Landschaften und unterschiedliche Problemwahrnehmungen in der Bevölkerung herangezogen werden. Diese Möglichkeiten können weiter eingegrenzt werden: Einige Stichproben zur Versorgung durch Logopädiepraxen ergaben an Hand der Adressdatenbank des Bundesverbands Logopädie e.V. keine gravierenden Unterschiede zwischen Ballungsräumen und ländlichen Räumen. Auch zwischen ländlichen Räumen mit hohen Werten und niedrigen Werten bestehen keine prinzipiellen Unterschiede. Unterschiedliche Problemwahrnehmungen sind dann zu vermuten, wenn sich andere Persönlichkeitsmerkmale in den Vordergrund drängen. Auch dieses lässt sich durch einen Datenvergleich klären. Unter den hier untersuchten Kriterien der Persönlichkeitsbildung besteht in einigen Bereichen ein Zusammenhang zum Schwitzen. Darüber hinaus kann eine Wahrnehmungsverlagerung ausgeschlossen werden. Der Zusammenhang zum Schwitzen ist vermutlich ein Hinweis auf die Beziehungen des Stammelns wie des Schwitzens zu psychischen und psychiatrischen Krankheitsbildern, bei denen diese häufig vorkommen. Als Ergebnis ist festzuhalten, dass hinsichtlich des Stammelns keine grundsätzlich andere Bewertung der Ergebnisse erforderlich ist, wenn die eingangs genannten Extremwerte außer Acht gelassen werden.
Nach dem Idealbild der griechischen Philosophie, das neben dem Geist auch das Schöne im sinnlich Erfahrbaren anstrebt und seiner Adaption durch die Römer, die zu der in folgendem Zitat zum Ausdruck kommenden Kritik des Dichters Juvenal zum Ausdruck kommt, hat die westliche Zivilisation in Folge von Renaissance und Aufklärung eine Überhöhung dieses Aspekts der Persönlichkeit eingeführt. Dabei wurde der kritische Unterton in dem Zitat, in dem es heißt „… orandum est ut sit mens sana in corpore sano“ (…“Beten sollte man darum, dass ein gesunder Geist in einem gesunden Körper sei“) in völlig anderen Sinn verkehrt. Juvenal kritisierte an dieser Stelle seiner Satiren diejenigen seiner römischen Mitbürger, die sich mit törichten Gebeten und Fürbitten an die Götter wandten. Beten, meint er, solle man allenfalls um körperliche und geistige Gesundheit. Mens sana in corpore sano ist also bei Juvenal im Zusammenhang mit dem Sinn und Inhalt von Fürbitten und Gebeten zu verstehen. Der Satz bedeutet bei Juvenal nicht, dass nur in einem gesunden Körper ein gesunder Geist stecken könne. Dennoch wurde dieses Zitat – vor allem durch die Nationalsozialisten – in eben diesem Sinne umgedeutet, so dass ein unmittelbarer Wirkzusammenhang zwischen Geist und Körper angenommen wurde, der damit auch zur Unterstützung der Rassenlehre herangezogen wurde.
Im modernen Sinn stellen sich die Zusammenhänge zwischen Körper, Seele und Geist jedoch wesentlich komplizierter dar und gehören zu den ungelösten Fragen der Wissenschaften (Leib-Seele-Problem). Dennoch gibt es durch Beobachtung und Erfahrung abgesicherte Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen körperlicher Erscheinung und psychischem Verhalten, die z. B. in den Konstitutionstypen des Psychiaters Ernst Kretschmer Eingang in die Medizin gefunden haben. Hiernach werden die vier Typen des Pyknikers, des Athletikers, des Asthenikers / Leptosomen und des Dysplastikers unterschieden. Für jeden Typ fand Kretschmer besondere Merkmale, die ihn hinsichtlich Körpermerkmalen, Charakter und Ausprägung psychotischer Symptome von den anderen unterscheiden. Für die Ermittlung von Persönlichkeitsmerkmalen in diesem Projekt bot sich lediglich der Typ des Athletikers an, da dessen Körpermerkmale dem entsprechen, was umgangssprachlich mit dem Ausdruck „athletisch“ gemeint ist. Dagegen sind die übrigen Konstitutionstypen umgangssprachlich nicht gebräuchlich und scheiden für eine entsprechende Erhebung aus. Da es nicht in meiner Absicht liegt, ein möglichst vollständiges Inventar der psychischen Landschaft zu erstellen, sondern ein räumliches Differenzierungskriterium aus dem Bereich des Körpers zu erhalten, stellt die Beschränkung auf den Typ des Athletikers keinen gravierenden Mangel dar. Der Athletiker ist gekennzeichnet als knochig-muskulär, viskös-erregbar-explosiv, im Fall der Ausbildung einer Psychose zur Epilepsie neigend. Er verfügt über einen kräftigen Körperbau mit breiten Schultern und einem oben breit ausgebildeten Brustkorb. Sein Temperament ist im Allgemeinen heiter und forsch und er hinterlässt damit einen aktiven und dynamischen Eindruck.
