Giovanni Bellini
Bellini war zunächst Schüler seines Vaters Jacopo. Dessen geradezu ikonenhaft strenge, noch ganz der Tradition des 14. Jahrhunderts verpflichtete Malweise wie dessen ganz der Wirklichkeitserfassung zugewandten Zeichnungen beeinflußten sein Jugendwerk. Als Giovannis Schwester Nicosia 1453 Mantegna heiratete, entstanden enge Beziehungen zwischen Venedig und Padua. Giovanni wird auf diesem Wege mit den Möglichkeiten von Körper- und Raumdarstellung der Frührenaissance vertraut. Sein Stil gewinnt unter Mantegnas Einfluß vorübergehend eine gewisse kalligraphische Schärfe („Verklärung Christi“ (1460), Venedig, „Ölberg“ (1470),London,). Der Aufenthalt Antonellos da Messina in Venedig 1475/76 scheint dann die ureigensten Kräfte Giovannis freigesetzt zu haben. Ohne die rationale Konstruktion von Körper und Raum sowie deren wechselseitige Durchdringung aufzugeben, gewinnt seine Farbgebung Leuchtkraft und Tiefe; farbige Modulation tritt zunehmend an die Stelle der abgrenzenden Umrisse, Licht erfüllt den Bildraum. Die Landschaft erhält, etwa in seinen zahlreichen Darstellungen der Maria mit Kind und der Pieta, einen Stellenwert und eine Qualität, die Bellini zum bedeutendsten italienischen Landschaftsmaler der Frührenaissance macht. Die Fähigkeit, seinen Figuren bei aller Bewußtheit der Bewegung und des körperlichen Aufbaus den Ausdruck stiller Versenkung zu erhalten, bleibt sein Geheimnis, das ihn über alle Zeitgenossen erhebt. Die großen Werke seiner Spätzeit, vor allem die Darstellungen der Sacra Conversazione, überschreiten in der Verbindung von Freiheit und strenger Gesetzmäßigkeit bereits die Schwelle von der Früh- zur Hochrenaissance. Als Lehrer Giorgiones und Tizians hat Giovanni, den Dürer während seines zweiten Venedigaufenthaltes 1505 bis 1507 noch als größten Maler seiner Zeit bezeichnete, unabsehbare Bedeutung für die venezianische Malerei des 16. Jahrhunderts.