Der Stellenwert der durch den Suchausdruck „athletisch“ ausgedrückten Körperlichkeit liegt unter den verwendeten Kriterien der Persönlichkeit im Mittelbereich. Der Begriff wird hier als unspezifischer Hinweis auf das Gewicht der Körperlichkeit im Verhältnis zu geistig-seelischen Merkmalen gewertet und keinesfalls im vollen Sinn des oben beschriebenen Konstitutionstyps. Aufgrund des eingangs erwähnten Missbrauchs des Athleten als Idealbild durch die Nationalsozialisten und in geringem Umfang auch wegen der Ähnlichkeit mit dem entsprechenden Konstitutionstyp nach Kretschmer schwingen in den Ergebnissen diese psychischen Definitionen mit. Das erklärt einerseits die relativ große Bedeutung unter den Kriterien und ändert andererseits nichts an der Tatsache, dass hierin der Stellenwert der Körperlichkeit in hohem Grade zum Ausdruck kommt.
Bemerkenswerte Ergebnisse sind in der Grafik für die Kulturlandschaften Ruhrgebiet (Hamm, Gelsenkirchen, Dortmund) und Schwalm-Nette (Mönchengladbach und Nettetal) abzulesen, wo die höchste Bedeutung der Körperlichkeit abzulesen ist sowie für die Kulturlandschaften Lipper Land (Detmold und Blomberg), Medebacher Bucht (Medebach und Hallenberg) und Wittgenstein (Bad Berleburg und Bad Laasphe), wo die niedrigste Bedeutung der Körperlichkeit abzulesen ist. Räumliche Zusammenhänge zeichnen sich insbesondere im Rheinland für die Rheinschiene (Düsseldorf und Köln), Krefeld mit den Grevenbroicher Ackerterrassen (Krefeld und Grevenbroich) und das Niederbergisch – Märkische Land (Mettmann und Wuppertal) ab. In Westfalen bildet sich eine zusammenhängende Zone um das Kernmünsterland mit den Kulturlandschaften Westmünsterland (Borken und Haltern), Ostmünsterland (Warendorf und Gütersloh), Paderborn – Delbrücker Land (Paderborn und Rietberg), Paderborner Hochfläche – Mittleres Diemeltal (Lichtenau und Wünnenberg) und den Hellwegbörden (Soest und Lippstadt) ab. An diese ringförmige Zone schließ sich das ostwestfälische Ravenberger Land (Herford und Bielefeld) an. Das Ergebnis erscheint insbesondere bezüglich des Ruhrgebiets plausibel, wo die körperliche Schwerstarbeit zum Mythos geworden ist und – an diesem Ergebnis erkennbar – noch lebt.
Vermehrtes Schwitzen kommt als lokal begrenzte Überproduktion der Schweißdrüsen oder als Reaktion des gesamten Körpers vor. Die Ursachen sind in beiden Fällen vielfältig. In jedem Fall führt die vermehrte Schweißbildung zu psychosozialen Problemen und Verhaltensänderungen, die aus der Bewältigung der unmittelbaren Auswirkungen resultieren (durchnässte Kleidung, tropfende Flüssigkeit, unangenehmer Geruch u. a.). Da die medizinischen Möglichkeiten zur Therapie bereits auf Grund der kaum zu sichernden Diagnose sehr begrenzt sind, ist in dieser Gesundheitsstörung eine mögliche Ursache für Persönlichkeitsstörungen zu sehen. Hinzu kommen vermehrte Schweißbildungen als Nebenwirkungen von Psychopharmaka, die zu einer Vergrößerung des Krankheitskomplexes der ursprünglichen Krankheit führen können.
Als Kriterium für die Fragestellung, ob die Region und das Land den Menschen prägt ist dieses Kriterium offensichtlich nicht geeignet. Das Gewicht innerhalb des untersuchten Spektrums ist gering und die Differenzen der einzelnen Kulturlandschaften sind sehr gering. Die wenigen vom Mittelwert abweichenden Kulturlandschaften stellen bezüglich der Kulturlandschaften Wittgenstein (Bad Berleburg und Bad Laasphe), Nutscheid-Sieg (Eitorf und Windeck) und der Eifel (Monschau und Nettersheim) nachvollziehbare Ausnahmen dar. In den genannten Bereichen existiert eine Konzentration medizinisch-therapeutischer Einrichtungen, die das Schwitzen entweder als Therapie einsetzen oder psychisch Kranke behandeln, die – wie erwähnt – auf Grund ihrer Medikation vermehrt schwitzen oder auch im Rahmen ihrer Therapie hierauf behandelt werden. Die restlichen, nicht genannten Landschaften mit erhöhten Werten können eventuell ebenso erklärt werden. Dieses gilt besonders für das Kernmünsterland mit der Stadt Münster als wichtigem und großem Standort für zahlreiche medizinische Einrichtungen.
Personen unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Beeinflussbarkeit, das heißt der Übernahme von induzierten Gedanken, Gefühlen, Wahrnehmungen oder Vorstellungen auf Kosten des Bezuges zur Realität. Die Beeinflussung kann durch fremde Personen ebenso erfolgen wie durch die Person selbst (Autosuggestion). Die Beeinflussbarkeit spielt in der Medizin eine Rolle im Zusammenhang mit der Placebo-Forschung und bei der Hypnose. Außerdem ist es ein Begriff der Massenpsychologie. Menschen mit bestimmten Persönlichkeitsstörungen sind extrem beeinflussbar. Auch in der Persönlichkeitsentwicklung befindliche Kinder sind sehr stark beeinflussbar, diese nimmt jedoch im Laufe des Lebens ab. Sie sind in besonderem Maße Ziel der Beeinflussung durch Propaganda oder Werbung. Darüber hinaus nimmt die Beeinflussbarkeit bei Müdigkeit und körperlicher Schwäche zu.
Das Kriterium Beeinflussbarkeit ist unter allen Kriterien am schwächsten ausgeprägt. Erhöhte Werte sind insbesondere für das Ruhrgebiet (Hamm, Gelsenkirchen, Dortmund), die Rheinschiene (Düsseldorf und Köln) zu sehen. Eine eindeutige Konnotation und ein gerichteter Aussagewert ist für dieses Kriterium nicht anzugeben. Hierauf ist vermutlich der sparsame Gebrauch des Wortes zurückzuführen. Auffällig ist jedoch, dass die beiden größten Ballungsgebiete und der Standort einiger der wichtigsten Gerichte in NRW zu den hervorstechenden Landschaften gehören.
In einem Zwischenresümee werden nachfolgend vier der dargestellten Persönlichkeitsmerkmale in einem Gesamtbild zusammengefasst. Es handelt sich dabei um die Kriterien Ausdauer, Reizbarkeit, Geselligkeit und Körperlichkeit, die eine eindeutig positive Konnotation aufweisen. Die Zusammenfassung erfolgt nach einem Punkteschema, wobei jeweils die vier Farbstufen der Grafiken zu Grunde gelegt wurden. Hierbei erfolgt eine Punktvergabe, die der Stellung in der Farbskale, beginnend mit dem Punktwert 1, folgt. Hierbei erhalten die mittleren Positionen jeweils einen Bonuspunkt und der oberste Wert einen Maluspunkt. Damit soll einerseits der hervorstechenden Aktivität im Vergleich zum Mittelmaß Rechnung getragen werden, andererseits soll mit dem Maluspunkt eine überschießende Aktivität, die erfahrungsgemäß zu Lasten der Gesamtheit geht, gemindert werden.
Es ergibt sich ein farbiges Bild, in dem zusammenhängende Kulturlandschaften mit einzelnen Landschaften abwechseln. Große Landschaftsbereiche mit starken Prsönlichkeitsmerkmalen existieren in Westfalen, wo das Westmünsterland, mit dem Ostmünsterland, dem Paderborn – Delbrücker Land und dem Ravensberger Land eine Einheit bilden, die sich halbkreisförmig nördlich um das Kernmünsterland herum erstreckt. Ihr rheinisches Pendant besteht aus den Kulturlandschaften Rheinschiene, Krefeld – Grevenbroicher Ackerterrassen und dem Bergischen Land. Ein weiterer zusammenhängender Bereich auf der nächst niedrigeren Stufe wird in nord-südlicher Ausdehnung in mittlerer Lage des Landes von den Kulturlandschaften Kernmünsterland, Hellwegbörden, Sauerland, Siegerland, Medebacher Bucht und das Niederbergisch – Märkische Land gebildet. Auf der zweiten Stufe ist das Ruhrgebiet zu sehen, das mit den Niederrheinischen Höhen verbunden ist. Auf der untersten Stufe besteht eine Verbindung zwischen der Jülicher Börde – Selfkant, der Rheinischen Börde und der Eifel. Die auf allen Stufen bestehenden Einzellandschaften verteilen sich an den Landesgrenzen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf die isolierte Situation des Aachener Landes und des Lipper Landes hinzuweisen.